Mrs. Greengrass

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„Ist es hier?", fragte Harry, zwischen den Atemstößen, mit denen er versuchte, seine Hände zu wärmen. Hermine nickte und vergrub ihre Hände etwas tiefer in den Taschen der Jacke. Die Luft war klar und eiskalt, es passte alles ganz nicht zu einer Nacht im Juni- oder war es doch bereits Juli?

„Nummer sieben richtig?", hakte Harry sicherheitshalber nach, bevor er auf eine der vielen Klingeln drückte. Hermine nickte noch einmal und zog den Wollschal etwas höher ins Gesicht. Irgendwie hatten sie es durch Londons Straßen geschafft, ohne entdeckt zu werden- zumindest hatten sie nichts dergleichen bemerkt.
„Warum sollte uns Snape hier her schicken?", fragte Harry. Seine Hand schwebte knapp vor der Klingel in der Luft. „Warum sollte uns jemand, der hier, in einer Muggelgegend lebt, helfen können?"

„Naja, die Winkelgasse ist nicht weit, keine fünf Minuten von hier.", erwiderte Hermine und zögerte kurz. „Und nicht alle Zauberer und Hexen leben in rein magischen Teilen der Welt."

Harry seufzte, sie hatte ja recht- schon wieder. Wenn man bedachte, das Hogsmeade zu den wenigen, rein-magischen Orten gehörte, war es eigentlich logisch. Es konnten ja nicht alle Zauberer in einem kleinen Dorf in Schottland leben- manche wohnten eben auch in einem etwas heruntergekommenen Plattenbau. Wenn hier überhaupt eine magische Person lebte- vielleicht machte ihnen ja auch einfach eine verstörte alte Frau auf, die sie wegen Belästigung mit Blumentöpfen abwarf...

„Harry!", schaltete sich Hermine ein und zog fragend beide Augenbrauen hoch. „Was ist jetzt?"
„Ist ja gut.", murmelte Harry Potter nervös und drückte auf die Klingel. Nichts tat sich, nicht einmal ein Licht in einem der vielen Fenster ging an.

„Es ist nur eine Legende...", sagte Harry leise. Er hatte die Hoffnung schon aufgegeben, dass sie finden würden, wonach sie suchten- obwohl sie nicht einmal genau wussten, was es war.
„Jede Legende hat einen wahren Ursprung.", erwiderte Hermine ohne den Blick von der Tür zu nehmen.
„Ist ja gut, Tewlaney.", grinste Harry und wich dem giftigen Blick aus, den Hermine zurück schoss.

Gerade, als Harry überlegte umzudrehen, wurde über ihnen ein Fenster geöffnet. Eine weißhaarige Frau streckte ihren Kopf heraus und sah etwas verwirrt umher, bis sie die beiden an der Haustür entdeckte.

„Was wollen Sie?", fragte sie nicht ganz so höflich. „Ich kaufe nichts!"
„Nein, ähm.", Hermine räusperte sich und trat vor. „Sind sie Bonnie Greengrass?"
„Wer will das wissen?", erwiderte die alte Frau mit zusammengekniffenen Augen. Harry schrumpfte etwas unter ihrem durchdringenden Blick.
„Das ist Harry Potter und ich bin Hermine Granger- wir brauchen ihre Hilfe."

Harry konnte sich nur an das mulmige Gefühl erinnern, dass er im schummrigen Treppenhaus gehabt hatte und plötzlich saß er neben Hermine auf einer kleinen Couch und hatte eine dampfende Tasse in der Hand.
Das Wohnzimmer, in dem sie nun saßen war in dunklen Braun- und Rottönen gehalten und wirkte gleichzeitig ordentlich wie chaotisch. Harry entdecke ein paar angestaubte Familienbilder an einer Wand und ein Vogelkäfig neben dem Fenster. Eine Eule oder ähnliches konnte er nicht entdecken.
Die weißhaarige Frau saß im Ohrensessel gegenüber und beäugte die beiden misstrauisch.
„Was wollen Sie von mir?", fragte sie nach einigen Minuten des Schweigens. Hermine stellte ihre Tasse auf einem wackligen Beistelltischchen ab, das unter der Last gefährlich schwankte und griff in ihre Tasche.
Hervor kam das in blau eingebundene Buch Das Zaubereiministerium. Sie schlug es auf und suchte kurz nach einer bestimmten Seite, dann reichte sie es der alten Mrs. Greengrass.

„Wir müssen ins Ministerium.", versuchte Harry es und sah zu, wie die alternde Frau das Buch entgegen nahm und die Seite überflog. Warum er ihr dies verriet, wusste er nicht- eigentlich hatte er keinerlei Grund, der alten Frau zu trauen. Was, wenn das Ganze genau so endete wie schon einmal?
Es war ein merkwürdiges Gefühl hier zu sitzen- es war beinahe so, als wäre er wieder bei Mr. Lovegood. Es war beinahe das gleiche Problem und auch die gleiche Gefahr.

Harry warf durch die Augenwinkel einen Blick nach rechts. Er machte es oft in letzter Zeit, einfach so, ohne nachzudenken. Doch egal wann er hinsah, der eine Platz neben ihm war immer leer.

„Wir haben uns gefragt, ob es etwas zu bedeuten hat, dass Ihr Name und Ihre Adresse dort drinsteht.", unterbrach Hermine Harrys Gedanken.
„Wer hat es denn dort hinein geschrieben?", fragte Mrs. Greengrass über den Rand ihrer Lesebrille nach.
Hermine zögerte, ihr Blick glitt zu Harry hinüber.
„Ein...ein Freund.", sagte er ohne den Blickkontakt abzubrechen. Die alte Dame nickte zufrieden und senkte den Blick wieder in das Buch. Harry ließ sich in dem Sofa zurücksinken. Er hatte Snape gerade einen Freund genannt... Er versuchte den Ekel, der in ihm aufstieg, mit was auch immer da in der Tasse vor sich hin dampfte herunterzuspülen. Leider half es nicht besonders- beinahe hätte er ihre Gastgeberin angespuckt. Es war eindeutig Tee mit Feuerwhisky. Oder eher Feuerwhisky mit etwas Tee.

Unter Hermines belustigtem Blick stellte er die Tasse möglichst unauffällig auf den Boden neben sich.
„Also?", fragte Hermine schließlich vorsichtig nach.
„Nun", Mrs. Greengrass klappte das Buch zu und gab es ihr zurück. „Ihr Freund lag auf jeden Fall richtig, wenn er dachte ich könnte Ihnen beiden helfen."

Harry Potter und der Zeitumkehrer (abgebrochen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt