Kitzbekenntnis

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Annabell kroch aus dem Heli und schnappte sich den Helm von gestern. Sie warf sich auf den Co-Piloten Sitz und schloss die Tür. Etwas überrascht, stieg Michi ein und startete. "Du willst nicht?" "Nein, danke. Heut' überlass' ich sie dir." "Auch gut."

Irgendwie gefiel Annabell ihm heute nicht. Sie war anders. Nicht mehr so lebendig. Eher zurückgezogen.

"Michi für Andreas." "Michi hört." "Wir versuchen die Frau so zu bergen. Bleib mal auf Standby. Wir holen euch, sobald wir euch brauchen. Andreas Ende." "Gut. Michael Ende."

Sie hielten auf einem kleinen Plateau und Michi schaltete die Rotoren ab. Er nahm den Helm ab und öffnete die Tür. Ab jetzt hieß es Funk abpassen, warten. Und mal fragen.
"Du, is wirklich alles in Ordnung mit dir?", rüttelte er an ihr. Sie sah sich kurz um, bevor sie in das Gesicht von Michael sah. "Ja, es passt alles." "Und du lügst mich auch nicht an." "Nein, warum sollte ich." "Na, nur so."

"Michi für Tobias?" "Michi hört." "Wir brauchen dich hier. Jemanden der sichert. Nimm ein Seil mit und einen Klettergurt. Annabell soll sich auf Standby halten. Tobias Ende." "Michael Ende. Annabell.", er warf ihr das Funkgerät auf den Schoß, "Du bleibst auf Standby und ich muss zu den anderen." "Was?" "Du hast richtig gehört. Wenn du das Tau brauchst, da gibt's zwei Haken, aber später mehr. Pass auf den Funk auf. Nid ablenken lassen." "Aber Michi..." "Kein Aber, das Ding gehört jetz dir und du kommst, wenn wir dich brauchen sollten." Damit rannte er weg und Annabell konnte nichts mehr sagen. Nur warten.

"Michi für Annabell." "A-Annabell hört." "Also im Schnelldurchlauf, Schnapp' dir das Tau mit den zwei Ringen ganz oben. Roll' dich unter den Heli und hake die zwei ein. Ganz egal wo. Hook 1 und Hook 2 müssen beide einmal belegt sein. Danach starten und zu uns kommen. So schnell es geht. Michi Ende." "Verstanden, Annabell Ende." Sie warf das Funkgerät auf den Sitz und schnappte sich das Tau. Alles war beschrieben und kinderleicht zu montieren. Sie startete und flog zum Punkt, wo die Frau abgestürzt war.
"Annabell, gib mir das Tau. Ich geh runter.", sagte Andreas und sie versuchte das Tau so weit wie möglich in seine Richtung zu bringen. "Gut, Hoch 1, links 1 und dann tief 7. Und so ruhig du kannst." "Gut, hab verstanden."

Annabell dachte an gestern und versuchte es so ähnlich zu machen. "Gut, langsam runter.", erklang die Stimme von Andreas, bevor Michi auch noch was zu sagen hatte, "Das wird verdammt eng. Pass auf die Bäume auf." "Ich versuch' alles zu beachten. Keine Angst, ich schaff' das schon."

"Ich hab die Person, wir können ab." "Gut." "Achtung.", rief Michael, "Starker Seitenwind." Sie drehte nach links ab, doch der Wind gab ihr Rückenwind, in Anführungszechen und drückte sie weiter zur Seite. "Hochziehen! Hochziehen!" Sie versuchte gegenzulenken und hochzuziehend. "Andreas!...Annabell du musst abdrehen. Zum Plateau zurück." Sie tat es ohne zu fragen. Als sie ankam, hatte sie keine Zeit, um zu fragen. Michi sprang auf die Co-Pilotenseite und setzte sich den Helm auf. "Wir müssen in die Klinik." Jemand knurrte schmerzverzerrt und Annabell sah nach hinten. Andreas griff sich auf die Stirn und hatte eine nicht allzu kleine Wunde darauf. "A-Andreas?", fragte sie leicht geschockt. "Wir sind alle drinnen. Du kannst starten.", antwortete er bloß und sie drehte sich wieder nach vorne. Leicht paralysiert hob sie ab. Ihre Hand zitterte am Steuerungsknüppel. Auch ihr Atem war leicht zittrig. Langsam legte Michael seine Hand auf den Hebel, um das Zittern zu verhindern. Sie sah kurz zu ihm, bevor sie sich wieder auf das Fliegen konzentrierte. Er hatte geglaubt, ein paar Tränen in ihren Augen gesehen zu haben. Er nahm seine Hand wieder zurück.

Nach der Klinik ging es zum Heliport zurück. Annabell schaltete die Maschine ab. Sie nahm sich den Helm ab und warf ihn hin. Kofler sprang aus dem Heli und rannte ein paar Meter nach vorne, bis sie auf die Knie fiel.

"Is mit ihr alles in Ordnung?", fragte Tobias Michi, der ihm aber nicht zugehört hatte. Er ging langsam auf Annabell zu. Sie schluchzte leise und ihm gefiel die Sache immer weniger. "Annabell.", sagte er schon fast mitfühlend und zog sie auf. Sie fiel ihm in die Arme und er zog sie zurück zum Heli. Ihre Hände zitterten noch mehr wie vorher.
"I-Ich hätte ihn fast umgebracht.", hauchte sie hervor. Sie saß auf der Kufe und Michael war in der Hocke vor ihr. "Nein, dass hast du nicht." "Doch...Andreas." Ihre Hände waren zu Fäusten geballt und lagen auf ihren Oberschenkeln. Sie zitterten noch mehr. Zuerst legte er eine Hand auf ihre Hände und versuchte dann den Blickkontakt zu ergattern. Was nicht so einfach war. Andreas hat es anscheinend mitbekommen und ging neben Michael in die Hocke. "E-Es tut m-mir so leid, Andreas.", hauchte sie. "Für was denn, dass du mir geholfen hast?" "Ich h-hab dir wehgetan. Ich hab dich in Gefahr gebracht." "Ach komm jetzt. Der Kratzer. Ich komm bei jedem Einsatz mit so einem davon." "Aber trotzdem. Ich hätte besser aufpassen sollen. Vielleicht hatten die recht in Kitzbühel." Nun nahm Michi wieder alles in die Hand: "Aber Annabell. Sag sowas nicht. Deine Arbeit war gut, ich hab die Gefahr überschätzt. Es tut mir leid." "Schon in Ordnung. Der Tag war sowieso verloren. Das hab ich schon gewusst. Ich brauch jetzt etwas Schlaf. Darf ich nach Hause?" "Sicher." "Danke.", senkte sie den Kopf und stand auf.

Strong Minds never resigns | Die BergretterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt