Toxic

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Drogen. Was wäre die Welt bloß ohne sie? Ein Bild ohne Farbe? Indisches Essen ohne Gewürz? Oder war es nicht gerade umgekehrt? War nicht alles eine Droge, und die Welt nur ein Gefäß, welches sie enthält? War der Mensch nicht genauso abhängig von Wasser und Brot, wie er es von Liebe, Sex und Alkohol sein konnte? Und was bedeutete schon Abhängigkeit? Waren wir nicht alle süchtig nach dem etwas, das unser Leben einen Sinn gab? Dem Kick. Dem Gefühl. Dem Reiz. War nicht Depression Entzug, und Selbstmord Erkenntnis? War nicht das ganze Leben ein einziger Rausch der Sinne, der unsern Körper altern ließ?

Marc war am Boden. Die pinken hatten ihre Wirkung gezeigt. Marc lag am Boden. Auf dem Boden. Auf einem Teppich. So eine Art Teppich. Eher so ein Wasserbett, aber halt so dünnt und so stabil, dass es sich eher wie ein sehr flauschiger Teppich anfühlte, wenn man auf ihn trat, oder lag. Er lag also eher gemütlich. Vllt lag er nicht im Bett aber angenehm. So sah er jedenfalls aus. Froh, berauscht, sehr betrunken, vllt ein bisschen high. Aber auf jeden war er gut dabei. Die Kamera schwenkt im Zimmer umher, und man sieht ein totales Chaos. Kondome, Sexspielzeuge, Tabak, Getränke, Tropfen, Klamotten, Pizza und andere Essensreste, lagen überall verteilt. Es war eine bunte Mischung aus alten und neuen Drogen, manche sogar aus dem lang ausgestorbenen Land, aus einer der unzählig besiedelten Welten, welcher einer dieser Platuna hieß. Diese Welt war eine der ältesten. Fast so alt wie die älteste aller Welten: der Erde. Die Erde auf der das meistgelesene Werk wohl die Bibel war. Eine alte Welt die Erde, welche längst weit, sehr weit, in der Vergangenheit lag. Diese Zeit war aber schon so lange vergangen, dass Platuna noch eher im Erinnerungsvermögen von Marc war. Oder der wenigen Menschen, die sich noch an diese Welt erinnern erinnern konnten. Platuna. Die Welt der Träume und der wachsenden Zeit. Platuna so stand es auf einem der digitalen Plakate, in dem besagten Zimmer, in welchem Marc da lag und döste. Seinen Rausch ausschlief, also nicht richtig, eher so ein halbwach Zustand. Er hatte sich später noch was von den blauen Tropfen gegönnt und seitdem war des mit dem schlafen so ne Sache. Aber die Wirkung ließ anscheinend schon nach, denn Marc lag entspannt am Boden und ließ ab und zu ein paar Schnarcher verlauten. Irgendwann klingelte jedoch der Wecker, wenn man das alte Wort benutzen will. Die für seine Verhältnisse moderne Sprachanlage ließ erst leise Musik spielen, welche jedoch lauter wurde. Zwischendurch sagte ihm seine digitale Assistentin, die er Lustenia-Karenina getauft hatte, wie viel Uhr es war und was für den Tag anstand:

-"Guten Morgen Marc. Zeit zum Aufstehen. Es läuft deine liebste Musik zum wachwerden. Ich habe Frühstück zubereitet und deine Zeitungfeed geladen. Es gibt ein neuen Anruf, von Unbekannt. Zwei neue Nachrichten, und vier unbeantwortete Anfragen. Ich streame alles auf deine Netzhaut sobald du endlich ansprechbar bist. Wach werden Marc.", die etwas zu flach also monoton klingende Frauenstimme in seinem Ohr wurde nerviger, die Musik im Raum lauter und so langsam wurde er wach. Der Geruch von gebratenem Spiegelei und Speck drang in seine Nase. Karen hatte also Ei gemacht. Hoffentlich hatte sie Orangensaft dazugestellt;

-"Kaaren... Hast du Orangensaft?", mehr Worte brachte er nicht zustande. Eine erneute Müdigkeit- und Rauschwelle übermannte ihn, und er nickte kurz wieder weg. Karen antwortete ihm dennoch in ihrer immer gleich fröhlich klingenden Stimme;

-"Orangensaft, wird in dieser Sekunde von mir, Hand eigens, gepresst. Möchte der Herr auch einen Kakao dazu? Warm oder lieber Kalt?... Marc, Marc munter werden. Warm oder kalt der Kakao?", Karen schien nicht zu bemerken, dass Marc ihr in keiner Weiser zuhörte. Er hatte sein Netzteil wieder auf Musik only gestellt, und lauschte der Musik, welche sich weiter im Chaos dieses Raumes ausbreitete, während er wieder eindöste. In diesen kurzen Momenten des Schlummers, träumte er immer. Der Traum ging natürlich viel länger als er in Wirklichkeit schlief, aber das musste nicht immer so sein. Manchmal träumte er nur von einer Idee, oder einer Begegnung, oder von der vergangenen Nacht. Da war doch was, mit Raven. Er träumte. Träumte und erwachte. Er erinnerte sich. An den Traum, oder, war es nicht nur ein Traum sondern auch die Wirklichkeit gewesen? Er war durcheinander. Er versuchte die einzelnen Puzzleteile, welche aus Fetzen trüber Bilder bestanden, zusammenzusetzen. So langsam entstand ein Film, aus Bildern, und die Lücken füllten sich. Da war was mit Raven. Sie waren in einer Bar und hatten geredet, getrunken, geraucht, und. Ach ja die Drogen, welche er in Form von Augentropfen gekauft hatte. Von wem wusste er nicht. Diese Lücke wollte sich nicht schließen. Die Bilder dazu waren immer noch viel zu fern, nicht erreichbar und definitiv tief unter einem dunklen Schleier von kläglichstem Rausch und viel zu wenig Schlaf. Karen versuchte weiter in seine Ohrmuschel vorzudringen. Er blockte sie weiter ab und war heil froh darüber, dass die meisten KI sich nicht das Recht herausnahmen sich durch die persönlichen Firewalls ihrer Klienten zu hacken. Also eigentlich alle. Es war schließlich Gesetz. Aber bestimmt gab es auch gesetzlose künstliche Intelligenzen, dachte Marc. Seine KI, also Karen, war jedenfalls gesetzestreu. Sie ließ ihn in Ruhe wenn er die auditive Verbindung kappte. Sie war eine gute Bürgerin in diesem multikulturellen, multivirtuellen Land. Auf diesem Planeten. Auf dem er mittlerweile schon so lange festsaß. Klar er hatte ein gutes Einkommen hier, eine persönliche KI Haushälterin die noch dazu sein Manager war und ihm insgesamt das Leben erleichterte. Sie sparte ihm Zeit. Und diese Zeit konnte er wiederum nutzen. Und Zeit sollte genutzt werden. Zumindest auf diesem Planeten. Wo alles knapp war. Zeit, Lebensraum, und Nahrung. Unten zumindest. Oben gab es alles im Überfluss. Die Reichen monopolisierten alles und lebten auf einer ganz anderen Ebene. Sie lebten hoch oben, auf Inseln, hoch über den Wolken, in ihrem eigenen Paradies, fern von Erdboden, fern von Armut, fern von der Realität. Unten sah es anders aus. Das wusste er, denn er hatte unten angefangen. Zwar nicht ganz unten in den Schächten und Tiefwerken, welche weit unter der Oberfläche des Planeten waren. Aber er war dort aufgewachsen wo der Boden warm war. Gewärmt von den Bauwerken im Untergrund. Und von den Sonnen welche am Himmel erschienen. Er erinnerte sich. Er war etwa 12 und er hatte gerade einen Preis für bestes Schauspielen gewonnen. Es war ein toller Tag. Er saß auf einem der langen und sehr dicken Rohre, welche sich durch die ganze Stadt flechten. Menschen waren hier überall, auf den Straßen, in den Gebäuden, welche sich bis weit nach oben erstreckten. Verwunden durch Terrassen und Brücken, welche in großen Bögen alle Markthallen, Türme, Salons, Bars, Geschäfte, Unterkünfte für die armen, für die Reisenden, Industriegebäude, Terrassen, Wohnungen der Hochgebäude, und alles andere miteinander verband. Die Infrastruktur war solide, gar perfekt. Es sah bunt aus und leuchtete. Und überall Menschen. Menschen strömten von Tür zu Tür, kauften ein, berauschten sich in Gerüchen von Speisen, welche sie in den verschiedensten kulinarischen Lokalen, zu sich nahmen. Tranken, und sich miteinander unterhielten. Überall leuchten Anzeigetafeln und Reklamen. Lampen beleuchten in den verschiedensten Farben die Brücken und Straßen. Bunte Motive, Embleme, Druckschriften, und Logos schmücken Laternen, aus Papier, Glas und vielem mehr. Überall waren Menschen, in den Bars, auf Sitzgelegenheiten in den Parks, in Fahrzeugen. In vielen verschieden Fortbewegungsmitteln; vom low-budget Fahrrad mit getuntem Antrieb, bis zum super rich-kids Hoverboard. Vereinzelt waren auch Luftschiffe und Transporter-schiffe zu sehen. Ab und zu auch ein Hovercraft der von oben kam. Sein Fahrzeug der Wahl waren ja immer noch die over-tunten Rollerblades, welche ihn egal wohin immer verlässlich von a nach b brachten. Die Luft war erfüllt von Techno. Alle Töne, Vibrationen, Summen, Brummen und Vibrationen der Gleise, Triebwerke, Kettengetriebe, Räder und Motoren, ergaben zusammen eine Harmonie des technischen Klangs. Andere Bildfetzen mischten sich in seinen Schlummertraum. Kahlere, aber doch stämmige Wurzeln der Erinnerung, des gestrigen Abends, rankten sich weiter in das Geflecht von Puzzle-teilen. Er hatte mit Raven geredet. Viel. Viel über ihr Buch. Dieser Geschichte über die Vorkriegszeit. Auf Platuna. Des Planeten auf dem große Teile noch der alten französischen Sprache anhingen. Ein Kult von Menschen hatte dort einen großen Teil des Lands besiedelt, welche eine sehr alte Sprache noch sprachen und alles taten damit diese Sprache nicht aussterbe. Diese Menschen waren keineswegs Franzosen. Frankreich war ein Land der Erde. Dem Ursprungsplaneten der Menschheit. Doch diesen gab es nicht mehr. Auf Platuna lebten also eine große Zahl von Menschen, die diese Sprache noch sprachen und sie überlieferten. Ihr Kult hatte also ein enormes Erbe zu beschützen. Die französische Sprache. Und mit ihr benannten sie ihre Städte, nach Lyon, Paris und Marseille. Auch viele, zwar nicht vollständige, Teile alter Architektur wurde übernommen. Die neu gegründete Stadt Paris war also auf Platuna. Und die neo-Pariser dieser Stadt hatten eine beinahe perfekte Replikation des alten Paris, des Paris auf dem längst vergangenen Planeten Erde, erbaut. Ein neues Paris, in welchen also diese Dinge geschahen. Und dieser Schuljunge der dort auf Klassenreise ist und stirbt. Raven hatte das in ihrem Manuskript ziemlich brutal beschrieben. Und alles hatte also mit dieser Droge zu tun. Dieser Malo wusste anscheinend etwas. Aber was war da mit Lumpi und Raven? Klar sie hatte die Hauptfigur natürlich zunächst nach sich selber benannt. Schließlich war die Figur im Manuskript Raven selbst sehr sehr ähnlich. Also vom schwarzen Haar natürlich ganz zu schweigen. Und Beo war also dieser Wolf. Der der den Krieg überlebt und dann durch die Wilderness streift, im Trieb zu überleben. Er fand das alles ganz gut. Doch fragte er sich woher Raven ihre Informationen herbekam. Woher sie diese Inspiration von Vorkriegsmäßigen Erlebnissen hatte, welche nicht nur von Platuna inspiriert schienen. Jedenfalls hatten sie sich, nachdem er ihr seine Meinung gesagt hatte, mit diesen Tropfen abgeschossen. Man sein Kopf hämmerte immer noch. Er wachte mehr und mehr auf. Die gute Musik in seinen Ohren half. Karen klopfte an seine Tür:

-"Omelette mit Schinken und frischer O-Saft. Marc. Darf ich reinkommen?", Karen klopfte erneut an die Tür. Marc machte sich nicht die Mühe ihr zu antworten, stattdessen entblockte er ihre Eingangssperre, sodass sie durch die Tür erscheinen konnte. Dabei war die Tür nicht geöffnet. Karen war eine KI, also konnte sie mit der Berechtigung die sie von Marc erhalten hatte, einfach so neu auftreten. Ihr Äußeres war eine Art Projektion, welche auf der Basis von Elektrizität, ein Hologramm darstellte, welches allerdings mit der Welt interagieren konnte. Sie konnte also ein Tablett auf der Hand tragen, auf dem das besagte Frühstück zugerichtet war. Dieses Frühstück war real, und es war auch real zubereitet worden. Allerdings hatte Karen es in ein Behältnis zwischengelagert, welches sie mit in ihre KI Cloud nehmen konnte um es anschließend mit in Marcs Zimmer nehmen zu können. Sie hatte so ein real zubereitetes Frühstück auf einem materialisierten Tablett, welches sie auf Marcs Tisch stellte. Marc war dabei sich anzuziehen. Karen half ihm dabei. Dies geschah folgendermaßen. Karen streamte verschiedene Outfits und Anzüge auf Marcs Körper, und gab ihm die zugehörigen materiellen Kleidungsstücke, sobald er sich entschieden hatte. Marc aß von seinem Frühstück, während er weiter Karen zuhörte, die ihm weiter nützliche und essenzielle Informationen für den Tag aufsagte. Unter anderem erfuhr er so, was für den Tag zu tun war, mit wem er sich traf, und bei welchen Terminen er zu erscheinen hatte.

Ein Stein wird gesetzt. Ein hölzerner Stein. Ein Spielstein. Eine Figur. Im Schach? Fast. Man spielt es auf ähnlichem Feldern. 64 an der Zahl. Er schaut in seine Hände. Er hat noch 7 Steine über. Sein Gegenüber setzt einen Stein. Nun ist er wieder an der Reihe. So wird ein Stein nach dem nächsten gesetzt bis jeder seine 8 Steine gesetzt hat. Insgesamt stehen dann 16 Figuren auf dem Feld. Also meistens.

die Schachkarten-Liebe [Ultra Viole(n)t Edition]Where stories live. Discover now