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Harry fing an zu weinen. Zu schluchzen und zu schluchzen, sich die Seele aus dem Leib zu weinen.

Wieso erkannte man Fehler immer erst dann, wenn es zu spät war?

Wieso realisierte man erst, dass man Unrecht hatte, wenn es zu spät war?

Harry vergrub sich in seinen Händen. Er wollte sich gerade hier in der Erde einbuddeln und nie wieder herauskommen.

„Es ist alles gut", versuchte Jasmine ihn zu beruhigen, traute sich nicht, ihn zu berühren.

„Alles gut?! Nichts ist gut!", schrie Harry, außer sich vor Wut und Scham, „Ich habe jemanden umgebracht!"

Er starrte Jasmine nun direkt in die Augen. Während er diese Worte herausgeschrien hatte, was seine Seele enorm erleichterte, war sein Kopf blitzschnell nach oben geschellt und er schrie Jasmine ins Gesicht.

Für einen kurzen Moment zuckte sie zusammen.

Sie sah ihn mit aufgerissenen Augen an.

Harry stand auf und raufte sich die Haare.

„Ich bin ein Monster", murmelte er, zu leise für Jasmine. „Ich bin ein Monster."

Jasmine stand ebenfalls auf und kam ihm langsam näher. „Harry –"

„Ich bin ein Monster!", schrie er sie erneut an, „Geh! Bringe dich in Sicherheit vor mir! Ich bin ein Monster ..."

„Du bist kein Monster", sagte Jasmine stark und bestimmt und legte eine Hand auf seinen Arm, die er versuchte abzuwimmeln. Sie hielt sich fest. „Du bist kein Monster, Harry!"

„Siehst du es nicht?! Ich habe jemanden umgebracht!!! Und dir schade ich auch nur! Ich bin ein Monster, durch und durch."

Er schaute zutiefst bedrückt und traurig auf den Boden, Jasmines Hand lag immer noch auf ihm.

„Du schadest mir nicht", beruhigte sie ihn sanft. „Wann hast du mich je körperlich angegriffen? Hm? Kein einziges Mal, genau", ihre Hand wanderte höher, auf seine Schulter, „Und sonst ... Ich war noch nie glücklicher, Harry. Noch nie in meinem ganzen Leben war ich so glücklich wie mit dir zusammen."

Ihre Hand strich über seinen Nacken. „Ich fühle mich frei mit dir. Ich fühle mich frei, weil ich es bin. Es ist so einfach mit dir", ihre Finger strichen durch seine Haare, „so einfach. Und weißt du, wieso?"

Sie hob sein Kinn und zwang ihn, sie anzuschauen. „Weil ich dich mag, Harry, so wie keinen zuvor. Deshalb ist es so einfach, deshalb bin ich so glücklich. Deshalb kann ich dir gar nichts übel nehmen ... und deshalb ist dein Leid auch mein Leid. Mich zerreißt es, dich so zu sehen."

Ihre beiden Hände umklammerten nun sein Gesicht. „Ich könnte niemals Angst vor dir haben. Niemals."

Harry konnte nicht anders als sie an der Hüfte zu packen und mit einer brennenden Leidenschaft seine Lippen gegen ihre zu pressen. Diese Versprechen, die verbalen Liebkosungen, die unterstreichenden Berührungen ... Ohne sich dagegen wehren zu können hatte sein Körper und Geist gehandelt.

Jasmine ließ sich in den Kuss fallen. Sie erwiderte ihn mit allem was sie hatte und noch mehr. Sie musste Harry das Gefühl vermitteln, dass er nicht alleine war. Sie war bei ihm und würde alles mit ihm durchstehen – gemeinsam.

Atem- und kraftlos schnappten beide nach Luft, umklammerten sich aber immer noch. Sie waren wie aneinander gebunden und verbunden – wieso beide das nicht früher einsehen und das Drama verhindern konnten, war niemandem klar. Das, was nun zählte, war, dass sie beieinander waren und wussten, dass sie jede Hürde gemeinsam überwältigen konnten.

Motel | stylesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt