Jetzt Kapitel 7

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Daniels POV

Okay, sie sieht nicht wirklich begeistert aus, wahrscheinlich hält sie mich im Moment wieder für einen Verrückten. Weniger grinsen, Daniel. Ist doch klar! 

Ich wechsle also zu meinem natürlichen, normalen und charmanten Lächeln und räuspere mich, darauf bedacht, mal ernst und normal zu sein.

"Nun, ich dachte, wir könnten das als Grundstein für unsere - hoffentlich bald - sehr innige Freundschaft nutzen."

Sie hebt eine Augenbraue und betrachtet mich einen Moment, bevor sie dann die Arme verschränkt und den Kopf schief legt, sodass ihr ein paar ihre braunen Strähnen in ihr kleines, rundes Gesicht fallen. Sofort streicht sie sie weg.

"Innige Freundschaft?"

Ich nicke. "Oder erstmal weniger innige Freundschaft, aber ja. Das ist es."

Wieder runzelt sie die Stirn. Lustig, denn irgendwie wölbt sich ihre rechte Augenbraue dabei so komisch, was sowohl amüsant aber auch total süß aussieht.

"Warum kommt ihr hier alle auf die Idee, dass ich mit euch befreundet sein will? Was hab ich denn so besonderes an mir? Ach, ja, die Brüste, richtig!"

Jetzt bin ich dran, sie Stirn zu runzeln.

"Deine Brüste?". frage ich, natürlich voll konzentriert darauf, in ihr Gesicht zu sehen.

Sie winkt ab und schüttelt den Kopf.

"Egal. Also? Warum ich? Ich war nicht mal nett zu dir. Die meiste Zeit zumindest."

Ich zucke mit den Schultern.

"Ja, weil das deine Schutzreaktion ist, ganz einfach. Alles nur Fassade. Du hast Angst, verletzt zu werden, bist eher introvertiert und ...", philosphiere ich vor mir hin ...

Und wahrscheinlich habe ich damit direkt ins Schwarze getroffen, denn sie ist auf einmal total angespannt und ruhig. Ich will es gerade zurück nehmen, mich dafür entschuldigen, schon wieder eine Grenze überschritten zu haben. Mist!

"Warum?", fragt sie dann aber, wohl darauf bedacht, eine ehrlich gemeinte Antwort zu bekommen.

Ja, warum eigentlich? Weil ich sie an diesem Abend gesehen habe? So richtig? Für diesen einen kleinen Moment, wo sie auf der Bank gelegen hat, bevor ich sie zu Tode erschreckt habe, habe ich einen kleinen Einblick auf sie bekommen. So ruhig, wie sie da lag, dessen bewusst, dass trotzdem jeden Moment jemand dort vorbei kommen könnte. So in Gedanken vertieft, wirkte sie angreifbar, verletzlich.Offen. Rein metaphorisch gesehen, natürlich. Irgendetwas muss sie beschäftigt haben, nicht? Sie kann das doch nicht aus Langeweile getan haben. Und dann ihre Augen. In ihnen lag, wenn auch nur für einen kurzen Moment, etwas trauriges. Und dann ihr Sarkasmus? Na wenn das nicht Indiz genug ist ...

Ich will herausfinden, was das ist. Was es ist, dass sie, wenn auch nur für diesen kurzen Moment, so traurig erscheinen ließ. War es vielleicht Liebeskummer? Versteht sie sich mit ihren Eltern nicht so gut? Hat sie in letzter Zeit zu viel Enttäuschung erfahren? Keine Ahnung, aber ich hab das Bedürfnis, diese Traurigkeit, wenn auch nur in kleinen Schritten, für minimale Momente, aus ihren Augen verschwinden zu lassen. Ist das verrückt? Ja, vermutlich. Ist es nicht ein kleines bisschen zu schnell, zumal ich sie noch nicht mal richtig kenne? Zur Hölle, ja, und wie! Aber das ist mir egal. Und ich werde auch nicht so schnell von dieser Idee abkommen.

Genauso wie ich es bei Lena damals getan hatte. Nur bin ich heute älter. Das hier ist womöglich ernster. Und ich will die volle Verantwortung dafür übernehmen. Sie ist neu hier, richtig? Wen hat sie hier denn sonst? Anton ... Andy ...  Adam oder wie dieser Typ hier hieß -zum Glück ist er schwul - zählt ja auch noch nicht wirklich, oder? So richtig hat er ihre Freundschaft noch nicht für sich gewonnen.

Also, nickend - eher zu mir selbst, wohl wissend, dass es für sie wahrscheinlich vollkommen unlogisch erscheint - richte ich meinen Blick wieder auf sie und schenke ihr ein aufrichtiges Lächeln und beginne mit der Wahrheit.

"Deine Augen, Sarah Lawson. Ich hab deine Augen gesehen. Für diesen einen Moment hast du mich, wenn auch unabsichtlich, in deine Augen blicken lassen und einen Teil hinter deiner Fassade gezeigt. Da ist etwas, und auch, wenn du es jetzt innerlich wahrscheinlich schon wieder leugnen willst, hab ich es gesehen. Für diesen Moment warst du unachtsam.

Ich verlange nicht von dir, dass du mir deine ganze Lebensgeschichte erzählen sollst. Ich will das hier auch nicht nur nutzen, um dich schmierig anzumachen und dich somit später zu erobern - obwohl man darüber noch reden könnte", füge ich zwinkernd dazwischen, natürlich nicht ernst gemeint, "Nein, ich möchte dir nur meine Freundschaft anbieten. Und hey, immerhin hast du auch Antons ... Andys ... Adams?"

"Adams", fügt sie mit einen winzigen, vielleicht sogar amüsierten, Lächeln hinzu.

Ich nicke kurz. "Adams Freundschaft hast du auch angenommen. Na ja, oder so ähnlich. Ich kann dir zwar noch keinen so coolen Namen bieten, - obwohl ich mir da sicherlich noch Gedanken machen würde, ich schwöre es - aber ich kann dir sagen, dass ich auch so ein unglaublich guter Kumpel bin", schließe ich breit grinsend ab.

Daraufhin verdreht sie nur kurz die Augen und für den Bruchteil einer Sekunde zeigt sie ihr ehrliches Lächeln. Sie räuspert sich nach einem kurzen Moment weiterer, nicht unangenehmer Stille und streckt die Hand aus.

"Welchen Kurs haben wir denn, glücklicherweise, zusammen?"

Ich hätte nicht gedacht, dass das geht, aber mein Grinsen wird noch um eine Spur breiter. Wahrscheinlich sehe ich aus, wie der letzte Vollidiot auf Erden, aber hey! Das ist doch schon mal ein Fortschritt nicht? Damit lässt sich arbeiten.

Anstatt ihr den Zettel zu geben, den sie wohl eher von mir verlangt, nehme ich ihre ausgestreckte Hand und verschränke ihre Finger mit meinen.

"Wow, Sarah Lawson! Du lässt in Sachen neu gewonnene Freundschaften ja nichts anbrennen! Schon willst du Händchen halten."

Sie stöhnt frustriert auf, verdreht zum gefühlten zwanzigsten Mal die Augen und löst ihre Hand von meiner.

"Idiot", sagt sie dann nur und nimmt mir den Zettel aus der Hand, um einen Blick drauf zu werfen. Lange müsste sie unseren gemeinsamen Kurs nicht suchen. Er findet nämlich direkt heute statt. Und, das ist ihr letzter für heute und ich habe ihn schon längst eingekreist.

Sie blick zu mir auf, in mein immer noch breit grinsendes Gesicht und faltet den Zettel wieder zusammen.

"Du bist verrückt."

Mit diesen Worten dreht sie sich um und schlägt die Richtung zur nächsten Treppe ein, die uns auf den D Flur bringt.

Sollte ich ihr lieber gleich sagen, dass wir dafür in den B Flur müssen?

Nahh, noch nicht. Breit lächelnd folge ich ihr. 

LostWo Geschichten leben. Entdecke jetzt