13. Alles Schöne hat seinen Preis

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Schweren Herzens drücke ich die grüne Tür der Wohnung Nr.7 im vierten Stock auf. Schon als sie einen Spalt offen ist sehe ich das flackernde Licht des Fernsehers aus dem Wohnzimmer. Warum sollte ich auch nur einmal Glück haben? Ich versuche wieder das Gefühl in mir heraufzubeschwören, das ich den ganzen Tag verspürt habe. Doch so sehr ich es auch versuche, das vorherrschende Gefühl in mir ist weder Glück noch Freiheit. Es ist fast so als ob ich mit dem Öffnen der Tür auch wieder in die Realität eintrete, die harte Realität. Der altbekannte Zigarettengeruch schlägt mir ins Gesicht und ich muss mich zusammenreisen, dass ich nicht beginne zu husten. Bloß keine Aufmerksamkeit auf mich ziehen.

Sachte – um ja zu vermieden, dass die in die Jahre gekommenen Scharniere einen Laut von sich geben – schließe ich die Tür und schleiche leise ich in mein Zimmer, doch ich hab die Rechnung ohne Jenny gemacht die aus der Küche treten und mir, in ihrem ausgewaschenen hellblauen Nachthemmt, den Weg versperrt.

„Wo warst du?", fragt sie scharf und ohne Umschweife. Der Zigarettengeruch vermischt sich mit einer Alkoholfahne, die Jenny umgibt und die mit jedem ihrer Atemzüge ins Gesicht schlägt.

„Arbeiten", antworte ich so ruhig wie möglich – denn sie hat ja keinen Grund an meiner Antwort zu zweifeln schließlich wäre ich, wenn ich denn bei der Arbeit gewesen wäre, auch um diese Uhrzeit nach Hause kommen – und versuche ihr standhaft in die Augen zu sehen.

„Lüg mich nicht an!", ihre Stimme nimmt einen bedrohlichen Ton an. Manche Menschen beruhigt Alkohol, auf andere hat diese Flüssigkeit einen euphorische Wirkung. Jenny wird aggressiv, wenn sie das ein oder andere Gläschen zu viel Intus hat. Mein Herz beginnt augenblicklich schneller zu schlagen und panisch überlege ich on es denn wirklich sein könnte, dass sie was gemerkt hat. Aber das ist unmöglich. Doch etwas ist da, denn ihre Blicke durchbohren mich förmlich und nach einigen Momenten verliere ich den Kampf und wende geschlagen meinen Blick ab. Diese Schwäche ist gleichzusetzen mit einem Geständnis, doch trotzdem Versuche ich noch so gut es geht aus der Situation rauszukommen.

„Mach ich nicht", bringe ich leise hervor, schiebe mich schnell an ihr vorbei und flüchte in mein Zimmer. So schnell ich kann verschließe ich die Tür hinter mir und lasse mich auf mein Bett fallen.

Ich höre wie die Furie wildschimpfend auf meine Tür zukommt und wild an ihr rüttelt.

„Mia-Sophie mach sofort die Tür auf", die Worte kommen klar und deutlich aus ihren Mund. Kein Lallen ist zu höre, keine Silbe wird verschluckt oder unnatürlich in die Länge gezogen. Aber nüchtern ist sie deswegen sicher nicht.

Wieder stellt sie die gleiche Forderung: „Mach diese verdammte Tür auf!"

Ich denk gar nicht dran.

„Ich sage es noch ein Mal. Öffne die Tür! Du lebst immer noch unter meinem Dach und hast das zu tun was ich dir sage!"

Ich schweige, lasse meine Tasche auf den Boden gleiten und setzte mich mit dem Rücken zur Wand auf mein Bett. Den Blick stets auf die Tür gerichtet. Nach weiteren erfolglosen Versuchen gibt sie auf.

Aus Erfahrung weiß ich dass die Tür halten wird. Ich greife nach meinem Handy samt Kopfhörern und setzte sie auf. Ohne auf den Titel, der auf dem Display meines Handys angezeigt wird, zu schauen drücke ich auf Play. Die laute Musik übertönt sofort alle anderen Geräusche und langsam beginnen sich meine Muskeln zu entspannen. Irgendwann wird er aufhören, irgendwann wird es ruhig sein und ich werde irgendwann auch schlafen können. Irgendwann, das Motto meines Lebens.

Der ganze Tag heute und gestern wirkt plötzlich nur mehr wie ein wunderschöner Traum. Obwohl ich noch das Salzwasser an meiner Kleidung rieche – das von der kleinen Wasserschlacht am Strand übriggeblieben ist – wirkt es dennoch nicht mehr wirklich real.

SunWo Geschichten leben. Entdecke jetzt