Und dann kam Bob. Er erzählte uns, dass man nichts machen konnte, dass sie bereits tot angekommen sei. Danach sagte er noch genaueres über ihren medizinischen Befund, doch das hatte ich alles nicht mehr wirklich wahrgenommen. Es war, als sei ich von der Außenwelt abgeschottet. Seine Worte erreichten mich nicht, sie prallten an einer unsichtbaren, undurchdringlichen Wand ab.

Mein Brustkorb zog sich zusammen und ich hatte das Gefühl nicht mehr Atmen zu können. Mein Herz fühlte sich an, als griffe eine eisige Hand danach und zerquetschte es. Ich fühlte mich leer, taub, war nicht einmal in der Lage zu weinen.

Die Situation, die letzten Tage empfand ich als surreal. Dann nahm Louis mich in den Arm und holte mich in die Realität zurück. Mit einem Schlag prallte alles auf mich nieder. Es fühlte sich an, als sei nicht Helen gerade gestorben, sondern ich, als stäche jemand ein Messer in meine Brust.

Ich riss mich aus Louis Umarmung und rannte los, ziellos durch die Gänge. Ich wollte weg, weg von meinem jetzigen Leben. Ich hörte, dass Louis und Mino meinen Namen schrien, doch ich rannte einfach weiter, bis meine Lunge versagte.

Doch der physische Schmerz konnte keinesfalls mit dem psychischen konkurrieren. Ich setzte mich auf den Boden und begann bitterlich zu weinen und schreien. Ich weiß nicht, wie lange ich so dasaß, doch irgendwann hat man mich gefunden und zu Louis und Mino gebracht.

Und zu diesem Zeitpunkt fing es an, dass wir unsere Zeit damit verbrachten stumm in Louis Zimmer zu sitzen. Keiner wollte die Stille brechen, denn es hätte sich so angefühlt als hintergingen wir Helen. Auch wenn ich mir sicher bin, dass sie uns nie so hätte sehen wollen.

Und jetzt sitzen wir wieder hier, jeder in Gedanken. Keiner sagt etwas, wir starren nur die Wand an. Ich hatte gelernt diese Stille zu hassen und zu lieben. Sie erspart mir unnötige Konversationen, die nur noch mehr Salz in die noch nicht verheilte Wunde streuen, allerdings zerfrisst es mich, nicht darüber zu reden.

„Ich weiß noch als ich sie das erste Mal getroffen hab", unterbricht Mino als erstes die Stille. „Wir waren gerade mal drei oder vier. Meine Mutter hat mich dazu gezwungen, am Benimmunterricht teilzunehmen. Sie wollte, dass ich später für die Rebellen kämpfe. Es war eine Qual für mich. Die anderen Kinder haben mich gehänselt, weil ich als Kind eine Brille hatte. Doch eines Tages spazierte ein kleines, blondes Mädchen mit zwei Zöpfen herein und setzt sich zu mir.

Ich hab sie gefragt, ob sie sich sicher ist, dass sie neben mir sitzen will, die anderen Kinder würden mich wegen meiner Brille auslachen und sie dann sicher auch. Sie hat mit den Schultern gezuckt und meinte nur, die andren Kinder seien Idioten, wenn sie meinen müssen, mich wegen so etwas auszulachen.

Seitdem waren wir beste Freunde. Als ich kleiner war, war ich sogar in sie verliebt. Sie war das erste Mädchen, dass ich geküsst hab, mit 10. Das war wahrscheinlich das peinlichste was ich je erlebt habe. Wir hatten beide eine Zahnspange und natürlich haben die sich verhakt", sagt er und lacht leise.

Mir wird erst jetzt klar, wie hart das für Mino sein muss. Ich meine, klar, ich bin auch traurig, aber ich kenne Helen noch nicht mal ein Jahr und Louis kennt sie auch nicht so lange, aber Mino kennt sie schon seit die beiden Kinder waren.

Egal was passiert ist, sie waren immer zusammen und jetzt ist sie weg. Ich kann mir nicht vorstellen wie schrecklich das sein muss. Es wäre als wenn Lucy auf einmal sterben würde. Bei dem Gedanken an sie zieht sich mein Magen zusammen. Ich war in letzter Zeit eine miserable Freundin.

„Bei unserem ersten Treffen, war das erste was sie gesagt hat, dass ich der bestaussehendste Typ hier bin. Ich weiß noch wie du sie ausgelacht hast, bis du gemerkt hast, dass du eingeschlossen bist. Und als sie deinen Gesichtsausdruck gesehen hat, musste sie auch anfangen zu lachen.

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