Kapitel 6

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Immer, wenn ich stehen blieb, hörte ich diese Stimme, die mich anschrie weiter zu rennen. Also rannte und rannte ich.

Um mich herum schien dampfender, ätzender Nebel zu sein. Mein Körper schmerzte, alles schmerzte. Ich spürte nichts sonst. Ich prallte gegen eine Wand. Sie bestand aus blutigem Fleisch und nicht aus Stein, wie es sein sollte. Blutblasen bildeten sich auf meiner Haut, mit ekelhaftem Geräusch zerplatzten sie. Ich keuchte auf.

Dann konnte ich mich wieder besinnen, was ich tun musste, laufen. Laufen und laufen und laufen. Die, die mich fangen wollten, sollten mich nicht bekommen.

Feuerrote Flammen hingen vor meinem Gesicht herum, geradeso konnte ich mich besinnen, dass es nur Haarsträhnen waren und nichts gefährliches. Nicht wie der Nebel, der mein Sichtfeld einschränkte. Immer wieder knallte ich zu Boden, doch schaffte es irgendwie wieder auf die Füße.

Lautes Summen dröhnte mir in den Ohren. So musste sich Schmerz anhören. Das musste es sein. Schmerz. Es tat in den Ohren weh, dieser dumpfe Ton. Nie würde ich ihn vergessen.

Plötzlich tauchte jemand in dem Nebel auf. Wie angewurzelt blieb ich stehen.

„Gale?", wisperte ich leise, „Gale was..."

Ich schrie erschrocken auf. Sein Gesicht war Blut überströmt... Eines seiner Beine fehlte... Es schien weggesprengt. Einfach fort.

„Es tut mir leid", hauchte er und fiel nach hinten aus meinem Blick. Ich stürzte schnell zu ihm, doch ich fiel, der Boden war nass, nass von Blut. Ich quälte mich hoch und kroch zum Abgrund.

„Gale? Gale!", schrie ich verzweifelt und starrte in die dunkle Schlucht vor mir. Gale war nicht auszumachen.

Das Summen hatte aufgehört, wo war es hin? Wo war es... Hin?

Plötzlich wurde mir ganz schwummrig.

„Lily komm... Ich fang dich auf!", rief tief in der Schlucht eine Stimme, „Ich fang dich auf!"

Liam... Liam... Ich musste zu ihm... Ich musste zu ihm...

Der Geruch von Rauch hing in der Luft. Ein raues husten drang aus meiner Kehle.

„Lily...Ich brauche dich... Komm...", lockte mich die Stimme weiter.

Aber die Schlucht war doch tief... Er würde mich auffangen... Liam...

Hinter mir krachte die Schlucht ein. Sie würde auf mich drauf fallen... Mich begraben... Wie Dad... Dad...

Aber da unten war Liam... Er würde mich auffangen. Länger dachte ich nicht nach und sprang. Von oben hörte ich einen verzerrten Ruf. Es hörte mich fast wie mein Name an.

Der Wind rauschte an mir vorbei. Ich drehte mich in der Luft, erkannte eine Gestalt dort oben stehen, umgeben von Rauch und Flammen.

Er hatte mich fixiert, rief meinen Namen. Eric... Eric!

Für kurze Zeit entwich mir ein Schrei, dann wurde ich von Wassermassen zerdrückt. Sie fühlten sich wie harter Stein auf meinem schmächtigen Körper an. Doch schließlich umschlossen sie mich sanft und hießen mich willkommen.

Aber wo war... Liam... Er wollte mich doch auffangen. Verzweiflung machte sich in mir breit. Er hatte mich im Stich gelassen, einfach so. Ich war alleine.

Die Situation kam mir so bekannt vor, doch nun war das Wasser eisig kalt, Strömung riss an mir. Die Luft hatte es mir genommen. Alles brannte. Das Wasser brannte und es war rot. Es war Blut.

Reines, tiefrotes Blut. Ich konnte es fühlen, wie es in meine Haut drang und mir zeigte, dass ich jemanden getötete hatte. Ich war eine Mörderin. Eine kalte Mörderin. Ich war...

Die Tribute von Panem - Falsches SpielWo Geschichten leben. Entdecke jetzt