9. März 2013

4.6K 346 39
                                    

09:29 Uhr
Betreff:
Zu früh, eindeutig viel zu früh und doch bin ich schon wach. Guten Morgen, Lena. Deinen Rausch konntest Du hoffentlich ausschlafen, während ich in meinem Bett liege und mich über meine Nachbarn brüskiere. Sie haben einen lautstarken Streit. Doch über ihre Hintergründe kann ich nur Spekulieren, denn auch wenn ich sie hören kann, kann ich sie nicht verstehen. Man sollte doch meinen, dass einem bei dieser Lautstärke doch wenigstens das Lauschen gegönnt sei. Aber, nein, nicht einmal das. Wahrscheinlich war er gestern in der Kneipe und hat sich einen ordentlichen Rausch angesoffen. Als er dann zu ihr ins Bett geklettert kam, hauchte er ihr ein liebevolles „Schaaaaatz, waaaach auuuf!", ins Ohr, ehe er um den ehelichen Beischlaf gebettelt hat. Wenn wir schon davon reden, ich weiß nicht einmal in welcher Beziehung die Zwei stehen. Das sollte ich bei Gelegenheit einmal abklären. Bis dahin bleibt mir nur Dir zu schreiben und für Dein Seelenwohl zu hoffen, dass Du noch tief und fest schläfst.
Adam
***
09:41 Uhr
Betreff: Schämt Euch, Nachbarn!
Guten Morgen mein Sommercamp-Kumpane,
auch ich liege schon putzmunter im Bett und starre an die Decke. Aber lass uns nicht gleich über den Grund reden, sondern uns lieber noch ein wenig mit deinen Nachbarn beschäftigen. Findest Du es nicht etwas Klischeehaft, dass er aus der Kneipe kam und betrunken war? Was ist mit der Emanzipation? Frauen haben eben so viel Recht darauf, besoffen aus einer Eckkneipe zu kommen und ihrem Mann ein liebevolles Sexangebot ins Ohr zu flüstern, welches er dann wegen Kopfschmerzen nicht annimmt. Ich hätte jedoch noch eine andere Theorie. Sie hat ihn gestern Abend betrogen und war so ehrlich, es ihm zu erzählen. Im Moment schreien sie sich unglaublich an, ja, er hasst sie sogar. Doch das wird nicht lange anhalten, weil sie seine wahre Liebe ist. Sie werden lange Streiten, es wird immer wieder von Vorn beginnen, doch sie kommen darüber hinweg. In einem Jahr macht er ihr dann einen Antrag und sie bekommen ein süßes Zwillingspärchen. Ich glaube viel eher, dass es genau so ablief.
Lena
***
9:46 Uhr
Betreff: Nachbarn im Allgemeinen!
Ha, Du hast ja keine Ahnung. Sicher liegt es daran, dass Du ihre Stimmen nicht hören kannst, doch ich glaube es ist ganz anders abgelaufen. Gestern hat sie ihm ein Geschenk kaufen wollen und griff zu ihrer Kreditkarte. Erst vor ein paar Wochen haben sie sich diese Dinger angeschafft, obwohl sie dagegen war, doch er hatte darauf bestanden. Tagelang hatte er auf sie eingeredet und letztlich hatte sie nachgegeben. Warum auch nicht, sie kann ihm doch vertrauen! Aber der Gute hat Kaufsucht (Siehst du, wie ich ganz gegen das gängige Klischee arbeite?) und war schon tief im Kontokorrent gesteckt, darum hatten sie die Karten auch über sie abgeschlossen. Doch was Frau Nachbarin nicht weiß, macht sie nicht heiß und naiv wie sie ist, hat sie nach sechs Monaten Beziehung eine gemeinsame Kreditkarte beantragt. Jetzt allerdings steht sie im Laden und weiß nicht, wie sie die Bauteile für sein Motorrad bezahlen soll. Sie ist schon immer etwas schüchtern gewesen und die anklagenden Blicke des Kassierers, der für ihren Geschmack zu viele Tattoos und Piercings hat, treiben ihr die Röte ins Gesicht. Aus Ermangelung eines besseren Plans und