Kapitel 17

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"Monsieur Doll! Ein wahrhaft sagenhaftes Heim!", lächelt Fabi mit französischem Akzent, wie er es auch schon heute Mittag tat. "Noch immer!", hängt er lachend dazu. Ich schließe schließlich die Haustür auf und lasse die beiden hinter mir eintreten. "Irgendwie habe ich ein Déjà-vu", meint Fabi ermüdet. Ich nicke und steure auf die Küche zu. "Wollt ihr etwas trinken?", frage ich. "Gerne", antwortet Mika locker.
Ich öffne den Kühlschrank und greife nach einer Flasche, die ich danach kurzerhand auf dem Küchentisch ablege. "Oho! Cola reicht uns der Werte Herr sogar auch noch!", lacht Fabi nobel. "Immer das beste für die Herren", antworte ich anschließend charmant zwinkernd. Ich höre, während ich die Gläser aus dem Wandschrank nehme, dass Mika und Fabi scheinbar Platz nehmen, wie einer der beiden auflachte. Jedenfalls rütteln sie an den Stühlen und schieben sie hin und her. 

"Eh, Maurice?", meint Mika. "Hm?" "Ich bin mir zwar nicht sicher, ob du das schon weißt, aber hier ist so'n Paket für dich." 

"Hä? Nein. Das ist an meinen Vater adressiert. Ich kann doch nicht einfach Pakete von anderen aufmachen!" 

"Was? Schaust du nie auf den Empfänger?", lacht Fabi verblüfft. Verwundert laufe ich auf den Tisch zu und betrachte den Aufkleber auf dem Paket. Tatsächlich. Es ist für mich. Stirnrunzelnd lache ich auf. "Ich wusste gar nicht, dass ich etwas bestellt habe." 

Drängend zeigt Fabi auf die mittelgroße Schachtel. "Mach es auf!"
"Und wenn das eine Bombe ist? Oder noch schlimmer, Körperteile von toten Menschen! Von toten Menschen, Leute!" Mika lächelt und grinst daraufhin pfiffig. "Vielleicht von einer heimlichen Verehrerin?" 

"Uhhh", brummt Fabi. "Er hat eine Freundin!" Ich schüttel mit dem Kopf. "Nein, hab' ich nicht, Leute." Ich setze mich ebenfalls an den Tisch, dass ich jetzt quasi zwischen den beiden bin. "Ich will es nicht aufmachen", nuschle ich. "Wie?", meint Fabi enttäuscht. "Hast du jetzt Angst wegen deiner Verehrerin?" Ich lache. "Nein, ich- keine Ahnung." 

"Sollen wir es dann aufmachen?", fragt Mika auf zuvorkommende Weise. Er hat einen lieblichen Ausdruck, was mich ein wenig sanfter denken lässt. Schließlich nicke ich. "Gut, ich hol ein Messer", schießt es auf Fabi, während er bereits dazu auf ist, in den Schubladen nach einem zu suchen. Derweil blicke ich unsicher zum Paket. "Ich bestelle nie. Und wenn, dann nur Computerkram." 

"Vielleicht hat ja einer deiner Freunde aus dem Internet irgendetwas geschickt. Hattest du Geburtstag?" 

"Mein Geburtstag war im Februar", antworte ich nachdrücklich. "Irgendeine andere Besonderheit in letzter Zeit geschehen?" Ich verneine erneut. "Mika, danke, aber dass sie mir plötzlich einfach so und ohne erdenklichen Grund etwas schicken, geschweige denn schenken sollten, ist irgendwie- verwirrend." 

Genauso schnell, wie ich Mika nachdenkend auf die Seite blicken sehe, öffnet Fabi mit dem Messer das Paket. Reflexartig kneife ich die Augen zusammen. Ich schätze, ich mache das wegen der wahnsinnigen Bomben-Vermutung. "Mika könnte aber tatsächlich recht haben, Maurice. Wollen wir eine Wette abschließen? Was meint ihr?" 

Ich höre Mika auflachen, doch dass sie mich in dieser Situation mit zusammengekniffenen Augen sehen, ist mir offenbar so unangenehm, dass ich sie erstmals auch nicht geöffnet bekomme. Ich traue mich wahrscheinlich einfach nur nicht den Paketinhalt zu erfahren. Obwohl dies doch eigentlich keineswegs heikel oder schlimm oder sonstiges ist. "Gut, ich bin für 'Freunde von Maurice sind sehr wohl spontan und schenken ihm gerne etwas'", meint Mika. "Ehh, ja. Ich ergreife bei Mikas Theorie Partei." Ich sehe erstaunt auf. "Was? Das geht nicht!" 

"Mensch! Ihr kennt meine Freunde doch nicht mal. Und- und das ist total unfair, dass ihr euch einfach gegen mich stellt", sage ich, bis ich so etwas wie schwarze Fetzen in der Luft erkenne. Das habe ich immer, wenn ich zu schnell aufstehe und mir schwindelig wird. Jetzt überkommt in mir sogar auch noch ruckartig  ein solch starkes Schwindelgefühl, selbst so unerwartet, dass ich beinahe mit dem Kopf auf dem Tisch aufknalle, wenn da nicht mein Arm gewesen wäre. "Au", murmel ich. "Maurice?", fragt Mika besorgt. "Mika." Er lacht "Ich glaube, er ist angetrunken", lacht Fabi laut weiter.

"Ich bin nur-", sage ich, während ich meinen Kopf wieder anhebe. "... müde." 

