Kapitel 1

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Es war... Als wäre meine Seele in Watte gepackt. Mein Körper lebte sich ein, arbeitete mit, zeigte passende Gefühlsregungen, aber mein Ich... Schien davon nichts mitzubekommen. Rein gar nichts. Ich lebte vor mich hin. Tag ein Tag aus. Wurde nur wach, wenn es Neuigkeiten gab. Neuigkeiten von der Revolution. Neuigkeiten aus Distrikt Dreizehn...

Dreizehn... Das zerstörte Distrikt, das dass es gar nicht geben sollte, das dass nie von den Hungerspielen getroffen worden war, da es eigentlich davor zerstört wurde. Doch scheinbar lag unter der Trümmerlandschaft mehr... Eine ganze eigene Zivilisation unter der Erde. Mein Ziel... Da musste ich hin. Ich musste nach Dreizehn, denn da... Denn da mussten sie sein, wenn sie noch lebten.
Es machte mich verrückt. Madge war sich zu hundert Prozent sicher, dass meine Familie dort war. Aber was mit den Tributen der fünfundsiebzigsten Hungerspielen geschehen war, das konnte mir keiner sagen. Meine Mittribute... Meine Verbündeten... Meine Freunde... Mein Liam...

Mein Liam Odair, der mutigste Junge in ganz Panem. Ich wusste nicht, wo er war. Das machte mich verrückt. Er könnte von Snow gefangen genommen worden sein, was wohl das Ende meines gefassten Zustandes gewesen wäre. Oder aber er war in Distrikt dreizehn, das in mir Hoffnung aufflammen ließ.

Es ist schwer zu erklären wo genau ich war... Sie nannten es die sichere Zone. Ob sie wirklich so sicher war? Warf man eine Bombe ab, waren wir auch alle tot. Aber... Sie war sicherer als die Distrikte. Ein Ort für Kinder, Kranke, Schwangere... Ein Ort für Leute, die in einem Krieg nichts zu suchen hatten. Eine kleine Insel der Sicherheit, die, wenn sie entdeckt wurde, so leicht niederzubrennen sein würde wie eine Scheune voller trockener Stroh.

„Lily?", murmelte Madge und sah mich eindringlich an, „Willst du heute mal mit den Jägern mit? Oder es mal beim Wachdienst versuchen?"

Eigentlich, theoretisch gesehen, war es meine Pflicht eine dieser Arbeiten zu verrichten. Ich hatte Erfahrung mit Waffen und war nicht zu Jung dafür und auch körperlich im Stande. Aber seelisch sträubte sich alles in mir eine Waffe anzurühren. Ich musste zwangsläufig keinem mehr wehtun, also würde ich auch nicht. Es war schlimm genug, wenn ich es in meinen Albträumen tat. Meine immer wiederkehrenden Albträume, in denen ich meine Freunde und Familie umbrachte oder sie umgebracht wurden. Und ich träumte von Opal... Von dem Mädchen aus Distrikt zwei, das ich getötet hatte. Es war mir lieber wenn ich dachte, dass ich sie getötet hatte als Lia. Lia... Oh Lia... Sie war zu jung, zu unschuldig, sie war zu sehr wie Prim. Aber sie war tot und das würde sich nicht mehr ändern, nie. Auch wenn ihr ihre Schwester Hope zum Verwechseln ähnlich sah.

„Lily?", fragte mich Madge mit gerunzelter Stirn die Sekunden waren verstrichen und ich hatte ihr nicht geantwortet. Madge, dem Mädchen aus meiner Heimat, die beste Freundin von Katniss Everdeen. Katniss Everdeen, das Mädchen, das in Flammen stand, der Spotttölpel, die Schwester meiner besten Freundin, meine Verbündete.

„Ich... Ich... Nein... Nein, ich denke nicht."

„Lily... Ich denke nicht, dass Hope, Eric und ich noch lange ein gutes Wort für dich einlegen können... Irgendwann wirst du auch dieses Gebiet ausprobieren müssen", murmelte sie und drückte vorsichtig meine Hand. Ihre strahlend blauen Augen fokussierten mich mit einem verständnisvollen aber doch eindringlichen Blick.

„Wieso kann ich mich nicht einfach weiter... Weiter überall wo man mich braucht nützlich mache? Das klappt doch gut", murmelte ich und blickte zu Boden.

„Weil diesen Job nur die jungen Kinder übernehmen", erklärte sie leise, „Daniel holt dich später ab. Lass es einfach ganz langsam angehen. Schau es dir erstmal an, du musst ja noch keine Waffe in die Hand nehmen. Okay?"

„Okay...", murmelte ich und starrte einfach weiter auf den Boden. Sie hatte recht. Ich sollte damit beginnen... Ich musste mich einbringen.

Daniel holt mich keine halbe Stunde später ab. Daniel... Der mir sagte, dass mein Heim zerstört war, meine Familie vielleicht tot, mein...

Die Tribute von Panem - Falsches SpielWhere stories live. Discover now