auch aus ihrer Unwissenheit heraus - Herbert könnte sie nie so hintergehen – bezahlt sie mit ihrer Scheckkarte und verlässt das Fachgeschäft. Auf dem Heimweg hat sie ihren Bankberater angerufen, der sie darüber in Kenntnis setzt, wie sehr sie in der Schuldenfalle stecken. All ihre Wünsche und Träume verrauchen und ihren Herbert kann sie ebenfalls nicht erreichen. Nun haben wir den nächsten Morgen und es ist nicht Herbert der in der Wohnung sitzt, sondern ihr Vater, der ihr immer wieder die selben Worte sagt: „Ich habe es dir gesagt, doch du wolltest nicht hören." Kurz überlegt sie, ob sie ihn aus ihren vier Wänden werfen soll, doch sie weiß es besser. Herbert wird nicht mehr zurückkommen und ihr Vater ist ihr nun der einzige Anker. Die Kreditkarte wird sie nie wieder verwenden und die Schulden stottert sie alleine ab.
Adam
***
10:05 Uhr
Betreff: Alter Miesmacher!
Du hast deinen Nachbarn doch nicht gerade ernsthaft Herbert getauft, oder? Schrecklich, wirklich! Im Grunde ist es ganz anders als du glaubst, ich kenne die beiden. Ein nettes Pärchen Namens Schmidt. Vor etwa sechs Jahren haben sie sich kennen und lieben gelernt. Es war Liebe auf den ersten Blick und sie haben beide ihre Karrieren an den Nagel gehängt, um beieinander sein zu können. Herr Schmidt ist mittlerweile Privatdetektiv, nun zumindest glaubt das Frau Schmidt, die angeblich Hausfrau ist. Kaum hat ihr Gatte das Haus verlassen, fährt sie ins Nahe gelegene Büro ihres CIA-Bosses. Das funktioniert schon seit Jahren, doch ihr nächster Auftrag führt die Beiden so nahe aneinander, dass sie sich beinahe gegenseitig töten. Was du über die hörst ist das Zornesbrüllen zweier Geheimagenten, die sich so sehr hassen, dass sie sich schon wieder lieben. Liebevoll blickt sie ihm in die Augen, als sie mit dem Messer von oben links nach unten rechts ausholt, ihn jedoch verfehlt. Er greift zu seiner Waffe und zielt auf ihr Gesicht, doch sie weicht aus, der Schuss verfehlt sie und nur ihr Trommelfell bekommt etwas vom eben Geschehenen ab. Nicht mehr lange und die Beiden erkennen im Kampf, wie attraktiv sie einander noch finden, obwohl es im Alltag beinahe in Vergessenheit geraten wäre. Gemeinsam kämpfen sie gegen ihre Agencies, die ihrer beider Tod fordern.
Lena
***
10:13 Uhr
Betreff: Ich kann es nicht glauben!
Hast du gerade ernsthaft „Mr. & Mrs. Smith" zu meinen Nachbarn erklärt? Du brauchst definitiv mehr Fantasie, Lena. Aber nun haben wir genug um den heißen Brei herum geredet, was ist los, warum bist du so Früh schon wach?
Adam
***
10:14 Uhr
Betreff:
Eric hat sich gestern Abend noch gemeldet und kommt in etwa 15 Minuten bei mir vorbei. Ich konnte die halbe Nacht nicht schlafen und habe einen dröhnenden Schädel auf. So wie ich mich fühle kann das gar nicht gut ausgehen.
Lena
***
10:15 Uhr
Betreff:
Mal nicht gleich den Teufel an die Wand, er wird in etwa 14 Minuten von selbst deine Wohnung betreten.
Adam
***
Betreff:
Du weißt, dass mir das kein Stück weiterhilft, oder?
Lena
***
10:17 Uhr
Betreff:
Ich mache mir einfach Sorgen um Dich.
Adam
***
10:18 Uhr
Betreff:
Am liebsten würde ich sagen „Das brauchst Du nicht!", aber es würde sich nicht richtig anfühlen. Danke, dass Du für mich da bist. Ich melde mich nachher wieder bei dir, jetzt brauche ich erst einmal einen starken Kaffee.
Lena

E-Mails von AdamWhere stories live. Discover now