Morgenstund

307 10 3
                                    

"Keine ausartenden Partys, kein Saustall und keine Weiber in meinem Bett!" wiederholte ich zum wahrscheinlich hundertsten Mal und hob warnend meinen Finger unter Jons Nase. 

"Ja ist gut! Ich hab dich schon beim ersten Mal verstanden!" kam die seufzende Antwort und er schob mich mitsamt meinem Koffer durch meine Tür. "Wenn du jetzt nicht fährst, kommst du zu spät. Bis in einer Woche... und ja ich versuche die Wohnung nicht zu verwüsten" mit diesen Worten beendete er das Gespräch und schlug mit die Tür vor der Nase zu. Meine Tür! 

Versuchen?! Ich hob meine Hand und wollte erneut klopfen, unterbrach mich aber dann selbst, da er recht hatte. Würde ich nicht endlich fahren, würde ich zu spät zu meiner Weiterbildung kommen. Meinen Koffer mürrisch hinter mir herziehend und leise schimpfend erreichte ich den Leihwagen und machte mich auf die mehrstündige Fahrt. 

Die Woche verging wie im Flug und statt wie geplant Samstag  konnte ich schon Freitag morgens die Heimreise antreten. Der letzte Tag handelte von diversen Faszientechniken und war für mich lediglich Wiederholung.  Nach einem kurzen Gespräch mit dem Dozenten, in dem ich ihm klar machte, dass er mir heute wirklich nichts neues erzählen konnte, überreichte er mir endlich dieses dämliche Zertifikat und ich trat gegen Mittag die Heimreise an. 

Am späten Nachmittag machte ich eine kurze Pause und nutzte sie neben einer Zigarette auch für einen kurzen Abstecher in einen kleinen Bioladen. Toni drückte mir vor meiner Abreise die Adresse in die Hand und meinte hier könnte ich spezielle Kaffeebohnen kaufen. Auf meinen fragenden Blick hin versicherte sie mir, dass sie mir darauf noch besseren Zaubern würde als in der Cafeteria. Nachdem ich die Preise gesehen hatte, hoffte ich sehr, sie hatte diesmal nicht gelogen. Wenn auch das Navi ehrlich zu mir war, würde ich, sofern ich die Nacht durchfahre, in den frühen Morgenstunden ankommen. So beschloss ich noch eben eine Palette mit dreißig Eiern und ein ordentliches Stück Speck zu kaufen. Da so ein Frühstück allein durch den Geruch Mitesser anzog, würde ich die Menge leicht brauchen können. Und natürlich ging ich davon aus, dass Toni nicht allein sein würde.



Die Elektronik behielt schon mal recht und ich erreichte bei Sonnenaufgang müde und erleichtert mein mittlerweile trautes Heim. Voller Vorfreude sprang ich aus dem Auto und lief so schnell es die Eier und der Speck in meinen Händen erlaubten über den Parkplatz. Mein restliches Gepäck würde ich später holen, da jetzt definitiv Zeit für Frühstück war. 

Gut gelaunt wie ich war, wollte ich zwar nicht meine Küche dafür nutzen und das Zubereiten eher Toni überlassen, aber dennoch fand ich, dass es durchaus auch für meinen Untermieter reichen würde. Sofern er überhaupt noch in meiner Wohnung war. Ich hatte zwar mit meiner Freundin das eine oder andere Mal telefoniert, aber dabei galt mein Interesse weniger Jon und seiner derzeitigen Wohnsituation. Was sollte in einer Woche schon passieren...

Leise sperrte ich gerade meine Tür aus, balancierte etwas umständlich mit den ganzen rohen Eiern hindurch und schaffte es tatsächlich noch nebenbei das Licht anzumachen. Langsam sah ich mich um und war tatsächlich überrascht. Kein Feuer, keine Verwüstung, keine Scherben oder ähnliches... aber auch kein Jon. Zumindest erblickte ich ihn nicht auf der Couch, die ich ihm eigentlich zur Verfügung gestellt hatte. Dafür stach mir etwas anderes ins Auge und da ich nicht davon ausging, dass Ambrose gern Frauenkleider trägt, sank meine Stimmung rasant, während ich mich nach dem hochhackigen Schuh bückte. 

Wütend ging ich durch den Raum und schubste die lediglich angelehnte Schlafzimmertür auf. Diesmal fand ich den Lichtschalter problemlos und ein wenig begeistertes Brummen war vom Bett zu hören. "Guten Morgen Darling.... Würdest du mir erklären was das soll?" Ich versuchte meine Stimme zuckersüß klingen zu lassen, aber letztendlich war es doch eher ein Knurren zwischen zusammengebissenen Zähnen. Die Fremde an seiner Seite beachtete ich kaum und bemerkte nur, wie relativ zügig Bewegung in die zierliche Dame kam, nachdem sie mich erst etwas verwirrt musterte. Auf seinem Gesicht aber konnte ich ein kurzes, aber deutliches Grinsen erkennen und das gab mir für den Moment den Rest. Ohne nachzudenken warf ich den Schuh nach ihm und eins der Eier hinterher. 

