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Die Woche plätscherte so vor sich hin.
Harry machte sich gut. Sehr gut sogar. Zumindest was die Arbeit anging.
Wie er den Pinsel schwang war unglaublich. Bei dem Talent, mit dem er unsere Galerie beschenkte, fragte man sich, wie verdammt nochmal das System ihn auf die Informatika schicken konnte.

Doch nicht nur das, Styles war auch ein hervorragender Verkäufer. Als ich ihn am Mittwoch zum ersten Mal mit einem Kunden sprechen ließ, wechselte das Gemälde schneller den Besitzer, als ich gucken konnte.
Wirklich, wenn er mit Fremden sprach, erkannte man den verschlossenen, geheimnisvollen Harry nicht wieder. Stattdessen war er höflich, offen, charmant. Hier noch gefühlte hundert positive Adjektive einfügen, die das absolute Gegenteil von dem Bild beschrieben, was sich in meinem Gehirn festgesetzt hatte.

Gemma war zufrieden, ich auch.
Normalerweise hätte ich dieses Gefühl der Gelassenheit gern mit nach Hause genommen.
Schön wär's. Mein Vater wurde - wie zu erwarten - keiner Gehirnwäsche unterzogen und schmiss seine kompletten Arbeitsaufträge um, nur um eine perfekte Party zu veranstalten.

Als ich am Donnerstag nach der Arbeit meinen Fingerabdruck scannen ließ, todmüde durch die Tür trat und eigentlich nur noch ins Bett fallen wollte, traf mich beinahe der Schlag.
Der gesamte Flur war zugestellt mit Kisten, alle frisch verpackt. Vermutlich waren sie also heute Morgen geliefert worden.

Dad wuselte herum ohne überhaupt zu bemerken, dass ich wie vom Blitz getroffen in der Tür stand.
"Muss noch John anrufen, oh nein, was war jetzt mit der Torte. Vielleicht check ich das nochmal. Ah, da ist ja.. Sehr gut, sehr gut."
Gerade riss er eine der Kisten auf und fischte eine Lichterkette in Überlänge heraus, da ließ ich ein lautes "Dad!" vernehmen.

"Lou meine Liebe, du bist ja schon zuhause, ich hab dich gar nicht kommen hören. Schau mal, hilfst du mir mal kurz beim Aufhängen dieses Monsters hier, ich wusste gar nicht mehr, dass ich eine Zehn-Meter-Kette bestellt hatte.
Seufzend warf ich meine Tasche in irgendeine Ecke und packte mit an.

Die nächste halbe Stunde wurde ich gnadenlos herumgescheucht, die ganze Zeit wimmelte es nur vor kurzen Sätzen wie "Lou, fass hier mal an" und "Gib mir mal das."
Mit jedem Befehl kochte mein Widerwillen noch mehr auf. Warum half ich hier für etwas mit, was genau genommen meine persönliche Hölle darstellte?

Gerade als mein Dad die Hand nach einem Haken ausstreckte, riss mir der Geduldsfaden und ich ließ die Werkzeugkiste mit einem lauten Knall auf den Boden fallen.
Ich explodierte.
"Wann verstehst du endlich, dass das alles hier nichts bringt? Ich bin eine Ungewählte und daran wirst du mit deinen heuchlerischen Partys auch nichts dran ändern können. Hunderttausendmal hab ich dir schon gesagt, dass ich die ganze Scheinfröhlichkeit satt habe und du akzeptierst es einfach nicht. Hast du vielleicht mal dran gedacht, wie ich mich dabei fühle, hier Monat für Monat zur Schau gestellt zu werden?!"

Dad stieg wortlos von der Leiter herunter.
In mir loderte ein Feuer der Wut, welches geradezu wünschte, von einer Diskussion angestachelt zu werden. Aber nichts dergleichen passierte.
Er ging einfach in die Küche ohne mich überhaupt angesehen zu haben.

"SAG MAL, BIN ICH JETZT LUFT FÜR DICH?", kreischte ich durch das ganze Haus, so laut, dass man es wahrscheinlich sogar draußen durch die schalldichten Wände hören konnte.
Mit großen Schritten rannte ich ihm hinterher. Dad sollte endlich kleinbeigeben, er sollte diese lächerliche Feier absagen.
Oder zumindest einsehen, dass ich all das hasste.

Selbst als ich mich in der Küche neben ihm auf die Theke setzte, gab er nicht einen Mucks von sich, keinen anklagenden und keinen verständnisvollen.
Einfach nichts.
Stattdessen tippte er hektisch auf dem Wandbildschirm herum und mein prüfender Blick erkannte sofort, dass er einfach munter weiter irgendwelche Snacks bestellte.
Als hätte ich gerade nichts gesagt.

Soulmates ⏸Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt