10. Zacha-was?

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„Das Haus gehört natürlich nicht wirklich mir, es ist das Feriendomizil meiner Eltern, aber wenn die guten Alten mal Abdanken gehört es mir. Natürlich nur theoretisch", murmelt Lucas vor sich hin. Nach einer besonders guten Meinung von seinen Eltern hört sich das nicht gerade an. Familienglück kann man sich eben auch nicht mit Geld kaufen, obwohl ganz ohne wird es auch schwierig mit dieser Harmonie.

„Man ist das unbequem", umständlich versucht mein Gegenüber eine andere Sitzposition zu finden, gibt dann aber auf und richtet sich stattdessen auf. Drei Schritte nach rechts, dann steht er vor der verschlossenen Tür, fünf Schritte zurück und eine Wand versperrt ihm den Weg. Hoffentlich neigt er nicht zu Platzangst, kommt mir plötzlich der Gedanken. Aber das passt nicht zu ihm, obwohl... gerade bei Lucas habe ich doch schon so einige Male die Erfahrung gemacht, dass ich mir nicht anmaßen kann zu beurteilen was zu jemanden passt und was nicht.

Im hinteren Teil des Verschlags steht eine Holzkiste, deren verstaubter Deckel Lucas öffnet und sofort die Nase rümpft, sobald ihm der Geruch entgegenschlägt. Ich kann den Inhalt nicht erkennen aber ein bekannter Geruch steigt mir in die Nase, ich kann ihn zwar nicht sofort zuordnen aber nur bis Lucas mit skeptischen Blick eine braune Decke herauszieht. Ein kleines Schmunzeln kann ich mir nicht verkneifen. „Sie riecht zwar nicht gerade nach Chanel aber sie müsste warm halten", skeptisch betrachtet Lucas im spärlichen Licht sein Fundstück und riecht noch mal kritisch dran. „Okay, das ist wirklich nicht Chanel."

„Zacharias", antworte ich schlicht.

„Zacha-was?", wirft er mir einen verständnislosen Blick zu. „Zacharias, so heißt der Esel des Besitzer von diesem Stück Grund hier. Du schnüffelst grad an seiner Decke rum" Entgegen meiner Erwartung lässt er die Decke nicht angewidert fallen sondern zuckt nur mit den Schultern.

„Na dann haben wir eine Decke." Er wirft mir sein Fundstück zu und setzt sich wieder auf seinen Platz, mir gegenüber. Kurz zögere ich, lege sie mir dann aber um die Schultern. Auch wenn Zacharias jetzt nicht unbedingt der bestriechenste Esel ist, lässt das Zittern augenblicklich etwas nach. Gleichzeitig stellt sich aber auch ein schlechtes Gewissen ein, das ich die wärmende Decke, jetzt ganz für mich allein habe. Aber Lucas schaut zumindest nicht so aus, als würde er besonders frieren. Er lehnt an der Wand und strahlt Gelassenheit und Coolness aus.

„Kennst du den Besitzer?", fragt Lucas mich. Noch vor zehn Minuten hätte ich mich auf kein Gespräch mit ihm eingelassen, aber seine Deckenaktion hat irgendwie die Stimmung zwischen uns etwas gelockert. Dieser junge Mann vor mir hat einfach etwas an sich, was es einem unmöglich macht ihn zu ignorieren oder ihn mit permanenter Kälte und Abweisung zu begegnen. So eine Eigenschaft ist gefährlich, gefährlich für mich aber eine Waffe für ihn.

„Ich habe hier ein paar Mal als Erntehelferin gearbeitet, den Besitzer kenn ich zwar nur flüchtig aber den lieben Zacharias dafür umso besser. Der alten Bauern, dem das alles hier gehört, hat einen Narren an diesen Esel gefressen und in den Nebensaisonen ist das hier sein Revier. Mich würde es nicht wundern, wenn der Name Zacharias sogar in seinem Testament vorkommt."

Lucas schmunzelt: „Ist mal was Neues. Ein Esel Verrückter und ich dachte in London würde es nur Spinner geben."

„London, also. Schick. Vom Regen in die Hitze", langsam beginne ich fast schon zu vergessen mit wem ich mich da eigentlich unterhalte und dass ich eigentlich vorhatte ihn fern zu bleiben.

„Kann man so sagen, aber dass es in London immer regnet ist ein Vorurteil, es gibt auch regenfreie Tage. Zwar nicht besonders viele, aber es gibt sie. Warst du schon mal dort?" Ich schüttle den Kopf, die traurige Wahrheit ist, dass ich seit ich auf dieser Insel wohne, sie nie verlassen habe.

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