Kapitel 3

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Kurz vor Sonnenuntergang machte ich mich auf den Weg zum verabredeten Ort mit Daniel. Meine Sachen hatte ich in eine Decke gehüllt und geschultert.

„Lily!", rief jemand hinter mir. Ich reagierte einfach nicht und ging weiter.

„Lily, ich seh doch, dass du das bist, niemand hat solche Haare wie du", rief Hope mir nach. Ich kniff die Augen zusammen und blieb stehen.

„Was ist, Hope?", fragte ich leise und drehte mich langsam zu ihr.

„Wo willst du hin?", entgegnete sie mit gerunzelter Stirn.

Ich überlegte stark. Wieso hatte ich mir keine Ausrede einfallen lassen? Wieso nochmal? „Ich... Ähm... Ich muss Daniel was vorbeibringen bevor er seinen Kontrollgang durch den Wald macht", murmelte ich schnell und lächelte leicht.

Hopes Furchen auf der Stirn vertieften sich. „Aber er ist doch gar nicht dran...", gab sie misstrauisch zurück.

„Ja schon, aber er hat was komisches gesehen und wollte nochmal nachsehen", erklärte ich ihr ruhig und betete, dass sie mir glaubte. Sie musste einfach. Sie musste mir glauben, wenn nicht... Es gab kein wenn nicht.

„Das sollte man lieber Eric sagen, anstatt er alleine losgeht oder... Jemandem von den Älteren", stellte sie fest immer noch mit diesem Falten auf der Stirn.

„Ich hab meinen Namen gehört", mein Körper zog sich zusammen. Ich konnte auch gleich versuchen einfach wegzurennen. Vielleicht schaffte ich es ja. Eric würde mein dünnes Lügengestrick gleich durchschauen. Er würde alles aufdecken. Ich war geliefert und Daniel auch, aber er war selber Schuld, dass ich ihn mit verraten würde. Ich hatte ja nicht gesagt, dass er mitkommen sollte. Ich wollte es ja gar nicht.

Vorsichtig und ganz langsam drehte ich mich um. Alles an meinem Körper musste ihm geradezu zuschreien, dass er mich bei etwas ertappt hatte.

„Lily führt was im Schilde", sagte Hope jetzt auch noch schlicht.

Ich kniff die Augen zusammen, ich war geliefert. Hundertprozentig geliefert. Eric musterte mich schief. „Du willst gehen", stellte er schlicht fest.

Ich zog tief die laue Luft ein und nickte leicht. „Ich halte es nicht aus..."

„Gut. Wann geht's los?", fragte er ruhig.

Ich presste die Lippen aufeinander und ließ mir keine Überraschung anmerken. „Jetzt, Daniel wartet auf mich am Wald", sagte ich leise und musterte seinen immer gefühlskalten Ausdruck.

Er nickte nur. „Ich habe unser Einsatzkommando schon gemeldet. Eine neue Heilerin und drei Kämpfer für Dreizehn. Sie erwarten uns in Fünf von dort aus bringt uns ein Hovercraft fort."

Ich sah seine Lippen sich bewegen, aber die Worte, die meine Ohren erreichten, ergaben keinen Sinn. Sie waren verworren und unlogisch. „Ich dachte... Du... Du hasst Dreizehn...", murmelte ich verwirrt und versuchte irgendein Gefühl in seinen Augen zu lesen, natürlich war da nicht mehr als sonst auch, nämlich nichts.

Er seufzte. „Man braucht Mittel, um sein Ziel zu erreichen", erklärte er. Was sein Ziel war, würde wahrscheinlich nie jemand erfahren. Eric Latier, das ewige Rätsel. Doch er sah mich mit dem Blick an, der mir deutlich machte, dass nicht Dreizehn sein Mittel war, sondern ich. Ich war eine Schachfigur. Eine Figur in seinem Spiel gegen alles und jeden und ich konnte rein gar nichts dagegen tun und musste es Wohl oder Übel ertragen.

„Also gehst du mit uns?", fragte ich nach.

Er nickte trocken. „Hope auch."

„Ich?", fragte sie bestürzt. Eric nickte nur und zog Rucksäcke hinter der Lagerhalle hervor. Er warf mir einen zu,  ich fing ihn ungeschickt auf und schulterte ihn, nachdem ich die Jacke übergezogen hatte. Ich nahm die anderen Klamotten wieder hoch. Also würde auch diese Reise von Erics Machenschaften überschattet werden. Ich würde ihn niemals loswerden, außer einer von uns beiden starb oder aber er erreichte sein undefinierbares Ziel. Das Ziel, das immer ein Rätsel bleiben würde. Ich war mir nichtmal sicher, ob ich wissen wollte, was er im Schilde führte.

Die Tribute von Panem - Falsches SpielWhere stories live. Discover now