"Klar! Dann nur müde!", antwortet Fabi, auch wenn ich sogar weiß, dass er das eher auf ironische Weise gesagt hat. Ich lächle einfach und lehne mich etwas zurück. Wäre ich angetrunken, würde ich das merken. Dann wäre das doch schon viel eher über mich ergangen. Ich weiß, wie ich bin, wenn ich angetrunken bin und- Arghh. Schon wieder ist da dieser Schwindel! 

"Ich denke nicht, dass deine Freunde sowas nicht tun würden. Ich habe ja mit ihnen reden können, als du ständig am chatten warst heute Mittag." Er lacht, während mir das mit der Twitter-Lüge wieder bewusst wird. Ich habe, als er mit Wintercracker und Schlingel geredet hat, ein einziges mal mit Osaft geschrieben. "Einmal ist doch nicht ständig!" 

Doch Fabi lächelt nur wissend und zieht seine Augenbrauen hoch. Mich verwirrt das, doch weiter darauf eingehen, möchte ich genauso wenig. 

"Um was willst du denn überhaupt wetten?", mischt Mika in die Runde. "Ehh", sagt er. "Wenn wir recht haben, dann dürfen wir beide einen Wunsch an dich äußern und wenn du recht hast, darfst du zwei Wünsche an uns beide äußern", meint er lächelnd mit anschließendem Blick auf mir. Ich nicke. Ich werde recht haben. 

"Okay, ich öffne. Trommelwirbel bitte!" Ich lache auf, bis Mika und ich synchron mit den Fingern auf dem Tisch tippen. Fabi öffnet die Schachtel und spickt etwas herein. Er runzelt die Stirn, was mich noch mehr irritiert, als ich es ohnehin schon bin. "Hast du-" Er grinst. Anscheinend hat er irgendetwas gefunden, denn er greift nach irgendetwas. Ich starre ihn an, ehe er einen Zettel herauszieht. "Oh Mann", schnauft er lachend, mit dem Gesicht in der Hand vergrabend. "Was ist?", fragt Mika neugierig. Fabis Blick richtet sich sofort auf mich, er zieht mich förmlich mit seinen starren Augen in einen Bann. "Was?", frage ich und ich habe das schlichte Gefühl, mir stockt der Atem. 

"Hallo maudado", fängt er an und wir beide wissen sofort, dass sie die Wette gewonnen haben. "Das ist sein nickname. maudado. Seine Freunde nennen ihn so", meint Fabi an Mika. Dieser wirkt kreidebleich, wie als würde der Alkohol ihm nicht so ganz gut tun. "Mika?", frage ich vermutlich genauso besorgt, wie er vorhin klang. 

"Lies weiter", meint er, sich einmal schüttelnd. Fabi lässt das wortlos zurück und widmet sich wieder dem Blatt Papier, welches vermutlich aus einem College-Block stammt. Zumindest hat es karierte Blätter.

"Hallo maudado! ^_^

Ich wollte dir mal ein paar Animes schicken. Du hast ja letztens im TS gesagt, du hättest schon gefühlt alle durch. Es sind auch deine Lieblinge dabei. DU HATTEST SIE DOCH BITTE NICHT SCHON ALS DVD?!! Naja. Zombey hat dir Ghostbusters dazugelegt. Sieh es... als Halloweengeschenk!!! Und Wintercracker und Schlingel  haben erst letztens zu mir gesagt, sie schenken dir per Steam etwas, aber pschhht!

P.S: Wenn du Zombey das nächste Mal sprichst, dann sag ihm, er sei doof.

P.P.S: (SCHICK MIR NICHTS ZURÜCK!)

Osaft." 

Innerlich muss ich ohne weiteres auflachen, doch äußerlich sitze ich vermutlich wie ein Klotz da, der sprachlos diese Worte, die Fabi vorlas, in Gedanken wiederholt. Er reicht mir den Zettel und ich gehe erneut jedes Wort durch. Es erschrickt mich, dass als Fabi vorlas, ich mir Osafts Worte genauso vorstellte. Genauso, wie sie dort geschrieben sind. Ich kenne Osaft und Fabis Imitation von seiner Sprechart war zwar ziemlich variiert und grundlegend verschieden, er hat es immerhin einfach nur runtergerasselt; aber dennoch hat mir Fabi sehr stark das Bild von ihm vor Augen gebracht, wie als wäre mein bester Freund in diesem Moment neben mir und hätte seinen eigenen Brief laut vorgelesen. 

Andererseits überkommen mich urplötzlich die verschiedensten anderen Gedanken, wie, dass Mika und Fabi meine Freunde seltsam finden könnten oder dass sie Osaft als verrückt einstufen. Nein. Ich bin immerhin wie sie und wenn sie mich deshalb auch eigen finden? Naja, Fabi hat sich heute Mittag wirklich mit meinen Freunden verstanden. 

Ich dachte, der Alkohol würde mich weniger nachdenken lassen, aber es fühlt sich noch so sehr mehr danach an, als würde der Alkohol das nur verschlimmern. Oder aber, ich bin innerhalb von zwanzig Minuten nüchtern geworden. Oder ich trank wesentlich zu wenig. 

Und zudem hoffe ich inständig, dass ich nicht wieder an das mit Mika und Zombey denke. Auch wenn ich jetzt irgendwie doch an dies dachte... super! 

"Ist doch cool", meint Mika. Ich nicke lächelnd. "Ja." 

"Maurice, du bist ab jetzt unsere Wunschfee, wenn auch nur für zwei Wünsche."

Herr Doll... Zomdado & DadosaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt