Erwischt

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Welchen Wandel mein Leben doch in den letzten Tagen genommen hat. Eigentlich bin ich gelernte Physiotherapeutin und hatte auch immer Spaß an der Arbeit. Aber jeder Blick auf mein Konto trieb mir Tränen in die Augen und so nutzte ich meine Beobachtungsgabe für kleine sportliche Wetten aus. Durch meine Ausbildung habe ich gelernt, Bewegungsabläufe schnell und genau zu studieren und in kurzer Zeit zu sehen, ob mein Gegenüber fit ist oder vielleicht mit einer kleinen Verletzung, Zerrung oder ähnlichem kämpft.

Ich war, wie so oft in den letzten Tagen, bei einem kleineren Boxkampf und zog gut betuchten, aber unwissenden Männern gekonnt das Geld aus der Tasche. Immer wenn ich über einen der Kontrahenten sprach, meinten diese durchaus netten Herren mich belehren zu müssen und erklärten mir, dass der andere Kämpfer aufgrund seiner Erfahrung, Größe oder ähnlichem, im Vorteil sei. Ich verwickelte diese Männer immer schnell in eine kleine Wette und tat gespielt überrascht, als ich doch tatsächlich gewann.

Es wurde spät und die Kämpfe waren vorbei. Ich ging langsam über den Parkplatz zum Auto und überschlug in Gedanken meinen heutigen Gewinn. Das Grinsen, welches sich auf meine Lippen stahl konnte ich mir nicht verkneifen und so beschloss ich, dass heute ein wirklich guter Tag war.

„Na da hat jemand wohl gut verdient..." hörte ich plötzlich eine tiefe Stimme hinter mir und im gleichen Moment senkte sich eine schwere Hand auf meine Schulter. Vor Schreck wäre ich fast in die Knie gegangen und drehte mich schnell um. Ich blitzte den Fremden misstrauisch an. An die 1,90 groß und trotz des Anzuges konnte man gut seinen muskulösen Körper erkennen. Er war niemand, den ich gerade abgezockt habe und auch sonst kam er mir nicht im geringsten bekannt vor. Ein Bulle konnte es aber auch nicht sein, dafür war er viel zu breit, dachte ich mir zumindest. Eher sah er selbst wie ein Krimineller aus. Wer also war der Kerl und was wollte er von mir?

Ich versuchte meine Stimme zu festigen und hielt seinem Blick stand. „Ich hatte nur Glück!" murmelte ich und war mir noch immer unsicher, wer da vor mir stand. Auch der Unbekannte musterte mich mit seinen braunen Augen. Sein Gesicht wurde von einem dunklen Bart eingerahmt und ein kleines, schiefes Lächeln lag auf seinen Lippen. „So so.. Glück nennst du das." ergriff er wieder das Wort. „Pass auf Mädchen.. ich beobachte dich jetzt schon einige Tage und konnte einige Informationen über dich sammeln. Hast du Interesse an einem besser bezahlten Job? Vor allem müsstest du dann nicht immer Schiss vor den Bullen haben." In seinem Gesicht hob sich eine Augenbraue und er sah sich auf dem dunklen Parkplatz um. Neugierig geworden sah ich zu ihm auf und musterte ihn nun noch genauer. Als vertrauenswürdig würde ich ihn nun nicht einordnen. Er trug einen außerordentlich gut passenden Anzug und seine Haare waren kurz geschoren. Man sah ihm an, dass er Geld hatte und anhand seines erkennbaren Körperbaus wäre sicher niemand so dumm und würde ihm dieses streitig machen wollen. Da ich ihn nur weiter fragend anstarrte sprach er unbeirrt weiter. „ Ich habe gerade keine Zeit für lange Erklärungen... aber deine Hauptaufgabe wäre als Therapeutin bei und im Zentrum. Vielleicht auch etwas im PR-Bereich und dein geschultes Auge wäre für weitere Planung extrem interessant." Er zwinkerte mir lachend zu, kramte in der Innenseite seiner Jacke und holte einen Zettel und Stift hervor. „Hier meine Nummer und die Adresse. Wir sind noch ein paar Tage in der Stadt aber warte nicht zu lange mit der Entscheidung!" Der Fremde hielt mir den kleinen Zettel entgegen und ich streckte meine Hand entgegen. Kurz überflog ich die krakelige Schrift, während er schon wieder davoneilte. „Da steht kein Name!" rief ich ihm nach. „Paul Levesque! Den Rest besprechen wir wenn du anrufst."

Schon stand ich wieder allein auf dem dunklen Parkplatz. Ich knüllte den Zettel zusammen und ging zu meinem Auto. Als ich den Schlüssel umdrehte und so ziemlich alle Warnleuchten um die Wette blinkten verdrehte ich die Augen und fuhr los. Ich bog ein paar Straßen weiter ab und fuhr auf einen Parkplatz, auf dem ich schon die letzten Nächte verbrachte. Meine Wohnung habe ich vor Wochen aufgelöst, da mir die Miete zu teuer wurde und ich mich momentan sowieso nicht lange an einem Ort aufhielt. Ich stellte mich etwas abseits auf einen leeren Platz und stellte den Motor ab. Meinen Sitz schob ich nach hinten und angelte mit einer Hand nach meiner Decke im Kofferraum. Als ich es mir gerade bequem gemacht hatte fiel mir der Zettel wieder ein und ich holte ihn aus meiner Hosentasche. "Komischer Kerl..." meinte ich und schmiss ihn auf die Rückbank zum restlichen Müll.

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