Die junge Frau suchte umständlich ihre Sachen zusammen und entschuldigte sich leise murmelnd. Aber sie war wirklich schnell und verschwand in durchaus rasantem Tempo aus meiner Wohnung. Jon hingegen hatte sich mittlerweile aufgesetzt und sah mich ungläubig an. "Sagst du mir, was der Scheiß soll?" er wischte sich gerade etwas Ei aus den verwuschelten Haare und in jeder Situation hätte ich nun laut gelacht. Jetzt war ich aber einfach nur wütend und tat das einzige, was mir in dieser Situation logisch erschien... ich warf noch ein Ei nach ihm.

"Was das soll?" rief ich wütend und er fing das Geschoss im Flug ab, wodurch sich der Inhalt jetzt in seiner Hand verteilte. "Was vögelst du mit dem Weib in meinem Bett?" ich deutete zu der Tür, durch welche die Blonde gerade verschwunden war.

"Erstens hab ich sie nicht gevögelt und zweitens kann dir das sowas von egal sein!" scheinbar schien er nicht weniger wütend zu sein und zumindest war er jetzt wirklich wach.  "Was machst du eigentlich schon hier?"

Mit offenem Mund starrte ich ihn an und schloss ihn schnell, als mir bewusst wurde, wie idiotisch ich gerade aussehen musste. "Tolle Begrüßung Ambrose..." ich machte auf dem Absatz kehrt und stapfte wütend aus dem Zimmer. Er hatte ja recht. Es konnte mir egal sein. Es sollte mir egal sein! Gut ich fand es nicht wirklich prickelnd, dass er sein genetisches Potential in meinem Bett verteilte, aber dafür gab es eine Waschmaschine oder zur Not eine neue Matratze. 

"Warte!" ich hörte ihn hinter mir aus dem Bett kriechen und als deutliche Antwort schmiss ich die Tür lautstark ins Schloss.

Nur Augenblicke später stand ich vor Tonis Tür und öffnete sie ohne anzuklopfen oder mich sonst irgendwie anzukündigen. Auf direktem Weg ins Schlafzimmer war hier nicht überrascht meine Freundin nicht alleine anzutreffen. Wie ein kleines Kind nach einem schlechten Traum stand ich am Fußende des Bettes und fragte mich, wie sehr Toni mich hassen würde, sollte ich mich einfach dazwischen legen. Da ich darauf keine Antwort fand, galt es dies auszuprobieren und ich stieg einfach ohne Rücksicht auf Verluste zwischen den Beiden aufs Bett. Ich platzierte mich mit Eiern und Speck auf der Decke und wackelte etwas darauf herum. "Guten Morgen!" ich schob das Essen auf Allens Seite und rückte selbst näher zu Toni. "Schimpf jetzt nicht gleich mit mir... ich brauch das jetzt!" Allen rieb sich verschlafen über die Augen und musste einige Male blinzeln, um zu erkennen, wer und was da vor ihm lag. Toni konnte wohl keine meiner Aktionen mehr überraschen den sie drehte nur brummend den Kopf auf die andere Seite, ohne die Augen zu öffnen. "Was willst du? Warum jetzt? Warum lässt du mich nicht schlafen? Geh weg..." völlig verschlafen murmelte sie vor sich hin und zog sich dabei das Kissen über den Kopf, während Allen sich neben uns streckte. 

"Weil Ambrose in meinem Bett liegt und ich ein Problem damit habe." schlagartig hatte ich die volle Aufmerksamkeit der Beiden und Toni drehte sich wieder zu mir. 

"Warum schläfst du mit ihm, wenn du ein Problem damit hast?" wieder landete ein Kissen auf Tonis Gesicht, aber diesmal unterstützte ich sie dabei tatkräftig. 

Mit einem dunklen Lachen ließ Allen seine Gelenke erneut knacken und schlug die Decke zurück. Mit dem Essen beladen stieg er wenigstens mit Shorts bekleidet aus dem Bett. "Ich werd dann mal Frühstück machen. Obwohl ich ja zu gerne hören würde, was der Idiot nun schon wieder angestellt hat...war ja beinahe langweilig ohne dich Tina" 

Meine Freundin rutschte am Kopfteil etwas höher und lächelte ihm liebevoll hinterher. 

Ich wedelte mit meiner Hand vor ihren Augen und schnipste vor ihrer Nase. "Er macht nur Essen und kauft dir kein Pony, also komm wieder runter..." 

Der liebevolle Blick verschwand so schnell wie er gekommen war, und ich kam eher in den Genuss der 'ich will dich töten'-Kategorie. "Also wer oder was ist in deinem Bett und was hat das mit mir zu tun?" sie gähnte herzhaft und aus der Küche waren leise Geräusche zu hören. "Und warum haben da zwei Eier gefehlt?"

new dayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt