Tonight

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Ich war zu Hause gewesen. Ich hatte die Katze gefüttert und den Goldfisch in die Küche gestellt, damit er nicht in der Kälte starb. Dann hatte ich den Baseballschläger hervorgezogen, der auf meinem Schrank lag.

Der Rucksack auf meinem Rücken war gefühlt gefüllt mit Ziegelsteinen. Er war ein einziger Notfallkoffer. Ich blies den Zigarettenrauch in die nebelige Luft, als ich zitternd in Monas Garten stand. Die Minusgrade fraßen sich in meine Knochen, dabei war es noch nicht einmal Winter. Ich wusste, dass sie wach war, immerhin sah ich trotz der pinken Gardinen in ihrem Zimmer, dass das Licht brannte. Ihr Schatten huschte immer wieder am Fenster vorbei. Irgendwas war los, denn normalerweise saß sie mit ihrem Laptop und einer Tasse Tee auf dem Bett und schaute Beauty-YouTube-Videos. Ich entschied mich dazu bei ihr zu klingeln, da ich mir hinsichtlich der vorigen Nacht Sorgen machte. Vieles war nicht geklärt und würde andernfalls nie zur Sprache kommen. Mehr als mir die Tür vor der Nase zuzuschlagen konnte sie nicht tun. Immerhin hatte ich nichts mehr zu verlieren. Ich sprang flink über den Gartenzaun und war plötzlich nicht mehr allein.

Mit dem schweren Schläger in der Hand vor der Tür stehend, wurde ich von den Scheinwerfern des mir bekannten Wagens, der in die Einfahrt fuhr, geblendet. Mein Blick folgte den weit aufgerissenen Augen des Fahrers, der noch bei laufendem Motor ausstieg, die Hände entschuldigend gehoben. Ich vernahm wie ein Fenster über mir geöffnet wurde.

„Scheiße, Aleks!", schrie Mona, doch ihre Stimme vermischte sich mit dem dumpfen Pochen in meiner linken Schläfe.

„Es ist nichts zwischen mir und-", stammelte mein Vater und stolperte rückwärts als ich mich ihm einen Schritt näherte, langsam die hölzerne Waffe hebend, mit der ich ihm den Schädel hätte zertrümmern können.

„D-das willst du doch nicht. Wir machen alle Fehler, Aleks, lass uns darüber reden", stotterte er weiter. In der eisigen Kälte lief ihm der Schweiß über die Stirn und der Rothaarigen die Tränen über die Wangen. Ich lächelte besänftigend: „Es geht mir hier doch gar nicht um euer kleines Verhältnis."

„Nicht?", fragte er verwirrt. Innerlich verkrampfend senkte ich den Blick und drosch den Baseballschläger in die Frontscheibe. Beide zuckten zusammen.

„Natürlich ist es traurig zu wissen, dass ihr gefickt hättet während ich mich umgebracht hätte, aber was will man machen", murmelte ich, gefolgt von einem Lachen, stieg auf den Wagen und schlug erneut zu, sodass die vielen kleinen Glassplitter in alle Richtungen flogen.

„Fick diese Scheiße!"

Noch ein Schlag ins vollkommen zerstörte Glas.

„Fickt euch!"

Von Scherben zerkratzte Wangen.

„Ich hasse euch!"

Ein Wimmern Monas.

„Von mir aus kannst du auch Kristof ficken, falls du das noch nicht gemacht hast, „Papa"!"

Dellen in der Motorhaube.

„Was guckt ihr denn so dumm?"

Schallendes Gelächter aus meiner Kehle.

Vollkommen dem Zorn verfallen warf ich den Schläger nach meinem Vater. Er vergrub sein tränenüberströmtes Gesicht in den Händen, als ich ihm vom Auto springend ins Gesicht spuckte: „Du bist so falsch. Alle beide! Die beiden Menschen, die mir am wichtigsten auf der ganzen Welt waren, haben mich belogen und betrogen. Diese ganzen Gefühle waren nur Theater. Geht mir aus den Augen!"

Doch dann rannte ich, als ich Kristofs Wagen in die Straße einbiegen sah.

Manchmal wünschte ich, ich wäre ein Bus. Ich wäre von Nutzen, egal wie schmutzig und klebrig ich wäre. Menschen bräuchten mich, auch wenn ab und zu ein Kaugummi in meinen Ritzen stecken würde. Selbst wenn ein benutztes Kondom unter einem der Sitze läge, manch einer könnte nicht auf mich verzichten. Und ich würde fahren, selbst bei Eis und Schnee und Regen, wenn auch nur langsam auf steilen Hügeln und in engen Kurven. Manchmal wünschte ich mir, ich wäre ein Bus und jemand würde sich auf einen dieser versifften gemusterten Plätze setzen und nicht mehr verschwinden, als würde er an den pinken Kaugummis kleben.

Everything is fineWhere stories live. Discover now