IV

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"He tells her that she's good enough, but she's too insecure about herself to understand."

Es war ziemlich spät als ich zuhause ankam. Zwar klappte es nicht so leicht wie ich gedacht hätte, doch ich hatte es geschafft.
Ich hatte keinen Unfall gebaut, kein Polizist hatte mich angehalten, nur schaffte ich es nicht die Treppen hoch in die Wohnung zu laufen.
Mir war schwindelig, sogar sehr.
Eigentlich kam ich ja gut mit drei Bier klar, immerhin hatte ich es geschafft mit dem Auto Heim zu kommen, doch wieso klappte es mit den Treppen nicht?

Ganz leise schloss ich die Tür auf und versuchte bloß keine Geräusche zu verursachen, denn meine Mom hatte einen zu leichten schlaf, außerdem mochte sie es nicht mich angetrunken zu sehen.
"Wo warst du?" Hörte ich hinter mir als ich in mein Zimmer tapste und erschreckte mich.
"Musst du dich so an mich ranschleichen?"
"Wo warst du habe ich dich gefragt!"
"Geht dich einen Scheißdreck an." Zischte ich wütend und begab mich endlich in mein Zimmer.
Wieso konnte diese Frau mich nicht einfach in Ruhe lassen, was war ihr scheiß Problem?
Ich wollte nicht das sie mir was vorspielte, nicht das sie vorgab sich Sorgen zu machen, denn das tat sie nicht.
Ich kannte es nicht wirklich Eltern um mich zu haben, die sich um mich sorgten, schon mit jungen Jahren wurde mir klar gemacht, dass ich die 'ungewollte, überflüssige' in der Familie war und ich hatte mich damit abgefunden.
Ich versuchte solange wie möglich nicht nach Hause zu kommen, ich verbrachte den ganzen Tag lieber mit Menschen die ich nicht mochte als hier mit Menschen zu sein die mich nicht wollten.
Geld bekam ich nicht wirklich viel von meiner Mom, von meinem Dad fing ich garnicht an.
Und während diesem Gedankenwirbel glitt ich langsam in den Schlaf.

"Steh auf." Flüsterte jemand und ich schüttelte meinen Kopf.
Ich wollte schlafen, hatte Kopfschmerzen wie die Pest und übermüdet war ich ebenfalls.
Doch dann wurde mir klar, dass mich niemals jemand hier so aufwecken würde und ich riss meine Augen auf nur um in Eisblaue Augen zu sehen, Augen die vor Freude strahlten, Augen die ich vermisst hatte und für die ich wirklich meine Zukunft aufgeben würde.
"Du bist hier?" Flüsterte ich ungläubig, denn eigentlich würde er mir Bescheid geben wenn er kam, doch diesesmal stand er einfach da, er war hier und ich war überglücklich. Ich vergaß all' die Kopfschmerzen, mein Schlaf war nun nur noch Nebensache.
"Ja, ich bin da."
"Wieso hast du mir nicht Bescheid gegeben?"
"Wollte dich überraschen."
Ich stand auf und umarmte ihn so doll, ich hatte ihn so vermisst und nun hatte ich ihn bei mir.
"Ich hab dich so vermisst."
"Ich dich auch, sogar sehr."
Doch dann kriegte ich mich wieder ein und ließ los.
Mein Bruder schüttelte den Kopf, denn er wusste, dass ich mich wieder versteckte.
"Du musst deine Freude nicht verstecken Alaska."
"Tu ich nicht. Lass uns Frühstücken."
Ich zog ihn mit aus dem Zimmer und wollte nicht mehr darüber sprechen. Ja ich freute mich wirklich sehr das mein Bruder wieder da war, aber wieso sollte ich es zeigen, ich würde dadurch nur wieder eine verletzbare Seite zeigen und das konnte ich nicht, das durfte ich nicht.

