Zwei Overalls in Rot

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Für die Bevölkerung Kitzbühels war nicht alltäglich, dass zwei Piloten in Overalls durch die Stadt gingen. So wurden sie auch angesehen. Michi schmunzelte amüsiert und ließ die Blicke über sich ergehen. "Nette Nachbarn", hauchte er mal unauffällig zu Annabell, die nur lachte. Sie bogen in eine alte Gasse ein und kamen auf einen Schotterweg bevor sie vor einem kleinen Haus stehenblieben. Dahinter plätscherte ein Bach und der Berg erstreckte sich. Sie waren am Fuße. "Hereinspaziert", sagte sie und ließ ihn vor. Er begutachtete den Flur und schlüpfte aus den Schuhen. "Komm, willst du was essen?", fragte sie und ging mit ihm in die Küche. "Wenn du was hast?" "Natürlich. Kuchen, den ich gestern gebacken habe." Er lächelte und setzte sich. "Dein Lächeln hast du also nicht verloren." "Das ist wieder gekommen, meinst du. Ich fühl' mich so schlecht, Michi", stellte sie ihm ein schönes Stück vor die Nase. "Wie meinst du das?" "Ich hab' mich nie bei Rudi gemeldet. Ich konnte es nicht." "Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen. Er schafft es auch nicht", nahm Michael einen Bissen.

"Christophorus 14 für Zentrale. Bitte kommen", versuchte es Toni vergebens, "Scheiße." Danach wurde Andreas angefunkt. Keinen Schimmer wo Michael sein könnte. Rudi hat Toni angerufen, dass Michael heute nach Kitzbühel musste und mit dem Heli nicht mehr zurückgekommen war. Er machte sich natürlich Sorgen. Toni versuchte es nochmal bei Michi.

"Du kannst dich duschen, wenn du willst und ich geb' dir ein altes Shirt und eine Hose von meinem Bruder", sagte sie und stellte die Teller zur Abwasch. "Das ist nett von dir", folgte er ihr über die Treppe. Sie drückte ihm ein kleines Päckchen in die Hand und er legte sein Handy im oberen Flur auf das Kästchen. Annabell verschwand in ihrem Zimmer und zog sich um. In eine weite Stoffhose und das Top, das sie ohnehin heute schon darunter anhatte.

Als sie auf den Flur trat, hörte sie das Wasser laufen und sah Michi's Handy leuchtete. Sie erhaschte sich einen Blick darauf.

Toni Stössel

"Er hat ihnen bestimmt nicht bescheid gesagt", dachte sie sich und hob ab, "Sekretariat Dörfler." Auf der anderen Seite war kurz nichts zuhören, bis er sich langsam voran tastete. "A-A-Annabell?" "Ja." "Aber was...wie...ich versteh nicht ganz." "Der liebe Michi musste ja unbedingt bei mir notlanden. Nein, Spaß beiseite. Bei den Turbinen gibt's einen Fehler und ich bekomm' morgen die Ersatzteile. Die Maschine steht im Heliport in Kitzbühel und Michi ist bei mir einquartiert. Morgen Nachmittag ist er wieder zurück. Spätestens Abend." "Gut. Danke. Ich bin ganz überrumpelt gerade", lachte er über sich selbst. "Kein Problem. Mit mir hast du sicher nicht gerechnet." "Ganz genau. Du, wie ist es so in Tirol?" "Langweilig." "Und was machst du jetzt? Telefondienst?" "Wartung und Technik. Mit Unterstützung von dem Techniker aus Wörgl. Bei den schweren Sachen." "Toll, na dann. Ich muss Schluss machen, ich hab noch eine Verabredung mit Pia." "Schön, dann wünsche ich dir viel Spaß." "Danke, wir hören uns noch." Er legte auf und sie legte das Handy wieder zurück. Wer zum Teufel war Pia?

Annabell saß vor dem Haus und drehte das Handgelenk ihrer rechte Hand. Wenn es stimmt, was Michi gesagt hat, dann wäre es ein Wunder. Sie dürfte wieder fliegen. Ganz offiziell. Und ohne Einschränkung.

Michael ließ sich neben sie nieder und streckte die Füße aus. "Hat wer angerufen?" "Ja, Toni und die haben sich Sorgen um dich gemacht." Michi rieb sich über das Gesicht: "Das hab ich vergessen." "Jetzt wissen sie bescheid. Wer ist Pia?" Er lächelte sie an: "Da warst du nicht mehr dabei. Zwei Tage nach deiner Versetzung haben wir so eine junge Frau aus dem Berg gezogen. Toni hat sich total verschossen und die zwei sind seit damals zusammen." "Ah, schön dass ich auch was davon erfahre." "Du hast nicht gefragt", lachte er und wurde wieder still, "Du hast mir gefehlt." "Du mir auch." "Freundschaftlich", stellte er etwas klar, was sie ohnehin schon wusste. "Schon klar. Hast du vergessen. Ich und Rudi. Du und Verena." Er musste selbst lachen. "'Tschuldige. Ich bin nur leicht neben der Spur. Heute hatte ich wirklich mal Angst um mein Leben." "Kann ich verstehen. Mit den Turbinen wärst du sicher keine Minute länger oben gewesen. Hat Rudi das nicht bemerkt?" "Der Heli hat in letzter Zeit viele Macken. Rudi hat mich gutwilliger Weise fliegen lassen." "Was machst du mit dem EC?" "Ich mache nichts, Alterserscheinung hat Rudi das genannt. Das glaub ich auch gerne. Soweit ich denken kann, sitze ich in diesem Heli und der ist schon unter Steinschläge, Unwetter, Windstöße und ähnlichem gekommen. Die Rotoren waren auch fast mal vereist und ich hätte schon mal die Landung auf einer Wiese nach einem Steinschlag versaut. Noch Fragen?" "Und er hat mehr Betriebsstunden als der älteste Traktoren auf einem der Höfe in Ramsau. Hat Rudi am zweiten Tag zu mir gesagt", langsam brachte sie in Tränen aus und legte ihren Kopf an seine Schulter, "Ich vermiss' ihn so sehr."


Strong Minds never resigns | Die BergretterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt