»Marls-« Lily zu ihrer Rechten verdrehte die Augen. Offenbar hatte sie diesen Vorwurf nicht zum ersten Mal gehört.

Emily fing Peters Blick auf, der von der Welle der Empörung, die ihm entgegen schlug, ähnlich irritiert zu sein schien wie sie selbst. Mit den Schultern zuckend grinste er und ungläubig den Kopf schüttelnd tat sie es ihm gleich, als er sich wieder Marlene zuwandte und ihre Wutrede aufmerksamst mitverfolgte.

Mary, die zu ihrer Linken stand, lief rot an, als sie sich dem Fokus bewusst wurde, der sich um das Trio legte. Unsicher trat sie von einem Fuß auf den anderen und verschwand fast hinter der Schulter ihrer Freundin.

Marlene war eine solche Verunsicherung völlig fremd. Die Tatsache, dass sich ihr Publikum gerade mit Leichtigkeit verzehnfacht hatte, schien sie nicht auszubremsen, sondern anzufeuern.

»Meine Kleidung entspräche nicht dem Dresscode!« Emily hätte keine Schwierigkeiten gehabt, sich Marlene mit Schaum vor dem Mund vorzustellen. »Sie hat mich länger da behalten, weil meine Kleidung nicht dem Dresscode entsprach!« Ihr Schnauben war theatralisch beinahe zu passend gesetzt, um noch authentisch zu wirken, doch der Zorn in ihren Augen ließ keinen Zweifel daran zu, dass Marlene sich von dieser Behandlung persönlich angegriffen fühlte. »Ein Dresscode! Wo sind wir denn, im Mittelalter?! Ein Dresscode!«

»Marls, du gehst auf eine Schule, in der wir Uniformen tragen. Die Existenz eines Dresscodes kommt nicht so überraschend, wie du vielleicht denkst.« Lily entdeckte die Rumtreiber. Kurz hellte sich ihr Gesicht auf, aber Marlene schien noch nicht bereit, sie aus ihrem inneren Zirkel zu entlassen. Dieses Plädoyer der weiblichen Selbstbestimmung war offenbar noch nicht zu Ende gekommen.

»Ein Dresscode, Lily!« Beeindruckt verfolgte Emily, wie kompromisslos Marlene in der Abscheu war, die ihr Gesicht entstellte. »Weißt du überhaupt, was die Rechtfertigung für einen Dresscode ist?«

»Kollektivbildung?« Lily verschränkte die Arme vor der Brust und Emily spürte förmlich, wie ihr James' Stolz den Rücken wärmte.

»Unterdrückung! Diskriminierung!« Marlene warf die Hände in die Luft. »Meine Bildung ist genauso viel wert wie die von jedem anderen Schüler dieser Schule, aber niemand wirft Kilian Todd aus seinem Klassenraum, obwohl er in seinen Sandalen weiße Socken trägt! Das lenkt mich auch ab!«

»Marls, du driftest in die Lächerlichkeit.«

»Lächerlich?! Du findest es lächerlich, dass man meine Freiheit einschränkt, mich anzuziehen, wie ich mich verdammt noch mal anziehen will? Du findest es lächerlich, dass man mich wegen meiner Kleidung vom Unterricht ausschließt und damit die Bildung der Schüler vor die der Schülerinnen stellt? Das findest du lächerlich?«

»Ihre Leidenschaft ist jedes Mal wieder bemerkenswert«, grinste Sirius und lenkte Emilys Aufmerksamkeit von Lilys Erwiderung ab. Er rollte die Schultern, als er sich aus seinem Sesssel erhob. »Ich geh sie mal retten.«

»Das ist verdammt nochmal rückschrittig! Das ist antifeministisch!«, polterte Marlene schon, als Emily Sirius mit dem Blick folgte. Was auch immer Lily erwidert hatte, die Gemüter hatte es offenbar nicht beruhigt.

Sirius schob sich durch die in ihrem Schock erstarrten Drittklässler, die nicht recht zu wissen schienen, inwiefern sie sich die bösen Blicke verdient hatten, die das große Mädchen ihnen zuwarf, das dort vor ihnen wie eine Rachegöttin vom Himmel herab gestiegen war. Im Vorbeigehen tätschelte er Köpfe und grinste, als er neben Lily erschien.

Marlene missbrauchte ihn schon als Beispiel männlicher Inanspruchnahme weiblicher Körper, als er Lily den Rücken zudrehte und sie – einer stumme Aufforderung folgend – hinauf kletterte. Mit ihr huckepack lief er wieder durch die Menge der Schüler, die die Schneise noch nicht wieder geschlossen hatte, die er auf dem Hinweg geformt hatte.

the planet's last dance ▪ r. lupinWhere stories live. Discover now