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He travelled in order to come home.
- William Trevor -

Gedankenverloren betrachtete ich das Bild meiner Frau, das in der Fassung des silbernen Medaillons in meinen Händen lag.

Sie hatte mein bordeauxrotes Barett aufgesetzt und über ihren Schultern hing die graue Uniformjacke meiner Ausgehuniform, die ihr viel zu groß war und sie deshalb unmittelbar kleiner aussehen ließ. Ihre langen, blonden Haare fielen ihr in Wellen über die Schultern und sie schien mich liebevoll aus dem Foto heraus anzulachen.

Melanie.

Sie hatte mir immer Halt gegeben.
Aber das war vorher.
Damals. Nicht letzten Monat, nicht gestern, und auch nicht heute. Davor.
Bevor ich mich für den Krieg entschieden hatte.

Wir hatten von Anfang an gewusst, was auf uns zukommen würde, dass es nicht einfach werden würde - und trotzdem hatte Melanie mich unterstützt, als ich mich für den Dienst an der Waffe verpflichtet hatte. Wir hatten gewusst, dass Einsätze dazu gehörten, und dass sich zwei Menschen in dieser Zeit auseinanderleben, oder aber zusammenwachsen konnten.

Von Anfang an waren wir der Überzeugung gewesen, dass wir das zusammen durchstehen konnten, zu zweit. Dabei hatten wir nicht mit plötzlichem Familienzuwachs gerechnet. Melanie war ungewollt schwanger geworden - was nicht hieß, dass wir uns kein Kind gewünscht hatten. Natürlich hatten wir irgendwann einmal vorgehabt, eine Familie zu gründen - nur eben nicht so bald.

Während der Zeit ihrer Schwangerschaft hatte ich mich bemüht, so oft wie möglich zuhause sein zu können, hatte versucht, so pünktlich wie möglich vom Stützpunkt weg zu kommen und bei ihr zu sein.
Bei ihr, und bei unserer Tochter, die langsam in ihrem Bauch herangewachsen war.
Und dann, nur einen Tag nach Sofias Geburt, war ich gegangen.
Verspätet zwar, aber ich war gegangen.

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Fünf Monate waren seitdem vergangen, und eigentlich hätte ich mich auf den heutigen Tag freuen sollen - den Tag, an dem ich wieder zurückkam, zu meinen beiden Mädels.
Stattdessen zog sich mein Magen bei dem Gedanken meiner Rückkehr in einer bizarren Mischung zusammen. Auf der einen Seite konnte ich es kaum abwarten, Melanie und Sofia wiederzusehen. Aber was, wenn sie mich gar nicht mehr sehen wollten?
Wenn sie mich nicht mehr brauchten?

Ich hatte Melanie nicht einmal geschrieben, dass ich wieder in Deutschland war.

Die meisten meiner Kameraden waren am Flughafen von ihren Familien begrüßt worden, mich hatte man lediglich vor meiner Haustür abgesetzt. Und hier saß ich nun, auf dem kalten Stein der Treppe, mit dem Rücken zur Haustür und unfähig, aufzustehen und zu klingeln.

Ich hatte sie im Streit verlassen.

Das Amulett in meinen Händen hatte Melanie mir mit Tränen in den Augen vor die Füße geworfen und gemeint, den Ehering könnte ich gleich mitnehmen, wenn ich durch die Tür ging. Das war am Tag meiner geplanten Abreise gewesen - ich hatte sie einen Moment nur stumm angesehen, dann hatte ich sowohl die Kette als auch meine Taschen vom Boden aufgenommen und mich umgewandt. Die Hand auf der Türklinke ruhend, bereit, sie hinunterzudrücken, hatte ich Inne gehalten, sobald der unsicher geflüsterte Name an meine Ohren gedrungen war.

„Thomas...?"

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》Bildquellen《

Cover

http://www.fr-online.de/image/view/2750012,2441248,highRes,Deutscher+Soldat+in+Afghanistan+%2528media_881117%2529.jpg

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Chapter

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