18. Mai 2013

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18:12 Uhr
Betreff: Desaster Date
Hallo mein alter Freund,
nun muss ich mich einmal bei Dir ausweinen. Ich komme gerade von einer wirklich schrecklichen Verabredung zurück. Du wunderst Dich wegen der Uhrzeit? Keine Sorge, Du liest richtig und auch ich habe mich nicht verschrieben und komme tatsächlich gerade eben wieder zurück. Eigentlich hätte ich ahnen müssen, wie sehr es schief laufen würde, aber meine Eltern und Freunde hatten mir gut zugeredet, sodass sich meine inneren Warnsignale einfach ausgeschalten haben. Das erste Warnsignal hätte sein müssen, dass er schon 32 Jahre alt und geschieden ist. Seit etwas mehr als vier Monaten ist es nun offiziell. Aber inoffiziell scheint da weitaus mehr gelaufen zu sein und auch das Trennungsjahr haben sie sicher nicht eingehalten. Das zweite Warnsignal, er ist Papa eines dreijährigen Jungen. Darum hatten wir uns auch so früh getroffen, denn er wollte seinen Kleinen, wie jeden Abend, zu Bett bringen. Er ist Alleinerziehend und seine Frau, pardon Ex-Frau, hilft ihm, aber wohl nicht soweit, dass er ungehindert auf ein Date gehen kann. Und Signal Nummer drei, meine Mutter hat mir diesen Leckerbissen ausgesucht. Nichts gegen ihren Männergeschmack, den Papa hat sie sich ganz gut ausgesucht, aber wenn es um mich geht, dann hat sie keine Ahnung.
Wir haben uns also gegen 16:00 Uhr verabredet, zu einem zwanglosen Kaffee. So nahm das Unglück seinen Lauf. Patrick hat mir sein Leid geklagt. Erst ging es um seine Frau, die ihn einfach so sitzen lässt, mit seinem Kleinen. Dann ging es um den kleinen Ben-Elias, der nicht schlafen will, nicht zeitig Essen, nicht die Zähneputzen und - jetzt musst Du Dir vorstellen, wie ich mir gerade ein Stück meiner Schwarzwälder-Kischtorte in den Mund schiebe - das sein Sohn ihn lautstark zu sich ruft mit den Worten: "Papa, ich bin fertig mit Kacki. Du kannst kommen!" Ab da ging es nur noch bergab und es drehte sich noch des Öfteren um Darm-Angelegenheiten, die nicht bei Tisch, und schon gar nicht bei einem Date besprochen werden sollten.
Nun, zumindest hätte ich nicht die Katze im Sack gekauft, würde ich noch ein weiteres Date in Betracht ziehen. Dafür hat er gesorgt.
Ich hoffe sehr, dass es bei Dir schon etwas besser lief. Die zwei Verabredungen, die ich bis jetzt hatte, haben mir den Spaß aufs Dating gründlich verdorben.
Lust auf ein virtuelles Date, um meine Laune wieder zu heben?
Liebste Grüße,
Deine Lena

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18:20 Uhr
Betreff: Bevorstehendes Date
Hallo Fremde,
schön mal wieder etwas von Dir zu lesen. Spätestens Morgen hätte ich mich bei Dir gemeldet, oder einen Suchtrupp losgeschickt. Ich wollte Dich nicht in Deiner Findungsphase stören, und freue mich jetzt umso mehr, dass Du ein Stück mehr von Dir entdeckt und mich dabei nicht vergessen hast.
Während Du gerade von einer Verabredung zurückkommst, bin ich gerade dabei, mich für eine vorzubereiten. Die letzten Vorkehrungen sind getroffen, sie wirkte im Chat nett und es geht zum Italiener. Drück mir die Daumen!
Was hältst Du davon, dass Date recht bald stattfinden zu lassen?
Liebste Grüße,
Dein Adam

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18:21 Uhr
Betreff: Viel Glück!
Ich drücke Dir die Daumen und hoffe, Du meldest Dich bald, um mir davon zu berichten.
Bis bald,
Deine Lena

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23:56 Uhr
Betreff: Zurück
Noch wach?
Adam

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23:57 Uhr
Betreff: Willkommen zurück!
Ja. Wie war es?

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00:04 Uhr
Betreff:
Es ging. Es war wesentlich netter als die letzte Verabredung, von der ich Dir geschrieben hatte. Sie ist sehr hübsch, hat braunes Haar und grüne Augen. Fühlst Du Dich bei der Beschreibung ertappt? Ich musste sofort an Dich denken. Sie trug eine rote Bluse und eine schwarze Hose dazu. Sie war adrett und hatte Charisma. Sie sprach nicht zu viel und nicht zu wenig. Sie ist vielen Dingen gegenüber aufgeschlossen, ist intelligent, hat jedoch keine eigene Meinung. Eine wahrhaftige Ja-Sagerin. Nach etwa 60 Minuten habe ich mich gelangweilt, da keine ordentliche Gesprächsgrundlage vorhanden war. Gegen 21 Uhr haben wir uns dann getrennt auf den Nachhauseweg gemacht. Bis vor wenigen Minuten war ich unterwegs.
Jetzt bin ich froh, wieder Daheim zu sein und mit Dir zu schreiben.
Dein Adam

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00:09 Uhr
Betreff:
Das hört sich nach einem netten, wenn auch nicht ganz gelungenem Abend an. Vielleicht betrachtest Du es falsch?
Aber ich bin auch froh, dass Du wieder Zuhause bist, allein.
Deine Lena

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00:12 Uhr
Betreff:
Lena, wie geht es Dir? Wie läuft Dein Leben? Was macht die Arbeit und, hat sich Eric noch einmal gemeldet? Erzähl mir von Dir, denn ich habe Dich viel zu sehr vermisst, um jetzt weiter über misslungene Abende, Desaster-Dates oder Darmprobleme eines Alleinerziehenden zu schreiben.
Dein Adam

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00:16 Uhr
Betreff:
In der Arbeit läuft es gut. Es ist nichts aufsehenerregendes passiert, aber es läuft gut. Mein Leben ist geregelt, so gut man sowas eben kann. Ich gehe zur Arbeit, komme Nachhause. Zwischendurch esse ich etwas, dann gehe ich ins Bett. Und ganz oft erwische ich mich dabei, wie ich an Dich denken muss. Eric hat sich letzte Woche das letzte Mal gemeldet. Wir hatten vor etwa zwei Wochen ein langes, klärendes Gespräch, bei dem es ihm mehr darum ging sich zu rechtfertigen und mich anschließend ins Bett zu kriegen, doch ich habe nicht nachgegeben. Diese Sache ist vorbei.
Ich habe Dich auch sehr vermisst. Es wäre schön, wenn Du hier wärst, aber so genieße ich jetzt noch das letzte Glas Hugo und verschwinde bald schon zwischen den Laken.
Gute Nacht, mein Lieber. Schlaf schön.
Deine Lena

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00:19 Uhr
Betreff:
Das hört sich gut an. Vor allem der Abschnitt mit Eric und Deine Gedanken darüber. Es war die richtige Entscheidung.
Eventuell liegt es am Bier, dass mich redselig und weichherzig werden lässt, denn ich wäre jetzt auch gerne bei Dir. Würde Dir das letzte Glas Hugo aus der Hand nehmen, Dich an Deiner Hand zu mir heran ziehen und Dir dann einen langen Gutenachtkuss geben.
Gute Nacht, meine Lena. Schlaf schön.
Dein Adam

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