Prolog

81 4 1
                                    

Eine unheimliche Stille umgibt den riesigen Wald. Weiße Nebelschwaden schweben durch die kühle Abendluft, sie schlängeln sich zwischen den Baumwipfeln hindurch. Die letzten Sonnenstrahlen wärmen seine blasse Haut, geben ihm ein gutes Gefühl. Er steht mitten auf der Lichtung, versucht stark zu wirken, selbstsicher. Doch seine kleinen, weißen Hände zittern. Vielleicht von der aufkommenden Kälte, vielleicht von der bevorstehenden Probe. Er bewegt sich nicht, als eine mächtige Gestalt die Lichtung betritt. Ihr Fell leuchtet, das Licht der Sonne lässt es wie loderndes Feuer erscheinen. Das imposante Tier schreitet nur wenige Schritte in Richtung des Jungen, seine starken Gliedmaßen bewegen sich elegant, sie strotzen vor Kraft. In seinen schillernden Augen ist die unbändige Lust zu jagen und zu töten sichtbar.

Wie auf ein Zeichen rennen die beiden aufeinander zu, bewusst, dass keiner von ihnen die Nacht unverletzt überstehen wird. Das Tier reißt sein Maul auf und versucht, den Jungen am Genick zu packen. Doch dieser macht einen gewaltigen Sprung, landet auf dem Rücken des Tieres und bemüht sich, dieses mit Schlägen auf den Kopf aus dem Gefecht zu setzen. Doch es ist wild, gefährlich, es springt weit in die Luft, lässt den Jungen auf die Erde fallen. Es baut sich über ihm auf und lässt die mit scharfen Krallen besetzte Pranke durch das kindliche Gesicht schleifen. Der Junge schreit und kriecht über den Boden, weg aus der Reichweite des Tieres, welches erneut nach ihm ausholt. Er rappelt sich auf und rennt. Die Äste eines gebogen gewachsenen Baumes ragen direkt über das aggresive Tier. Der Junge klettert geschickt den Baum hinauf, obwohl vor seinen Augen der Wald zu verschwimmen beginnt und sich alles um ihn dreht. Als er auf einem schmalen Ast angekommen ist, das Raubtier schleicht unruhig einige Meter unter ihm umher, erkennt er seine Chance. Er lässt sich fallen, sieht den Rücken des Tieres immer näher auf sich zukommen und landet mit ausgestreckten Füßen auf dem Kopf des Gegners. Das Tier bäumt sich auf, sinkt dann durch den heftigen Stoß  in sich zusammen und liegt nach wenigen Sekunden reglos auf dem Waldboden. Der Junge schlägt neben ihm mit dem Rücken auf und auch er rührt sich nicht mehr. Eine lange Wunde, aus der unaufhörlich Blut dringt, zieht sich quer über sein Gesicht. Die beiden Rivalen liegen bewusstlos nebeneinander, als das Sonnenlicht hinter dem Horizont verschwindet und vollständige Dunkelheit hinterlässt.


Das war der etwas kurz geratene Prolog meiner Geschichte :D
Da sowohl der erwähnte Junge, als auch das Raubtier unbekannt sind, ist das ganze wahrscheinlich etwas verwirrend für euch. Doch das erste Kapitel folgt bald, sodass ihr die Hauptpersonen und die eigentliche Story kennen lernen könnt.

Die zehnte Lektion Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt