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"Milou Poules hat zugesagt. Machst du bitte einen Haken, Liebes?"
Ich musste die Lippen fest zusammenkneifen um meinem Dad nicht seinen TabCom aus der Hand zu schlagen.
"Verstehst. Du. Nicht? Ich. Will. Keine. Partys. Mehr", sprach ich langsam und betonte jedes Wort einzeln mit einer ungeahnten Schärfe in meiner Stimme.
Mein Vater sah mich mitleidig an. "Wir werden deinen Seelenverwandten noch finden. Wenn meine Liste stimmt, haben wir gerade erst einmal 300 mögliche Kandidaten eingeladen. Es gibt garantiert noch Tausende von Jungen mit dem Spitznamen Lou. Und vergiss nicht, dass sie mit den Namen Gracie, Lottie, Jay, Mary oder sonst welchen gezeichnet sein könnten. Das System geht manchmal ungewöhnliche Wege."
Kurze Pause.
"Ach übrigens, vor kurzem habe ich Kontakt zu Arbeitskollegen in Eurasien aufgenommen. Vielleicht können wir auch dort suchen."
Es war zum Haare raufen. Er wollte mich nicht verstehen.
"Such wen du willst. Du wirst keinen Erfolg haben. Ich bin eine Ungewählte, kapier das endlich."
Wie jedes Mal, wenn ich es aussprach, zuckte er zusammen und verzog das Gesicht. Wahrscheinlich lag ihm gerade eine Beschwichtigung auf der Zunge ("Gib nicht so schnell auf!"), allerdings wollte ich nichts mehr hören und verließ wortlos das Wohnzimmer.

In meinem Zimmer warf ich mich auf das Bett. Mochte sein, dass das eher dem Verhalten eines Teenagers glich, doch das war mir egal. Genau genommen war ich doch noch einer, selbst jetzt, mit 20. Wann hätte ich denn auch komplett erwachsen werden sollen, ohne Seelenverwandten? Ohne zu wissen, was Liebe ist? Ohne die Chance, eine eigene Familie zu gründen?
Zum hunderttausendsten Mal in meinem Leben hob ich die Bluse, die ich trug, leicht an und starrte die verschwungenen Buchstaben auf meiner Hüfte an. Lou. 
In einer gewissen Weise hatte ich mich damit abgefunden. Nach mehr als 8 Jahren Trübsal blasen wollte ich aus meinem Leben das Beste herausholen: Reisen, erfolgreich sein, unvergessliche Erinnerungen kreieren.
Inzwischen konnte ich sogar schon mit Liam spaßen und ihm die Zunge herausstrecken, dass ich mich ja niemals mitten in der Nacht um ein schreiendes Kind kümmern müsste.

Apropos Liam, das kleine Licht über meiner Tür leuchtete gerade in einem satten Grün. Also war er gerade zu Hause und hatte nichts zu tun, genauso wie ich. Denn auf die Vorbereitungen für die nächste Finde-deinen-Traumprinzen-Party konnte ich getrost verzichten. (Ja, so hießen die wirklich, als ich 13 war. Peinlich.)

Schnell schnappte ich mir noch Liams Lieblingskekse aus dem Schrank und sprintete so leise wie möglich die Treppe herunter. Wenn mein Dad mitbekam, dass ich gehen wollte, würde er mich zurück auf die Couch schleifen und die neueste Gästeliste herunterrattern. Manchmal wünschte ich mir, er würde wieder mehr arbeiten. So wie früher.
Als wir noch zu dritt waren.
Ein tiefes Seufzen konnte ich nicht unterdrücken, doch nur eine Sekunde später war das erdrückende Gefühl weg. Immer noch darauf bedacht, keinerlei Geräusche zu machen, zog ich mein Icon auf dem Bildschirm im Flur auf das Feld 'Liam'.

Kaum hatte ich die Haustür hinter mir zugezogen, besserte sich meine Laune schlagartig. Die Sonne schien, Möwen kreischten und ich hörte das Meer rauschen.
Bis zu Liams Haus waren es einige Kilometer, allerdings hatte ich absolut keine Lust mich bei dem Wetter in die volle Magnetbahn zu drängen, also zog ich mein Fahrrad aus dem Ständer und ordnete mich auf den Radspuren ein.
Ein Glück schienen die meisten es zu heiß zu finden, um in die Pedale zu treten, so konnte ich gemütlich durch Angeles radeln, ohne andauernd auf den Weg vor mir achten zu müssen.
Dafür sah ich umso genauer in Richtung Autospuren. Jedes Fahrerhaus checkte ich aus, doch zum Glück entdeckte ich nur Menschen, die über ihre TabComs gebeugt die Füße hochlegten.
Keiner schien ein Lenkrad vor sich zu haben. Ein Glück.
Autos, die selbst gesteuert werden konnten, waren mir unheimlich und ich tat alles um ihnen aus dem Weg zu gehen.
Daran wollte ich jetzt nicht denken. Bestimmt zwang ich meinen Kopf dazu, sich auf meinen besten Freund zu konzentrieren. Ich hatte Liam schon einige Tage nicht gesehen und würde beinahe schon behaupten, dass ich seine Kommentare über die Welt vor 100 Jahren vermisste. Und das musste schon etwas heißen.

Soulmates ⏸Where stories live. Discover now