Lycoming Verrückheit

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Rudi setzte sich an den Laptop und Michi sah ihm über die Schulter.

"Bell 47...", murmelte er und tippte es in die Suchleiste. Auf die Wikipediaseite und das gab Dörfler den Rest. Er drehte sich um und begann tief durchzuatmen: "Das ist doch glatter Selbstmord." Rudi sagte nichts dazu und überflog die technischen Daten. So schlecht war die Maschine gar nicht aufgesetzt, würde nicht 1946 darunter stehen.
"So Rudi, was hast du für mich", fragte sie und lag unter der Maschine. "Du hast es mit einem Lycoming zu tun. Luftgekühltes Flugzeugtriebwerk. Sechszylinder-Boxenmotor mit Doppelzündung. Dauerleistung 220 PS mit einer Drehzahl von 3200 und 198 kW. Rüstmasse 814kg. Startmasse 1340kg. Besatzung 1 bis 3 Personen. Schwebeflughöhe mit Bodeneffekt 4910m und ohne 3230. Bei vollem Tank kommst du 500km. Noch Fragen?" "Nein, das war ja wirklich ausführlich." "Ist sie angesprungen?" "Warte, ich muss mich erst orientieren." Sie setzte sich in das Goldfischglas und sah sich die Elektronik an. So schwer war es gar nicht. Nach ein paar umgelegten Knöpfen begannen sich die Rotorblätter zu drehen. "Hörst du's?", hörte man das Lächeln in ihrer Stimme. "Darauf kann man sich nicht verlassen", vertrat Michael sich die Füße im Hangar. "Klingt gut. Wie viel Sprit ist drin?" "Weiß nicht, die Maschine hat keine Tankanzeige. Bleib dran, ich geh mal fragen." "Gut, ich warte."

"Du wirst sie doch nicht ernsthaft mit der Kriegsmaschine fliegen lassen?", fragte Michi Rudi leicht empört. "Ich will's ja auch nicht, aber sie scheint nicht locker zu lassen." Michael senkte den Kopf und gab ihm recht. "Wir haben wenigstens eine Ahnung um was es sich handelt. Wir schicken sie ja nicht blind in den Flug." "Woher weiß sie überhaupt, dass es die richtige Maschine ist?" Jetzt scheint Rudi sich auch mal Gedanken zu machen: "Da frag ich jetzt nochmal nach."

"Katharina, kann ich mit der Frau kurz sprechen?", kam Annabell ganz langsam auf das Bett zu. "Ja, sie ist noch ansprechbar." "Danke." Katharina ging kurz nach draußen und ließ die zwei allein. Die Frau hatte eine Platzwunde an der Stirn und wirkte fertig. "Entschuldigen Sie, Annabell Kofler, Pilotin bei der Bergrettung. Können Sie mir helfen?", die Frau nickte und Annabell fuhr fort, "Der Hubschrauber hinterm Haus, gehört der Ihnen?" "Nein, meinem Mann." "Wissen Sie zufällig ob der getankt ist?" "Ja, wir sind gestern hergekommen und mein Mann wollte fliegen. Zuhause hat er ihn vollgetankt." "Gut, fliegt er oft?" "Jeden Monat." "Ausgezeichnet, dann werden wir sie jetzt mit dem Bell ins Krankenhaus bringen." Sie nickte stumm und Katharina kam wieder zurück. Annabell ging wieder nach draußen. "Und?", überfiel Tobias sie. "Vollgetankt und regelmäßig geflogen. Ihrem Mann gehört die Maschine." "Der hat den Notruf abgesetzt und ist jetzt bei Toni." "Tobias, du holst mit Katharina die Frau und Andreas hilft mir beim Bell." Die zwei nickten.

Andreas' Handy klingelte in der Tasche von Annabell und sie hob sofort ab, als sie erkannte, wer es war. "Rudi?" "Hey Annabell. Eine Frage noch. Woher weißt du, dass es ein Bell 47 ist?" Annabell lachte kurz: "Als ich klein war, hat mein Vater immer so eine Serie angesehen. Da ist es um ein Kriegslazarett gegangen und die haben Bell 47 geflogen." "Gut, dann glaub ich dir. Viel Glück da oben. Wenn du in der Luft bist, häng dich an den Funk wenn's Probleme geben sollte." "Danke Rudi, bis später."

Das beste am Bell, war die seitlich angebauten Tragen. Und dieses Modell, war ein Rettungshubschrauber aus dem Koreakrieg. Die Tragen waren an der Außenseite und mit einem Schutz, wird der Kopf abgedeckt. Die Tragen werden mit Bändern befestigt.

Annabell kontrollierte die Tragen und schraubte mal die Drehzahl der Rotoren etwas nach oben. "Bitte pass' auf dich auf", rief ihr Andreas noch zu. "Mach ich." Er stellte sich vor den Heli und wartete noch, bis Tobias die Trage befestigt hatte und Katharina an ihrer Seite saß.

Katharina wirkte leicht nervös. Annabell war guter Dinge. Sie wird diesen Heli ins Tal bringen und zum Heliport. Und es wird ihr ein Vergnügen sein. Nach einem tiefen Atemzug und einem beruhigenden Blick zur nervösen Katharina, hob sie langsam vom Boden ab. Tobias und Andreas sahen gespannt zu und konnten nicht glauben, dass sie gerade mit einem 70 Jahre alten Teil fliegt. Kaum Verkleidung, zwei Rotorblätter, ein Cockpit, das einem Goldfischglas ähnelt und die Tragen an den Seiten befestigt.

Strong Minds never resigns | Die BergretterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt