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„Sie ist aufgewacht! Sie ist endlich wach!", höre ich eine Kinderstimme von oben rufen und kurz darauf, wie zwei schwere Füße die Treppe hoch rennen. Adam, wie ich vermute.

Ich zögere zunächst, weil ich nicht weiß, ob es so eine gute Idee ist, auch Hoch zu rennen. Das letzte Mal, dass sie mich gesehen hat, war im Wald, kurz bevor sie betäubt wurde. Vermutlich eine sehr unschöne Assoziation. Dennoch will ich es mit eigenen Augen sehen. Irgendwie fühle ich mich dafür verantwortlich, dass sie betäubt wurde. Die Starken hatten es auf mich abgesehen und durch Pech sie getroffen. Ich muss wissen, dass es ihr gut geht.

Ich eile leise hinauf und bleibe in der Tür stehen.

Lukas steht neben dem Bett und strahlt vor Freude. Adam hat sich auf seine kleine Schwester gestürzt und umarmt sie. Sie sieht müde aus und etwas verwirrt.

„Geht es dir gut? Ist alles in Ordnung, Rehlein?", fragt er sie ganz ruhig.

Sie blinzelt ihn verwirrt an. „Was ist denn passiert?"

„Du wurdest betäubt. Drei Tage warst du weggetreten."

„Wir waren im Wald und da war dieser Junge und er ..."

Dann hebt sie den Blick und entdeckt mich. Sie schreckt sofort zurück. „Adam, pass auf!", kreischt sie und deutet dabei auf mich. Wie ein Raubtier wirbelt er zu mir herum und zieht seine Waffe hervor. Ich bleibe ganz ruhig stehen. Alles, was sich bei mir bewegt, ist meine rechte Augenbraue, die nur so in die Höhe schießt, weil er mir eh nichts tun wird.

Einen Moment bleibt er so stehen und guckt, ob Aurora jemanden meinte, der hinter mir steht. Als ihm klar wird, dass sie mich gemeint hat, lässt er die Waffe wieder sinken und muss sogar ein wenig lächeln.

„Du musst keine Angst vor ihm haben", beruhigt er sie und setzt sich wieder zu ihr. „Sie haben uns vor ein paar Tagen das Leben gerettet und wohnen seitdem hier."

„Aber er hat mich bedroht." Ich sehe wie Adams Lächeln verschwindet. Vermutlich denkt er gerade das gleiche wie ich: Sie klingt schon wie Tami.

Diesmal lasse ich mich nicht wieder von Adam verteidigen. Auch wenn er es nur gut meint. Aber bei Tami hat das jedenfalls nicht funktioniert.

„Hör zu, Aurora. Ich verstehe gut, dass du mir nicht vertraust. Ich würde mir an deiner Stelle auch nicht sofort vertrauen, immerhin war ich neulich im Wald ziemlich schroff zu dir gewesen. Aber das war ich nur, weil ich Angst hatte, um Riva, die in eurer Falle festsaß. Sonst wäre ich nie auf dich losgegangen. So bin ich eigentlich gar nicht. Glaub mir, ich werde dir und deiner Familie nichts tun. Riva und ich haben versprochen euch zu beschützen."

Sie mustert mich eindringlich, bevor sie ein eher unzufrieden klingendes Okay hervorpresst.

Ich belasse es bei einem Nicken, weil ich nicht weiß, was ich sonst noch sagen sollte und verlasse dann das Zimmer.

Ich stoße dabei fast mit Tami zusammen, als ich mich umdrehe und entschuldige mich sofort. Sie bestraft mich allerdings nur wieder mit einem bösen Blick und wartet darauf, dass ich ihr aus dem Weg gehe. Ich beuge mich ihrer Laune und lasse sie vorbei. Ich habe wirklich keine Lust auf Streitereien mit ihr.

Ich weiß ja wirklich rein gar nichts über Liebe, außer das, was Riva mir vor ein paar Tagen erzählt hat, von wegen Zuneigung zu einander und so. Und ich weiß, dass ich das auch nicht nachvollziehen kann, aber ich verstehe einfach nicht, wie Adam sie lieben kann. Aber vielleicht bin ich ja auch einfach nur zu gefühlskalt, was das angeht. Schließlich habe ich noch nie geliebt. Naja dann hätten die Besetzer auf jeden Fall volle Arbeit geleistet, weil sie uns ja unser Leben lang darauf trainiert haben nichts zu fühlen. Und auch wenn sich Wut, Trauer und sogar Freude in letzter Zeit immer wieder bei mir bemerkbar machen, kann ich mir Lieben genauso wenig vorstellen wie Angst.

Eulenaugen (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt