Soulmates ⏸

Prolog

05.11.2163

Nervös zupfte sie am Saum ihres weißen Kleids. Wie lang wartete Louisa schon auf diesen Tag? Gemeinsam mit ihren Eltern stand sie vor dem großen Gebäude. Vor der Zentrale von Angeles. Heute war es soweit. Louisa würde erfahren, wer es war. Wer ihr Seelenverwandter war. Mit wem sie den Rest ihres Lebens verbringen würde. Mit ihren 12 Jahren konnte sie das kaum fassen.

"Los kommt, wir sind spät!", drängelte sie und legte ihre zierlichen Hände in die ihrer Eltern. Kaum eine Sekunde später zog sie die beiden in Richtung der Eingangstür. Kaum einen Blick verschwendete sie an die großen Glasfenster, die anlässlich der großen Zeremonie mit vielen kleinen Lichtern geschmückt waren. Sie wollte einfach nicht mehr warten, denn heute war der Tag, der ihr Leben entscheidend änderte.

"Schau mal Mum, die vielen Stühle! Ich hab noch nie so viele Stühle an einem Platz gesehen!" Louisa wusste kaum noch, wohin sie schauen sollte. Sie standen in einer riesengroßen Halle. Eine große gläserne Bühne, die von langen mintgrünen Vorhängen eingerahmt wurde, bildete den Mittelpunkt. Worte wie 'Viel Spaß an eurem großen Tag!', 'Ab heute gehört ihr zu den Großen!' oder 'Seid treu!' wurden an die meterhohe Decke projektiert. Unglaublich viele Mädchen und Jungen in ihrem Alter saßen mit ihren Eltern schon laut quatschend in den Stuhlreihen. Doch vor allem eines beherrschte die Halle: Lichter. Abertausende Lichter, die funkelten wie kleine Sterne. Sie zierten die Türen, das Sprecherpult, die Deckenleisten, einfach alles.

"Es sieht toll aus, nicht?", sagte Louisas Mum und das kleine blonde Mädchen nickte zustimmend, dass ihre Locken wippten. Ihr Dad hatte währenddessen die beinahe letzten freien Plätze ergattert und Louisa rannte sofort los, als sie neben ihm ihren besten Freund Liam sitzen sah. Die beiden kannten sich schon seit ihrer Geburt und kamen kaum einen Tag ohne einander aus. Natürlich war die Zeremonie unter ihnen seit Wochen Gesprächsthema Nummer Eins. Insgeheim hatte sich Louisa schon erhofft, dass Liam ihr Seelenverwandter war, doch er hatte es ihr ausgeredet und irgendwas von Wahrscheinlichkeit erklären wollen, der kleine Matheauskenner.

"Bist du auch so-" Weiter kam Liam nicht, denn auf einmal wurde das Licht in der Halle gedimmt. Nur die künstlichen Sterne schienen weiter. Louisa bemerkte kaum, wie ihre Eltern sich neben ihr fallen ließen.
Sie war von dem Geschehen auf der Bühne fasziniert, auf der plötzlich Nebelschwaden über den Boden waberten. Es knallte und Louisa kniff unwillkürlich die Augen zusammen.
Als sie sie wieder öffnete, stand ein Mann hinter dem Rednerpult, in einem perfekt gebügelten Anzug und mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen.

"Seid gegrüßt! Entschuldigt die Show, aber ich lege gerne einen Auftritt hin!"
Louisa zeigte Liam eine Grimasse, weil sie gespürt hatte, wie auch er zusammengezuckt war. Ihr bester Freund verdrehte nur kurz die Augen um sie sofort wieder der Bühne zuzuwenden.
"Wir sind heute hier zur jährlichen Zeremonie zusammengekommen um die Kinder von Angeles nach 12 Jahren Aufwachsen in ihrem Erwachsenenleben zu begrüßen! Wenn ich mich kurz vorstellen darf: Jack Powell, Minister im großen Rat. Ich bin hier in Vertretung des Präsidenten, der auch natürlich auch gern den Nachwuchs von Angeles gesehen hätte, doch er ist heute selbst im Dienst.
Halten wir uns nun nicht lang an den Formalitäten auf. Ich sehe doch schon, wie unsere Kinder schon unruhig auf den Stühlen hin- und herrutschen.
Ihr alle seid heute hier, um den Spitznamen eures Seelenverwandten auf ewig auf euren Körper geschrieben zu bekommen."
Hunderte Kinder in dem Saal begannen zu flüstern, zu grinsen oder zu seufzen. So auch Liam und Louisa. "Ich wette, deine Wahrscheinlichkeitsrechnung war falsch und du bist doch mein Seelenverwandter!" "Ich saß da zwei Wochen dran, Lou, die Rechnung ist nicht falsch."
Mr. Powell räusperte sich und sofort verstummten die Kinderstimmen. Jedes Mädchen und jeder Junge hing an seinen Lippen.
"Ihr wisst es vermutlich alle schon, Kinder, aber es gelten auch einige Regeln. Sobald ihr einen Spitznamen auf eurer Hüfte tragt, ist das nicht mehr rückgängig zu machen. Hinter diesem Namen steckt ein Mensch, der für euch bestimmt ist. Nur diesen werdet ihr heiraten können. Und ihr braucht keine Angst zu haben, ihr werdet den oder die für euch Bestimmte finden. Dafür ist gesorgt. 
All diese Lichter hier in diesem Raum stehen für euch. Ihr seid die Sterne am Firmament der Welt und ihr werdet eines Tages hell strahlen. Seid treu!"
Für einen Moment war Totenstille in dem riesigen Saal.