"Evan!" Schrie Elly auf und umarmte ihn, sodass er Schwierigkeiten beim Stehen hatte.
"Ich freu mich auch dich zu sehen."
Wir setzten uns an den Tisch und ich merkte die angespannte Stimmung zwischen Mom und Evan.
"Was ist los mit euch?" Fragte ich gereizt, denn eigentlich waren Mom und Evan einfach unzertrennlich, wenn er da war strahlte sie wie die Sonne im Sommer.
"Nichts."
"Oh doch da ist was."
Ich schmierte mir ein Brot und biss hinein als meine Mutter wieder anfing.
"Alaska, wie oft muss ich dich denn warnen und bitten, dass du wenn wir zusammen am Tisch sitzen ordentlich angezogen sein sollst."
"Hör auf, ich bin doch auch noch in Pyjama. Warum behandelst du mich anders als sie?"
Zum erstenmal in meinem Leben bekam ich mit, wie er sich für mich gegen Mom stellte.
"Evan-"
"Nein, nichts 'Evan'. Sie ist auch deine Tochter, sie ist auch dein Kind. Ihr könnt sie doch nicht wie etwas anderes behandeln. Ich hab kein Bock das ihr Alaska wie ein Stück Dreck ansieht!"
Damit hatte ich ganz und garnicht gerechnet. Mein Herz klopfte wild und mir wurde schlecht, ich wusste ja wie sie mich behandelten, doch es von jemand anderem zu hören verletzte mich.
Es tat höllisch weh, meine Augen brannten, ich schaute nicht auf da ich angst hatte Mom, Evan oder Elly in die Augen zu schauen.
Mom hasste mich jetzt wohl mehr als sonst, Elly würde mich beschuldigen, meinen das ich ihn dazu gebracht hatte sowas zu sagen und Evan hielt sich wahrscheinlich gerade echt zusammen um hier nichts kaputt zu schlagen.
Ich atmete tief ein und aus, wollte keine hier keine Schwäche zeigen.
Ich blinzelte, schaute immernoch auf den Tisch, biss an meinem Brot ab und war am ganzen Körper angespannt.
"Evan, wie kannst du Mom widersprechen?" Brach Elly die Stille und ich könnte schwören das wenn Mom nicht hier wäre Evan auf sie losgegangen wäre. Ich spürte seine Wut, seine Anspannung bis hierher.
Ich hielt es nicht mehr aus.
Ohne ein weiteres Wort stand ich auf, ich schaute keinen an, mir fingen schon an die Augen zu Tränen.
Ich schnappte mir nichts weiter als meine Schlüssel und rannte aus der Wohnung.
Und mir war bewusst, dass ich nicht ordentlich angezogen war aber was war daran schlimm mit einer Jogginghose und 'nem Pulli rauszugehen.
Ich stieg in meinen Wagen und atmete tief ein und aus, die Kontrolle hatte ich verloren, ließ meinen Tränen freien Lauf.
"Ich hasse dich!" Schrie ich während ich auf den Lenkrad schlug, ich hasste sie wirklich.
Hasste meine Mutter, meine Schwester und meinen Vater.
Aber wie konnte man jemanden hassen für dessen Liebe man sterben würde?
Wie hasste man Menschen deren Liebe man wollte?
Ich hasste keinen von ihnen und das wusste ich, doch das würden sie niemals bemerken.
Ich würde keinem von ihnen jemals verzeihen, für all' die Tage in denen ich wegen ihnen geweint habe.
Ich sehnte mich seit meiner Kindheit nach deren liebe, doch waren sie das Wert?
Verdienten solche Menschen überhaupt ein anderes Gefühl außer Hass?
Wahrscheinlich nicht, doch ich liebte sie mit meinem ganzen Herzen.
An manchen Tagen weinte ich, weil Mom Elly umarmte und nicht mich, an anderen weinte ich weil Dad sich mit ihr traf statt mit mir.
An den meisten Tagen jedoch weinte ich, weil ich nicht wusste wie es war eine Familie zu haben auf die man zählen konnte.
Ich weinte oft, jedoch wussten sie das nicht.
Sie dachten seit Jahren, dass mich ihre Handlungen nicht verletzten, mich nicht trafen, doch sie wussten nichts.
Sie kannten mich nicht, keiner kannte mich, nicht einmal Evan.
Doch die eigentliche Frage war doch, kannte ich überhaupt mich?

Irreversibel Where stories live. Discover now