Ein Lächeln auf meinem Gesicht erscheint, weil es mir gefällt, Harper von ihm genannt zu werden. Allein schon wie er den Namen ausspricht.

Glücklich schiebe ich mir selbst einen in den Mund und kaue ihn genüsslich.

3 Stunden später ist die Kekspackung auch schon leer, aber dagegen unsere Bäuche voll. In dieser Zeit habe ich auch Nathan besser kennengelernt, wobei wir nicht mehr über seine Blindheit gesprochen haben. Er hat mir erzählt, dass er 19 Jahre alt ist, Einzelkind ist und diesen Urlaub macht, weil er in Gran Canaria einen guten Freund von sich besucht um dort dann gemeinsam Urlaub zu machen. Natürlich war das noch nicht alles, aber das waren auf jeden Fall die wichtigsten Dinge über Nathan.

Gerade sind wir bei der Gepäckausgabe und warten alle auf unseren Koffer. Mary und Nathan haben sich bereits kennengelernt und verstehen sich auch bereits super. Mary hat zwar am Anfang nicht gewusst, dass er blind ist, aber ich habe ihr eine Nachricht geschrieben, die sie sofort gelesen hat und mir herzlich zunickte. Sie ist einfach die beste.

Ich habe Nathan auch ein wenig geholfen, heil aus dem Flugzeug zu kommen, ohne sich anzustoßen. Aber das meiste hat er alleine geschafft.

Während Mary und Nathan reden, denke ich daran, wie der Grünäugige wohl seinen Koffer bekommt. Ich meine er sieht ihn doch gar nicht. Aber ich merke schon, dass ich mir wieder viel zu viele Gedanken darüber mache. Nathan wird dieses Problem bestimmt auch alleine meistern.

„Und der Kerl neben mir hat echt die ganze Zeit mit mir geredet. Als ich dann sogar mal schlafen wollte hat er wieder angefangen von seiner blöden Katze zu erzählen. Der Typ hat mich echt wahnsinnig gemacht." Teathralisch macht Mary eine Geste mit der Hand und atmet gestresst aus.

Ich wende mich den beiden wieder zu und blicke in die Augen von Nathan. Unvorstellbar das er nichts sehen kann. Er weiß nicht einmal was um uns herum alles passiert. Er kann nicht mal mich sehen.

„Das tut mir leid für dich.", sagt Nathan zu Mary und lächelt ihr aufmunternd zu.

Erstaunlich das Nathan Gesten und Gefühle zeigen kann. Am Anfang unserer Begegnung dachte ich über seine Gefühle noch anders, doch die letzten vier Stunden haben mir gezeigt, welch ein wundervoller Mensch der Junge mit den haselnussbraunen Haaren ist.

„Oh, unser Koffer, Harper.", ruft Mary fröhlich. Sie ist eindeutig schon in Urlaubsstimmung.

Schnell holen wir unsere Koffer und gesellen uns wieder zu Nathan, der in der Zwischenzeit auch bereits seinen Koffer hat. Bevor ich darüber nachdenken kann, wo er so plötzlich seinen Koffer herhat, sagt er: „Eine Frau der Fluggesellschaft weiß, dass ich blind bin und war so nett und brachte mir meinen Koffer." Lächelnd schaut er in meine Richtung, als weiß er das ich hier stehe. Vielleicht spürt er ja meine Anwesenheit. Sofort beginnt mein Herz schneller zu schlagen.

„Von wem wirst du jetzt abgeholt oder sollen wir dich wo hinbringen?", fragt Mary den Grünäugigen.

„Nein, nein. Mein Kumpel müsste jeden Augenblick kommen.", sagt Nathan.

Ein langgezogenes Okay verlässt den Mund von meiner besten Freundin. Als sie mich anschaut und langsam nickt weiß ich was das bedeutet.

Abschied nehmen. Abschied nehmen von dem Jungen, den ich gerade einmal vier Stunden kenne und ihn am liebsten nie wieder gehen lassen möchte. In dieser kurzen Zeit ist er wie ein Freund für mich geworden. Und das liegt ganz bestimmt nicht daran, dass er blind ist. Es liegt daran, weil er nett, lustig und auch heiß ist. Ja, ich gebe es zu. Er sieht unverschämt gut aus, sodass es sich verboten gehörte, dass er einfach frei auf den Straßen rumläuft. Einsperren sollte man ihn.

Soll ich ihn Umarmen oder einfach ein ‚Tschüss' sagen und dann für den Rest seines Leben verschwinden. Aber wie bitteschön muss es sich für ihn anhörten, wenn ich seine Handynummer will? Und das nächste Problem ist, ob er überhaupt ein Handy besitzt? Ich meine wofür braucht er es, wenn er eh nichts sehen kann?

Doch bevor ich überhaupt den ersten Schritt für die Verabschiedung machen kann, tritt Nathan ein paar Schritte auf mich zu, als weiß er, dass ich genau hier stehe. Und bevor ich überhaupt noch reagieren kann umarmen mich zwei starke Hände und führen mich an eine harte Brust. Sofort geht mein Herzschlag schneller und meine Arme Nathan's Nacken wie automatisch.

„Danke Harper. Danke, dass du mich wie einen normalen Menschen behandelt hast. Danke, dass ich dich kennenlernen durfte.", flüstert mir eine raue Stimme in mein Ohr. Der Klang seiner Stimme, wenn er flüstert ist noch berauschender, und lässt meine Augen schließen. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen und tief sauge ich den Duft von dem Jungen mit den Haselnussbraunen Haaren ein und wünsche mir, dieser Moment soll niemals enden. Auch sein Duft ist überwältigend. Einzigartig wie er.

„Du brauchst dich für nichts zu bedanken, Nathan. Ich muss Danke sagen. Du hast übrigens die schönsten Augen die ich jemals gesehen habe, dass wollte ich noch gesagt haben.", flüstere ich genauso wie er zurück. Ich merke wie er sich kurz anspannt, dann aber wieder entspannt wirkt und im nächsten Augenblick liegt seine Hand an meiner Wange und fährt auf und ab. Gänsehaut breitet sich auf meinem Körper aus. „Mach's gut Harper."

Seine Hand entfernt sich von mir, ebenso löst er die Umarmung auf.

Jetzt ist es eindeutig Zeit Abschied zu nehmen.

„Du auch, Nathan.", sind meine letzten Worte und schon werde ich von Mary mitgeschoben. Bevor ich ganz durch die Türe verschwinde, drehe ich mich ein letztes Mal zu Nathan um und sehe in von seiner Seite. Aber was ich sehe, bringt mein Herz zum Schmelzen. Er lächelt. Und ich tue es ihm gleich.


Love Is Stronger (ABGESCHLOSSEN)Where stories live. Discover now