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Als Jasmine aufwachte, befand sie sich nicht in ihrem Bett. Sie erschrak und war in Sekunden hellwach. Sie sah sich um.

Sie war in einem Auto. Auf dem Beifahrersitz, angeschnallt und angezogen. Sie schaute nach rechts und sah den Motelbesitzer, Harry, auf dem Fahrersitz.

Angestrengt versuchte sie sich an das zu erinnern, was zuvor passiert sein musste. Das erste, was ihr in den Sinn kam, war die Nähe zu Harry. Sie wurde leicht rot und sah aus dem Fenster, hoffend das Harry es nicht bemerkte.

Danach war er verschwunden. Und was dann?

Die Erinnerung begann wiederzukehren. Ihr fiel ein, dass sie perplex minutenlang dagestanden hatte, unsicher was sie tun sollte. Sie wollte nach Hause, wohl eher, sie musste. Sie wollte definitiv nicht. Sie wollte in dem Motel bleiben, sie wollte bei Harry bleiben.

Also war sie ihm nachgelaufen. Sie war durch die Gänge und durch die Lobby gelaufen, auf der Suche nach ihm. Und ab da war ihre Erinnerung abgeschnitten...

„Du bist wach", riss sie eine sanfte Stimme aus den Gedanken und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sie sah zu Harry und er zu ihr, dann wieder auf die Straße.

„Wo sind wir? Ich meine, wohin fahren wir? Und was ist passiert? Wieso sitze ich in einem Auto? Was ist hier überhaupt los", brabbelte sie drauflos und lehnte sich geschlagen zurück. Das war zu viel Aufregung, sie müsste sich erst einmal beruhigen, sagte sie sich selbst und atmete tief durch.

Harry lachte leicht und war erstaunt über sich. Noch nie hatte er gelacht, jedenfalls nicht in den letzten Jahren...

„Eine Frage nach der anderen", erwiderte er und umklammerte das Lenkrad. Sein eigenes Verhalten machte ihm Angst.

„Genau... okay. Ich erinnere mich nur noch daran, dich gesucht zu haben. Was ist dann passiert?"

„Mich gesucht zu haben?", wiederholte er ihre Worte und seine Augenbrauen zogen sich zusammen.

„Ja, ich bin durch das Gebäude gelaufen, als letztes in die Lobby. Weiter weiß ich nicht mehr..."

Harry zog seine Augenbrauen hoch. „Wieso hast du mich gesucht?"

„Du bist einfach verschwunden... Darum geht es nicht", sie sah ihn ernst an, „Was ist dann passiert?"

Einen weiteren Moment musterte er sie, starrte dann gedankenverloren auf die Straße.

„Na ja..." Fragend sah sie ihn an und er mied ihren Blick, indem er seinen nicht von der Straße nahm. Er überlegte und überlegte, wie er die Antwort formulieren konnte, damit sie sich schöner anhörte. Er fand keine schöne Umschreibung.

„Vielleicht könnte ich dich eventuell... betäubt und entführt haben?"

„WAS?", schrie sie sofort und starrte ihn an.

„Also, ehm", er rang nach Worten, „Ich habe gedacht, du wolltest weg -"

„Und dann betäubst du mich einfach?!", schrie sie ihn zornig an. Sie konnte das gar nicht glauben.

Nervös biss sich Harry auf seine Lippen. Plötzlich fühlte er sich wieder wie sein jüngeres Ich.

„Ich wollte nicht, dass du gehst. Ich wollte, dass du bei mir bleibst und mich nicht auch alleine lässt", brachte er mit all seinem Mut heraus.

Für eine Minute war es komplett still im Auto. Das einzige Geräusch war der Motor, der erschöpft und überfordert über die Autobahnen brauste.

Jasmine war sprachlos. Mit so einer direkten und ehrlichen Antwort hatte sie nicht gerechnet.

Genauso wenig wie Harry. Er selbst war geschockt. Das war ein komplett gegenteiliges Verhalten, welches er zeigte. Er war nie offen. Zu niemandem. Nie hätte er so etwas gesagt. Was war los mit ihm?

„Es tut mir Leid", murmelte er dann. „Ich weiß nur nicht, wie man mit Menschen umgeht."

„Du hättest mich einfach zur Rede stellen können", flüsterte Jasmine mit leiser Stimme nach weiteren Minuten der Stille.

„Ich habe so etwas aber noch nie gemacht, ich wusste nicht, wie...", gestand Harry und atmete tief durch. Was veranlasste ihn dazu, diese Antworten zu geben?

„Ich habe keine sozialen Kontakte. Gar keine. Keine Freunde, keine Familie..." Seine Stimme verstummte und er biss sich auf die Unterlippe. Wieso erzählst du das?!

„D-Das tut mir Leid, ehrlich", flüsterte sie und sah auf ihre Hände, die in ihrem Schoß lagen. „Das ist schrecklich."

Harry sah sie von der Seite an. Das hatte er lange nicht mehr gehört und mit einem Mal kamen die Erinnerungen wieder. Sein Kiefer spannte sich an.

„Ich meine es ernst", ihre Stimme gewann an Stärke, „Das ist schrecklich und unglaublich unfair. Das verdienst du nicht."

„Hör auf", zischte er gefährlich, „hör einfach auf!"

Mit aufgerissenen Augen und zusammengepressten Lippen betrachtete sie ihn von der Seite.

Harry fragte sich, wieso er gerade tat, was er tat. Wieso er in seinem Auto saß, zusammen mit einer Fremden. Er entspannte sich ein wenig. Genau das war der Punkt. Er wollte Zeit mit ihr verbringen und in ihrer Nähe sein, doch Alles was er tat, war es zu vermasseln.

Das war dann ja nicht das erste Mal in deinem Leben.

„Sorry", entschuldigte er sich (er versuchte es ausnahmsweise so), „Das ist ein unschönes Thema."

„Klar, verständlich, tut mir auch Leid, ich hätte das nicht sagen sollen -" Er warf ihr einen warnenden Blick zu, welcher sie zum schweigen brachte.

„Wohin fahren wir?", fragte sie ganz vorsichtig nach einer gefühlten ewig andauernden Stille. Keinen Augenblick später fuhr Harry auf einen Parkplatz und schaltete den Motor ab.

„Ich dachte, du hast vielleicht Hunger." Verunsichert studierte er ihr Gesicht und ihren Ausdruck. Von verärgert und angespannt zu verunsichert und schüchtern veränderte er sich in Sekunden. Jasmine lächelte warm und nahm seine Hand. Sie war eiskalt, doch dies hielt Jasmine nicht auf.

„Ja, habe ich." Auf Harrys Gesicht schlich sich ebenfalls ein Lächeln. Ein wahres Lächeln, welches sein Gesicht jahrelang nicht geschmückt hatte. Er konnte sich gar nicht an das letzte Mal erinnern.

Harry starrte auf ihre verflochtenen Hände und dann wieder in Jasmines Augen. Sie funkelten und waren die schönsten, die er je gesehen hatte.

„Gehen wir?", fragte sie dann und Harry nickte langsam. Er löste sich aus seiner Starre und stieg aus. Bevor Jasmine aussteigen konnte, hielt er ihr schon die Tür auf. Er hatte so etwas noch nie gemacht, hatte aber genug Bücher gelesen.

„Danke", murmelte sie, stieg aus und nahm wieder seine Hand. Er lächelte sie erneut an und zog sie in das Restaurant. Ihm gefiel das Gefühl, welches er bekam, wenn er ihre Hand hielt. Es war unbekannt, etwas ganz anderes als das, was er sonst fühlte. Er realisierte, dass er glücklich war.

Ja, er war wirklich glücklich.

Zum ersten Mal seit sechs Jahren.

=

Da bin ich wieder ^^

Es ist so krass, wie viel tolles, positives Feedback Motel bekommt! ♥ Vielen Dank euch allen dafür. ♥

Fast 5oo Reads und 8o Votes?! :O Das ist so unglaublich. <3

Fühlt euch alle fest gedrückt! xo

ur v v happy michelle. ♥

[o8.o1.2o15]





Motel | stylesWhere stories live. Discover now