𝟭𝟬 || 𝙎𝙠𝙚𝙥𝙨𝙞𝙨 𝙭 𝙪𝙣𝙙 𝙭 𝙐𝙣𝙨𝙞𝙘𝙝𝙚𝙧𝙝𝙚𝙞𝙩

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»Alles Mörder, ohne Ausnahme. Meine Eltern. Die Eltern meiner Eltern und auch deren Eltern. So auch meine Geschwister. Meine Familie hatte hohe Erwartungen an mich, aber ich mochte es irgendwie nicht. Wer will schon ein Leben, dass andere schon geplant haben? Als ich meinte, dass ich meine Zukunft selbst bestimmen will, sind sie ausgerastet. Unter Tränen sagte mir meine Mutter, dass ich mein Leben vergeude, wenn ich keine Menschen meucheln würde. Tolle Eltern was? Wie soll da aus einem Kind was werden? Kein Wunder, dass meine Brüder so zurückgeblieben sind.« Er lachte auf, was mich im Gegensatz deutlich schockte. Generell, wie er über seine Familie redete, machte mir beinahe schon mehr Angst, als sein Ren.

Er hatte scheinbar so viel Grausames erleben und erleiden müssen und lachte nur darüber? Er lachte über die Erziehung seiner Eltern, als wenn es das normalste der Welt wäre. Gleichzeitig bewunderte ich aber seine starke Psyche, ohne die er wohl schon längst untergegangen wäre. Ich hätte es wahrscheinlich nicht ausgehalten. Dennoch war mir ziemlich unwohl zu wissen, dass er aus einer Attentäterfamilie stammte. Sollte man sich dann nicht noch mehr vorsehen? Was wäre, wenn er dadurch den Verstand verloren hatte und nun auf eine perfekte Gelegenheit wartete, um uns alle aufzuschlitzen? Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, weswegen ich beschloss zu versuchen, neutral an die Sache heran zu gehen und ihn einfach im Auge zu behalten. Er war zwar der beste Freund von Gon, aber ich hatte seine Naivität schon miterlebt. Es wäre also kein Wunder, wenn er dadurch auf einen Trick Killuas hineinfallen würde.

»Wir haben uns heftig gefetzt. Meiner Mutter hab ich ins Gesicht und meinem Bruder in die Seite gestochen. Dann bin ich weggelaufen. Ich musste zwar wieder zurückkehren, doch dann ließen sie mich endlich ziehen, nachdem Gon mich endlich da raus geholt hat. Bestimmt wollen sie nun Blut sehen. Aber wenn sie mich finden sollten, gibt's Nachschlag. Sobald ich ein Hunter bin, werde ich meine Familie einen nach dem anderen fangen. Es ist sicherlich ein ordentliches Kopfgeld auf sie ausgesetzt.«

Krank. Es hörte sich einfach nur krank an. Ich würde nur zu gerne wissen, was in seinem Kopf abging. Er wollte seine Eltern zur Rechenschaft ziehen, was bei solchen Menschen nur verständlich war. Aber auf die Art und Weise, wie er es erläuterte, lief es mir kalt den Rücken runter und ich bekam überall Gänsehaut. Und das nicht, weil sich diese Vorstellung schön anhörte. Ich wünschte mir momentan nichts sehnlicheres, als Gons Anwesenheit. Alleine mit Killua hier zu verweilen, machte mich unfassbar nervös. Aber es war genau wegen diesen Gedanken auch nachvollziehbar, wieso er weggelaufen ist. Auch ich war weggelaufen, doch das erwähnte ich nicht. Und so verschieden wie unsere Ausgangssituationen auch waren, im Prinzip haben wir das gleiche angestrebt. Nämlich Freiheit.

»Na ja, wie dem auch sei- wo waren wir stehen geblieben?« Killua, der mich aus meinen Gedanken riss, erinnerte mich an das, weswegen ich ursprünglich eigentlich zu ihm gekommen war. »Genau, sammle deine Kraft und sende sie heraus.«

