Umzug

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"Und plötzlich weißt du: Es ist Zeit etwas Neues zu beginnen und dem Zauber des Anfangs zu vertrauen."

Meister Eckhart

Ich wache wieder auf, als sich zwei Arme um mich legen. Meine Mama ist nach Hause gekommen. "Mein Schatz, warum hast du geweint?", fragt sie mich als sie mein verweintes Gesicht sieht. Die Tränen sind inzwischen getrocknet und fühlen sich komisch auf meiner Haut an. "Er hat mir das Herz rausgerissen.", schluchze ich wieder, in ihren Armen. "Wer?" "Damien Johnson" "Ach mein Schatz. Es werden noch so viele kommen." "Nein, das hat er auch gesagt. Mich wird niemand jemals wollen." "Maus, du bist doch ein wunderschönes Mädchen. Du bist schlau, nett und hübsch. Wieso willst du denn so sein wie andere Mädchen? Du hast doch alles." "Ach Mami. Die anderen sind doch viel beliebter als ich." "Aber das vergeht. Und dein Ehemann wird mal ganz glücklich mit dir." "Danke Mama." Ich fühle mich schon ein ganz kleines bisschen besser.  Sie küsst meine Stirn und kurz darauf hören wir die Haustür auf und wieder zu geht. Papa kommt nach Hause. Mama steht auf, und geht in das Wohnzimmer um ihn zu begrüßen. An der Tür dreht sie sich noch einmal zu mir um. "Schatz, kommst du dann herunter? Ich habe schon gekocht und wir müssen auch noch etwas besprechen." Ich nicke nur und gehe dann ins Bad um mein Gesicht zu waschen. Die dünnen schwarzen Schlieren werden weg gewaschen und ich sehe schon gar nicht mehr so schlimm aus. Ich geh schnell runter und setze mich an unseren runden Küchentisch. Dieser ist schon gedeckt und Mama kommt gerade mit dem Nudelauflauf. Ich liebe Nudelauflauf. Ich lächle sie an. "Ich weiß doch, was meine Kleine mag. Und nach diesem Tag brauchst du es auch.", sagt sie. Papa küsst mich auf meine Wange. Er weiß also schon Bescheid. Mama muss es ihm gleich gesagt haben. Und so essen wir schweigend. Besser gesagt, ich esse wie ein Schwein und schaufle alles in mich hinein, während meine Eltern etwas langsamer essen. Ich esse immer weiter und schaue nicht auf, bis ich mir noch eine Portion aus der Form nehmen will. Das viele Weinen hat mich wirklich hungrig gemacht! Ich schaue auf und sehe wie sie das Besteck niedergelegt haben und mich lächelnd anschauen. "Schatz.", fängt meine Mama an. "Wir haben etwas zu bereden.", fährt mein Vater fort. "Dein Vater hat ein tolles Stellenangebot in San Francisco bekommen. Wir müssten dazu aber auch umziehen." "Ich würde das Angebot gerne annehmen, da ich mich so fortbilden kann und euch ein besseres Leben ermöglichen könnte." Sie sehen mich fragend an. Ich nicke nur nachdenklich. San Francisco, in diese Stadt wollte ich schon immer mal. Ich habe hier nichts mehr was mich hält. Wieso also nicht? Ich schaue meine Eltern an. Mama drückt Papas Hand und er schaut sie mit so viel Liebe an. Wie könnte ich ihnen nur diesen Wunsch abschlagen. "Papa, das ist doch okay. Ich würde gern nach San Francisco umziehen. Es gibt nichts, außer vielleicht Oma und Opa, was mich hier hält. Und wir können sie ja immer besuchen oder sie uns.", sage ich. Und beide atmen erleichtert aus. Haben sie etwa gedacht ich stelle mich gegen sie? Ich würde mich nie gegen sie stellen oder gegen diese wunderbare Möglichkeit für meinen Vater. "Siehst du, Schatz, sie macht mit. Wir haben sie so gut erzogen. Meinen kleinen Engel.", sagt meine Mutter zu meinem Vater. Er nickt nur und lächelt glücklich. "Wann geht es los?", frage ich. "Das Krankenhaus würde uns sofort eine Wohnung zur Verfügung stellen und da ja bald Ferien sind und die Schule nichts mehr wirklich macht, wollen wir gerne schon dieses Wochenende fahren.", sagt er. Ich nicke nur. Nachdem wir gemeinsam den Tisch abgeräumt haben, gehe ich in mein Zimmer und packe bereits meine Sachen. Wir wollen am Freitagabend los fahren, da ich früh noch einmal in die Schule muss um mein Zeugnis abzuholen. Wir nehmen zunächst nur das nötigste mit und lassen den Rest erst einmal im Haus, da wir es noch nicht verkaufen wollen. Mein Vater meint, dass er bis nach der Probezeit warten will und dann kommen wir zurück und räumen es richtig aus. Ich verabschiedete mich gründlich von meinen Großeltern und von unserem Haus. Dem Haus meiner Kindheit. Vielleicht geht dieser Umzug doch nicht ganz spurlos an mir vorüber. Weinen musste ich bisher aber trotzdem nicht. Ich glaube, dazu habe ich keine Tränen mehr. Am Freitagmorgen gehe ich also ein letztes Mal durch das große Tor der Powers High-School. Ich versuche mich so gut wie es geht unsichtbar zu machen, doch die Blicke haften trotzdem an mir. Hämische Blicke. Das Schulflittchen Sina rempelt mich an und ich laufe nur noch schneller zum Sekretariat. Sie benimmt sich als gehöre ihr die gesamte Schule und man hat allgemein Angst vor ihr. Ihr Vater ist der Bürgermeister und deshalb hält sie sich für ziemlich wichtig, was sie aber eindeutig nicht ist. Nun muss ich sei zum Glück nie wieder sehen.
Im Sekretariat hole ich schnell meine Zeugnispapiere und die letzten Dokumente von mir, die ich in meiner neuen Schule brauchen werde. Ich verabschiede mich noch von Frau Gardener und gehe schnell wieder aus dem Sekretariat. Im Flur stoße ich allerdings mit jemanden zusammen. Ich gehe zu Boden und meine Papiere verteilen sich über den gesamten Gang. Ich schaue auf und sehe Clara Wittemore. Sie sieht mich entschuldigend an und hält mir ihre Hand hin. Ich ignoriere sie und fange an meine Papiere einzusammeln. Sie ist genauso in der Clique von Damien wie Leon, einer der Zwillinge, welcher neben ihr stand und mir nun hilft die Papiere einzusammeln. "Lass das!", fauche ich ihn an. Ich brauche keine Hilfe. Am wenigsten von den beiden. Sie haben genauso gelacht, sie sind seine Freunde. "Fahr deine Krallen ein, Kätzchen.", meint Clara gelassen. Ich hebe mein Zeugnis auf und will an den beiden vorbei gehen. Doch sie lassen mich nicht. "Es tut uns sehr leid. Wir wissen nicht was mit ihm los ist.", sagt Leon. "Steckt euch eure Entschuldigung sonst wohin. Ihr habt doch genauso gelacht.", rufe ich wütend und dränge mich endlich an den beiden vorbei. Da stoße ich schon wieder fast mit jemandem zusammen. Damien! War ja klar, wo seine Freunde sind, ist er nicht weit. Ich zeige ihm meinen Mittelfinger und verlasse dann die Schule. 


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