Einzug

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Weder Lisa noch ihr Vater bemerken Hiwa, als sie das Zimmer betritt. Leise zieht sie ihren Koffer hinter sich her, blickt sich um und beginnt auszupacken. Ich lächle sie an und hebe zum Gruß die Hand als sie mal kurz in meine Richtung blickt, doch sie ignoriert mich. Sie ist komplett in Gedanken. Jeder ihrer Handgriffe passiert mechanisch, so als wäre sie ein Roboter. Beim Gedanken daran mit einem Robotermädchen in einem Zimmer zu leben, schaudere ich.
Hiwa ist um einiges schneller als Lisa. Nur etwa ein Drittel ihres Schrankes ist voll, während Lisa's Vater darum kämpft möglichst viele Kleidungsstücke in Griffhöhe einzuräumen. Hiwa beobachtet das Spektakel.

"Du kannst meine unteren Schrankteile übernehmen!", bietet sie schließlich an. Lisa's Vater fährt hoch und stößt sich den Kopf an der oberen Schranktüre. Er war so auf seine Tochter fokussiert, dass er gar nicht mitbekommen hat, dass sie nicht mehr alleine im Zimmer sind. Mit leisem Fluchen reibt er sich den Hinterkopf, gleichzeitig lächelt er aber.

"Brauchst du den Platz nicht selbst?", fragt er dankbar nach, ein Hauch von Sorge liegt in seiner Stimme. Er möchte nicht, dass seine Tochter einen schlechten Start in der neuen Schule hat, weil sie die oberen Schrankbretter nicht erreicht.
Hiwa schüttelt den Kopf, "Ich brauche nicht so viel Platz."

Lisa's Vater bedankt sich nochmal, dann beginnt er das restliche Zeug einzuräumen.
Seine Tochter ist nun auch auf das fremde Mädchen aufmerksam geworden. Hiwa hat sich auf ihr Bett niedergelassen und wippt probeweise darauf herum.

"Wie heißt du?", fragt sie.

"Hiwa. Hiwa Karou. Und du?"

"Lisa. Lisa von absolut grandios!"

Auf Hiwa's Gesicht bildet sich ein schiefes Lächeln.

"Ich bin Charlotte!", werfe ich ein, "Charlotte Gruber."

Sie hören mich nicht.

Das Handy von Lisa's Vater vibriert. Er hebt ab und wechselt leise ein paar Worte mit seinem Gesprächspartner. Ein leichter Schatten legt sich auf sein Gesicht, kurz darauf legt er auf.

"Was ist los?", fragt Lisa besorgt. Ihr ist der Stimmungsumschwung ihres Vaters nicht entgangen.

"Nathaniel hatte gerade einen Nervenzusammenbruch", der Mann zieht eine besorgte Grimasse, "Die Waschmaschine hat unser Badezimmer in ein Schaumbad verwandelt und das Abendessen wurde zu Asche verwandelt."

Lisa kichert, "Geh und spiel Ritter!", fordert sie ihn auf, "Rette deinen Freund!"

"Kann ich denn jetzt einfach schon gehen? Du wirfst mich raus?", mit gespielter Bestürzung greift sich der Mann ans Herz.

Seine Tochter boxt ihm gegen die Schulter und lacht, "Nun fahr schon, und nimm am Besten zwei Pizzen mit nach Hause. Dann ist der romantische Abend gerettet!"

ApfelwolkenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt