Der Tag vor Hitler

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Es ist nun also ein Tag vor unserem Besuch. Und ich muss sagen... Ich bin immer noch leicht überfordert mit dem Gedanken. Um das mal zu erklären: Ich sitze in der Vergangenheit, umgeben von einer Schar wahnsinniger Nazis... Und jetzt soll ich Hitler treffen. Hitler! Ja, der Mann mit dem rechteckigen Bärtchen, der Mal ganz nebenbei einen Weltkrieg angefangen hat...

Und nicht zu vergessen, Goebbels, der Propagandaminister, darf natürlich, wenn es um einen Film geht, auch nicht fehlen. Wir haben uns ganz schön tief hineingeritten!

Ich glaube ich falle in Ohnmacht, wenn ich nur daran denke, dass ich sie morgen treffe. Und viel schlimmer: sie treffen Irenka. Das kann nur schiefgehen! Und falls dieser Film ein Erfolg werden sollte...wir kommen in die Geschichtsbücher...naja das vielleicht nicht aber wir könnten von Leuten entdeckt werden, die uns kennen!

Nunja, der Situation entsprechend herrscht an unserem Set helle Aufregung. Bis morgen soll das hier immerhin professionell aussehen. Und ihr wisst ja, unser Set ist eine umfunktionierte Besenkammer, nach einigen Stunden wurde zwar der Flur als Set dazu genommen, aber das hilft nicht wirklich...

„Siegfried!" Johann klopft heftig gegen die Bürotür des Sturmbannführers, die so aussieht, als würde er sie jeden Moment aus den Angeln klopfen.

„Ja, ja, komm rein", kommt die genervte Stimme von drinnen.

O Gott... Ich hatte schon die Hoffnung diesen Kerl nie wieder sehen zu müssen. Falsch gedacht!

Wir werden in den Raum geschoben und Siegfried Heils Augen leuchten sofort auf. „Was für eine alles-übertreffende Freude diese zwei reizenden Damen wieder in meinem Büro begrüßen zu dürfen!"

Sogar Irenka wirkt leicht verstört. Und die hat Adolf in die Ecke gedrängt und „Alter, isch fick disch gegen Wand" gerufen.

Johann rollt nur mit den Augen. „Siegfried. Da du bis jetzt für das ganze Filmprojekt nicht ein einziges Mal deinen faulen Hintern aus diesem Stuhl da gekriegt hast, sollst du wenigstens jetzt was machen. Du wirst mit Elena und Irenka die Filmplakate verteilen."

Und damit werden wir uns alleine Überlassen... Und haben Siegfried am Hals!

Kurz später sitzen wir auch schon im Zug um diese Plakate in der Umgebung zu verteilen. Hoffentlich sitzen wir im richtigen Zug! Letztere zeigen übrigens mich und Johann, unter uns in altmodischem Schriftzug „Herzen aus Stein" (ja so heißt der Film), daneben noch etwas kleiner „eine Heil-Filmproduktion" und „Bald in Ihrem deutschen Lichtspielhaus". Die Plakate wurden natürlich von Günther und Herbert gestaltet, die einfach von einer Testaufnahme die Gesichter von mir und Johann draufgeklatscht haben.

Seufzend lege ich meine Beine hoch, gegens Fenster, und starre hinaus.

„Welch hübsches Gebein sie haben, Fräulein Elena", Siegfried lächelt mich charmant an... Zumindests sollte es so aussehen.

Langsam und äußerst verstört ziehe ich die Beine zurück. Was zur Hölle...

Das Verteilen der Plakate verläuft eigentlich recht problemlos. Abgesehen davon, dass Irenka manchmal etwas Schwachsinn anstellt. Aber gut, ist ja nichts Neues.

Nur Siegfrieds Kommentare machen mir etwas Sorgen. So zum Beispiel „O, Fräulein Elena, Ihr Haar ist so wunderschön blond, so perfekt...arisch!" oder „Ihre Augen sind so strahlend blau wie unsere deutschen Panzer, wenn sie in der Sonne Afrikas vorrücken." Und noch so eine Menge anderes. Der hat doch nicht mehr alle Panzer im Heer...

Siegfried geht einfach auf vorbeigehende Passanten zu und schwätzt ihnen die Plakate und den Film auf. Und das mit Sätzen wie: „Sehen Sie das wunderbar blonde Mädchen dort? Dies ist eine der Hauptdarsteller! Sie ist ein wahres Talent, den Film müssen Sie sich demnächst in einem der Lichtspielhäuser ansehen!" oder „Sie! Ja Sie! Sie sehen so aus, als würden Sie auf Romantik, Abenteuer und etwas patriotischer Heimatliebe nicht verzichten können! Ich habe hier den perfekten Film für Sie!"

Also eins kann ich jetzt mit Sicherheit sagen: Nazis und Romantik sind die denkbar schlimmste Mischung. Ungefähr wie eine Mischung aus Atom und Bombe oder Blitz und Krieg... Naja, ich denke, ihr wisst was ich meine.

Am Nachmittag sind wir wieder da, betreten das Set und wechseln unvermittelt verwirrte Blicke.

„Aber Klaus! Das wäre doch viel romantischer! Denk doch mal nach!", jammert Günther.
„Das kommt nicht in Frage!" Klaus starrt ihn wütend an.
„Wieso denn nicht?" Günther wirkt am Boden zerstört.
„Günther... Ich mache aus dem Film kein Musical!"
„Aber aber... „, stottert er und eilt zu dem Klavier, dass am Set eigentlich nur als Requisite dient, und beginnt zu spielen...und singen.

„Herzen aus Stein,
Du wirst für immer meine große Liebe sein
Und wenn wir tanzen heut' Nacht,
frag ich mich was dich in meine Arm' gebracht.
Herzen aus Stein,
Doch auch wenn es schmerzt so sehr,
Ich liebe dich so viel mehr
Als dass ichs könnt lassen sein

UUUUUnd wenn ich dich nehm an der Hand,
an der weißen- "

Günther wird von einem schreienden Klaus unterbrochen, nein vielmehr quetscht er, dem Geräusch und seinem hochroten Kopf nach zu urteilen, ging ihm gerade die Luft aus...
„Güüüüünther! Geh, geh bevor dir das Klavier auf den Kopf hau. Und wehe dir, du singst noch einmal in meiner Gegenwart!", Klaus sieht nun so aus, als würde er jeden Moment zerplatzen...
Günther schleicht beleidigt den Flur zu seinem Büro entlang, kein Pfeifen, kein aufrechter Gang, vielmehr sieht er wie ein geschlagener Hund aus.

Als Klaus uns sieht, bekommt er schlagartig wieder eine normale Gesichtsfarbe und grinst uns an.
„Ah die zwei Propagandablattverteilerinnen! Wie seid ihr vorangekommen?", er setzt sich auf einen der Requisiten Stühle, der dabei bedrohlich knarzt.

„Wir haben alle Plakate verteilt und die großen an den Säulen und Geschäften festgemacht", sage ich trocken und setze mich mit einem Seufzen auf den staubigen Boden.

„Schön, schön...Wir haben nur ein winzig kleines Problem", wirft Johann Plötzlich ein, der sich nun eine Zigarette anzündet. Seit wann raucht er? Lutscht der nicht nur an seinen Nazi-Bonbons?
Klaus hält sich dabei die Hand vor die Stirn und beginnt laut und angestrengt zu Atmen.
„Äh wasn für Problem?", Irenka seht neben mir und starrt Johann mit großen Augen an.

„Der Führer! Er...will schon früher kommen, da ein Termin ausgefallen ist! Nicht wie vereinbart am späten Nachmittag, nein! Er will schon um 11 Uhr mit Goebbels das Set und den Film beurteilen...", stammelt Klaus unter heftigem Atmen, er wirkt gerade so, als würde er jeden Moment zu Hyperventilieren beginnen. Ich kann es ihm nicht verübeln, da ich jetzt auch viel lieber sterben würde als Hitler noch eher begegnen zu müssen.

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Ach ja ich leb ja auch noch :D...Hat irgendwie lange gedauert, bis dieses Kapitel fertig geworden ist, tut mich leid! >.< 
Ich habe erst vor zwei Wochen mit der Schule wieder angefangen und hatte ein bisschen Stress 

Und jetzt bitte warten, ███████████] loading next chapter: 99,9%

unter roten FahnenWhere stories live. Discover now