Dies war mein Zeichen, die Augen wieder zur Konzentration zu schließen, auch wenn es mir nun sehr unangenehm war. Aber ich versuchte diese Tatsache einfach auszublenden. Mit Ten band ich meine Aura zuerst an mich und versuchte dann, sie auszuweiten. Zu spüren war nur ein Kribbeln, welches sich durch meinen ganzen Körper zog, was durch meine Aura ausgelöst wurde und den Wind, der meine mittellangen, dunkelblauen Haare, die meistens zu einem Zopf gebunden waren, durch die Lüfte trug und langsam stärker wurde. Die Sonnenstrahlen, die zuvor meine blasse Haut gewärmt hatten, verschwanden, als sich dunkle Wolken vor die Sonne schoben. Die auftretende Kälte verpasste mir erneute Gänsehaut. Ich versuchte mir vorzustellen, wie meine Lebensenergie sich um mich sammelt, um sich dann nach und nach, Zentimeter für Zentimeter, von mir zu lösen und sich wie ein Luftballon immer weiter aufzublasen. Diese Vorstellung mochte vielleicht ganz treffend sein, doch diese auch in die Tat umzusetzen war sehr viel schwieriger, als ich gedacht hätte. Immerhin musste ich nun das Gegenteil von dem tun, was ich bisher gelernt hatte. Minuten, Stunden vergingen, die ich brauchte, um meine Aura minimal ausweiten zu können. Schweiß benetzte schon meine Haut und das ein oder andere Keuchen entfloh meinen Lippen, als wenn ich den ganzen Tag nur Sport getrieben hätte. Killua hatte mir schon längst geraten, eine Pause einzulegen, doch ich weigerte mich. Nicht, bevor ich keine Fortschritte gemacht hatte. Doch nach und nach schwanden meine Kräfte, was mich nach einem lauten Seufzen auf die grasige Fläche sinken ließ. Das nun getrocknete Gras umschloss meine Schienbeine, die beim Sitzen unter meinem Rock hervor lugten und sorgte dafür, dass ich nach dem Aufstehen mit Sicherheit von Gras- und Erdflecken bedeckt sein würde. Killua, der vor mir zum Stehen kam, hockte sich hin, um nicht wie ich von der Oberfläche beschmutzt zu werden und sah mich mit großen Augen an. Mein Blick, den ich zuvor gesenkt hatte, suchte nach seinem, als ich Notiz von ihm nahm.

»Du solltest nicht die Grenze überschreiten, sonst kippst du vor Erschöpfung noch um«, erinnerte mich der Weißhaarige und legte seinen Kopf etwas schief. »Du konntest deine Aura minimal von dir lösen. Du machst also Fortschritte... auch wenn sie nicht die Größten sind. Aber jetzt machst du Pause, sonst wird es wohl für immer dein Stand bleiben.« Killua erhob sich, ehe er die eine Hand in seine Hosentasche stopfte und mir die andere zur Hilfe reichte. Statt aber dieser Geste nachzukommen, rappelte ich mich aber mit eigener Kraft auf und klopfte meinen Rock aus, um die Gräser und den Staub zu entfernen. Meines Erachtens nach schien mein Gegenüber darüber sichtlich verwirrt zu sein, vergrub  seine zuvor ausgestreckte Hand dann aber ebenfalls in seiner Hosentasche.

Es mochte vielleicht ein wenig übertrieben klingen, doch er war mir auf einmal ziemlich unheimlich. Ich wusste nicht, ob es an seinem Auftreten oder an seiner Vergangenheit lag, die mich wohl mehr Vorsicht als nötig walten ließ, doch ich wollte für das Erste kein Risiko eingehen. In Gons Nähe schien er zwar immer so aufgeweckt und wie ein ganz gewöhnliches Kind, doch ich konnte darüber auch schwer urteilen, da sie sich aufgrund des Trainings momentan nicht oft zusammen aufhielten. Wir hatten auch noch nicht viel miteinander zu tun, weshalb ich ihn einfach besser kennenlernen sollte, auch wenn er mir nicht ganz geheuer war. Wenn Gon mit ihm klar kam, musste ich es wohl oder übel auch. Es würde wohl ein Mysterium bleiben, wie Gon einem Attentäter so viel Vertrauen schenken konnte.

Ich seufzte leise und rieb mir meinen Hinterkopf, der von der ganzen Grübelei schon zu qualmen schien, ehe ich mich auf den Weg zurück in die Arena begeben wollte. Bevor ich dies aber tat, wollte ich mich gerade wenigstens noch bei Killua für seine Mühen bedanken, aber als ich mich umsah, war keine Menschenseele mehr anwesend, was mir einen Schauer den Rücken hinunter jagte. Ich wusste echt nicht, was ich von ihm halten sollte. Was ich aber mit Sicherheit sagen konnte, war, dass er sich zu einer sehr interessanten Person machte.

𝙃𝙪𝙣𝙩𝙚𝙧 𝙓 𝙃𝙪𝙣𝙩𝙚𝙧 || 𝙒𝙤𝙣𝙖𝙘𝙝 𝙨𝙞𝙚 𝙨𝙞𝙘𝙝 𝙨𝙚𝙝𝙣𝙩Where stories live. Discover now