Wiedersehen

576 47 15
                                    

Der Rest der Ferien verging wie im Fluge und so trafen wir Sonntag Abend alle wieder im Internat ein. Ich verabschiedete mich gleich am Parkplatz von meinen Eltern, denn es war zwar schön, sie mal wieder gesehen zu haben und ich liebte sie über alles, aber ich hatte mich mittlerweile so an das Internatsleben gewöhnt, dass ich endlich mal wieder etwas Ruhe vor ihnen brauchte. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass ich mein Leben langsam mal wieder in Ordnung bringen musste, denn mit diesem Gefühlschaos andauernd ging das nun wirklich nicht weiter! Einen genauen Plan hatte ich allerdings noch nicht, aber zusammen mit Anna würde mir da bestimmt etwas einfallen.
Meinen Koffer hinter mir her zerrend, ging ich mit großen Schritten auf das Wohnhaus der Akademie zu. Anna, Jonas und Kim warteten bereits im Aufenthaltsraum und wir umarmten uns alle stürmisch zur Begrüßung. "Hilfst du mir kurz, meine Sachen einzuräumen?", fragte ich Anna und sie verstand zum Glück sofort, dass ich mit ihr unter vier Augen reden musste, warf Jonas einen entschuldigenden Blick zu und folgte mir in Richtung meines Zimmers.
"Und, wie läuft es zwischen dir und Jonas?", fragte ich neugierig und stupste Anna in die Seite. Meine beste Freundin grinste. "Es läuft einfach perfekt! Wir haben in den Ferien viel Zeit miteinander verbracht und er ist einfach so süß!, schwärmte sie. Doch dann wurde sie wieder ernst. "Aber du willst bestimmt nicht nur mit mir über meine Beziehung quatschen, habe ich Recht?" Ich schloss die Tür zu meinem Zimmer auf und vergewisserte mich zu erst, dass Sofie noch nicht angekommen war. "Naja, also ehrlich gesagt weiß ich nicht so recht, worüber ich mit dir reden will. Ich meine im Prinzip schon, aber ich verstehe selbst nicht so ganz, was gerade alles passiert. Ich weiß nicht einmal mehr, was ich fühlen soll!", ich ließ mich auf mein Bett fallen und Anna schloss die Tür hinter uns. "Hm, verstehe", sagte sie mitfühlend und setzte sich neben mich, sodass die Matratze sanft schaukelte. "Ich meine, ich liebe Vinc! Glaube ich zumindest! Aber jedes Mal wenn ich mit Giulio rede fühle ich mich so verstanden und mein Herz schlägt schneller... Ich weiß nicht, was ich denken oder fühlen soll, Anna und ich weiß nicht, was das Richtige ist! Ich habe in den Ferien mehr Zeit mit Giulio verbracht, als ich sollte und Vinc hingegen habe ich überhaupt nicht gesehen! Wir haben vielleicht ein paar mal geschrieben, aber die Gespräche hatten überhaupt keinen Inhalt, verstehst du? Ich fühle mich so schlecht...", plötzlich sprudelte alles wie ein Wasserfall aus mir heraus und ich konnte mich auch nicht zurückhalten, ihr alles, inklusive des Gesprächs mit Giulio, von Ciscos Umzug zu berichten. "Lilli", Anna sah mir sanft, aber bestimmt in die Augen und legte dann einen Arm um meine Schulter. "Man muss nicht wissen, was man fühlen soll... Man muss seine Gefühle einfach nur zulassen, egal welche Konsequenzen das hat. Am Ende wird man nur glücklich, wenn man auf seine Gefühle hört", sagte sie und ich wusste mal wieder, warum ich sie meine beste Freundin nannte. In diesem Moment flog jedoch auch schon meine Zimmertür auf und meine über alles geliebte Zimmernachbarin betrat den Raum. "Oh, störe ich?", flötete sie und zog bedeutungsvoll eine Augenbraue nach oben, woraufhin ich nur meine Augen verdrehte und Anna entgegnete:" nicht mehr als sonst."

Nachdem wir meinen Koffer ausgeräumt hatten, spazierten wir zurück zum Aufenthaltsraum, wo Kim und Jonas bereits mit Kakao auf uns warteten. Doch sie waren nicht mehr nur zu zweit, denn auch Vinc war mittlerweile eingetroffen, was mein Herz vor Aufregung schneller schlagen lies. Er saß neben Kim, ein bisschen zu nah, wenn es nach mir ginge und sprang auf, um mir entgegen zu laufen, als er uns entdeckte. Wir fielen einander in die Arme und dann drückte er seine Lippen auf meine und ich versuchte den Kuss zu erwidern. Doch trotz des wohligen Gefühls, dass mich bei unserer Begrüssung überkam, spürte ich nichtmehr dieses angenehme Kribbeln im Bauch und der Kuss fühlte sich irgendwie falsch an. "Können wir später mal reden?", fragte ich sanft und fuhr mir meiner Hand seinen Arm entlang. Er bedeutete mir einfach so unglaublich viel und ich hatte solche Angst, ihn zu verlieren. Doch Anna hatte recht: egal, was es für Konsequenzen haben würde, ich musste auf meine Gefühle hören! "Klar", meinte Vinc und er klang keineswegs verwirrt, sondern eher so als wüsste er bereits, was passieren würde.
Nachdem wir mit den anderen noch eine Weile gequatscht und unseren Kakao getrunken hatten, entschuldigten wir uns kurz und schlenderten gemeinsam ziellos den Gang entlang. Unsere Handrücken strichen dabei ab und zu sanft aneinander, doch wir reichten uns die Hände nicht. "Vinc", es tat weh, vor allem weil wir beide wussten, was gerade passierte. "Ich habe in den Ferien viel Zeit mit Giulio verbracht. Es ist nichts passiert, aber ich möchte, dass du es weißt und nicht denkst, ich wollte es dir verheimlichen", begann ich. Das war also schonmal raus und Vinc sagte nichts. Er lief einfach weiter schweigend neben mir her. "Cisco steht jetzt in einem anderen Stall und ich glaube es geht ihm gut da", fuhr ich fort. "Das freut mich", entgegnete Vinc und trotz seiner emotionslosen Stimme hatte ich das Gefühl, dass er es ehrlich so meinte. "Denkst du, wir können so weiter machen?", fragte ich nachdem wir eine Weile geschwiegen hatten. "Ich weiß es nicht, Lilli. Es hat sich so vieles geändert und ich liebe dich wirklich, aber vielleicht...", er brach ab, doch ich wusste genau, was er meinte, weil ich exakt das selbe spürte. "Es tut weh, oder?", fragte ich vorsichtig. "Auch wenn es sich richtig anfühlt." "Natürlich tut es das", Vinc blieb stehen und ich tat es ihm nach. Zum ersten Mal seit dem Gespräch sahen wir uns in die Augen. "Du bedeutest mir einfach so unglaublich viel, Lilli", ich sah, wie sich Tränen in seinen Augen sammelten, die er jedoch sofort weg zublinzeln versuchte. "Du mir auch, Vinc", sagte ich leise. Wir nahmen uns in die Arme und pressten unsere Körper noch einmal aneinander als wollten wir uns nie mehr loslassen. Und ohne dass es einer aussprach, wussten wir beide, dass es vorbei war.

Reitakademie Haagen - neues Jahr neues GlückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt