XIV.

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Die See hatte sich längst beruhigt, als der Kapitän des Schiffs die Rumflasche in seiner Kajüte öffnete. Nur seine Gedanken, waren fern von Ruhe und Ordnung. Nicht nur das schlechte Gewissen beeinflusste seine Stimmung, sondern die Sorge und das Gefühl des Versagens. Noch nie war es ihm so schlecht ergangen als an diesem Tage. Wie er diese negativen Gedanken ignorierten konnte, wusste nur die Rumflasche die ihn fast schon von seinem Schrank aus anstarrte – das jedenfalls sagte er sich selbst, denn er war sich bewusst, dass es nicht genug Alkohol an Bord gab, der ihn von seinem denkenden Gehirn ablenken konnte.

Stellan Hainsworth war noch nie ein Mensch gewesen, der nur von positiver Energie umgeben war; oft hatten Selbstzweifel ihn in prekäre Situationen gebracht. Er handelte oft impulsiv, von seinen Gefühlen gesteuert. Die Arroganz und das hypokritisches Benehmen waren, wie so immer, eine Fassade gewesen um seine Unsicherheit und negative Gedanken zu verstecken. Und nun war es wieder so ein Tag gewesen, an dem das Grübeln ihm mehr zusetzte als sonst.

„Verdammt", murmelte er, bevor er die Flasche ergriff und hastig einen Schluck nahm, den Blick zum dem Fenster gerichtet hatte. Die Überlegung, was passiert wäre, wenn er nicht vor Jahren zur Marine gegangen wäre, prägte seine Gedanken immer mehr, so dass auch sein Gesicht seine Verzweiflung in Form einer tiefen Stirnfalte, zeigte.

Ein leichtes Klopfen, unterbrach seine tiefgründigen Gedanken, aber er antwortete nicht und wusste, dass es Gwendolina war, die ihm einen Bericht erstatten würde. Nicht mal einen Mucks gab er von sich, als das Quietschen der Tür die stille Atmosphäre störte.

„Captain?"

Es leichtes Murmeln deutete seine Antwort an und Gwen trat in den Raum hinein, mit dem vollen Bewusstsein, dass er nicht aufmerksam sein würde, wenn sie ihm etwas erzählen würde.

„Ich habe entschieden, die vier blinden Passagiere an Bord zu akzeptieren", teilte sie ihm mit und Stellan verzog keine Miene; er hatte auch nichts anderes von ihr erwartet. So kaltblütig war ihr Wesen nicht. Als er ihr einen kurzen Blick zuwarf, konnte er ein leichtes Grinsen in ihrem Gesicht erkennen, der Grund dafür war ihm jedoch fremd. Immer wenn sie ihm in dieser Stimmungslage begegnete, war sie besorgt und voller Eifer ihn wieder zum Lachen zu bringen. Trotz allem, blickte er wieder zu seiner Flasche und trank aus dem gläsernen Gefäß.

Sie berichtete ihm, warum sie entschied, die Passagiere in die Crew aufzunehmen; Er jedoch hörte nicht ganz zu, war von seiner eigenen nachdenklichen Laune abgelenkt. Er lehnte den Rum an seine Lippen um einen weiteren Schluck zu nehmen.

„Es wird sie wohl interessieren, dass ein gewisser Captain Edwin Hillsfield an Bord ist", sagte sie, und wollte kurz darauf ihn über Adelaide aufklären. Sie kam jedoch nicht dazu, als ihr Captain voller Schock den gesamten Inhalt seines Mundes ausspuckte.

„Was!?" Schrie er aufgebracht. „Was macht diese lahme Landratte auf meinem Schiff!?"

Gwen wollte ihn gerade beruhigen, da stürmte er auch schon los und knallte die Tür zu. Nach einigen Sekunden schlug er sie wieder auf. „Wo ist er?" fragte er, und empfand ein wenig Scham, da er den Raum verlassen hatte und wieder betreten musste, weil er nicht wusste, auf welchem Deck Hillsfield war. Die Handlung war impulsiv veranlagt gewesen.

„Kanonendeck", antwortete die Schwarzhaarige in einem leisen Ton, mit dem Wissen, dass man seine Meinung nicht mehr ändern konnte. Das Wort Sturkopf war seiner nicht würdig; bei dem Durchsetzungsvermögen. Gwen seufzte vor sich hin.

„Das wird noch eine Überraschung werden", murmelte sie und schüttelte ungläubig den Kopf.

Hainsworth wanderte nicht zum Kanonendeck – er marschierte mit lauten Schritten und wütender Miene zum besagten Deck. Jeder sollte wissen, dass der Captain unzufrieden war und dies strahlte er mit einer Präsenz aus, die sogar die Korallenriffe tief am Meeresgrund erzittern ließen.

Er war schneller da, als er es sich ausgerechnet hatte, und als er die Figur von Hillsfield in weiter Ferne wahrnahm, war dem wütenden Pirat auch nicht mehr zu helfen.

Hainsworth näherte sich ihm – der unwissende Kanonen Putzer hatte ihm den Rücken zugewendet – und Gabriella horchte auf, wusste aber sofort, dass der Piratenkapitän nicht weit von ihr stand. Seine Haare waren komplett zerzaust, sein Gesicht schnitt eine wütende Grimasse. Zudem waren seine Fäuste geballt. Die rote Farbe in seiner Visage konkurrierte fast schon mit Gabriellas Haarpracht.

„Was hat der den schlechtes gegessen", murmelte sie amüsiert und war trotzdem glücklich, dass der zornige Mann ihr leises Selbstgespräch nicht gehört hatte.

„Hillsfield", zischte der Pirat.

Gabriella spürte die negative Stimmung; Edwins Körper zuckte zusammen und die Schneiderin glaubte zu sehen, wie sich kleine Schweißtropfen auf seiner Stirn bildeten. Er erhob sich langsam, bevor er seinen Kopf zum Piratenkapitän drehte und sein Gesicht vollkommen erblasste.

„S-Stellan? W-Was? Wie –"

„Es heißt Captain!" verbesserte der Blonde ihn sofort und Gabriella wusste nicht ob sie belustigt sein sollte oder nicht. Einerseits fand sie den Captain sympathisch, da er – genauso wie sie –einen großen Hass gegen Edwin verspürte. Andererseits, war die Aura, die sie umgab, sehr düster.

„Ihr kennt euch . . . Wahnsinn", platzte es aus ihr heraus, „Du bist wirklich nirgends willkommen."

Edwins Miene wurde wieder ernster und er schoss Gabriella einen genervten Blick zu, ehe er sich wieder seinem alten Bekannten zuwandte. „Ich dachte . . . Wir dachten du seist tot."

„Falsch gedacht . . . Ich bin noch quick lebendig. Und du bist auf meinem Schiff", vermerkte Hainsworth, „Was zum Teufel machst du auf meinem verdammten Schiff!?"

Gabriella wusste immer noch nicht, wer der Captain war aber entschied sich die Stimmung nicht weiter kippen zu lassen. „Höllenfeld arbeitet für Sie. Sie wollten doch saubere Kanonen, oder nicht?"

Der Pirat öffnete seinen Mund und wollte etwas kommentieren (wahrscheinlich die Frage, warum sie auf die brillante Idee kam, ein Wortspiel aus dem Namen Edwins zu machen), als er sich zu Gabriella drehte und ihm plötzlich etwas einfiel, was ihn grinsen lies. „In der Tat . . . Er arbeitet für mich. Er steht unter meinem Kommando."

Die Grimasse, die Edwins Gesicht produziert hatte und die stolze – und rechthaberische – Haltung des Piraten ware zu viel des Guten. Gabriella lachte laut los, amüsiert von dieser komischer Situation. Dieser Piratenkapitän benahm sich in Hillsfields Gegenwart so, wie sie es tat.

Der lachende Rotschopf – deren Haare im Zopf ihre Gesichtskonturen nur noch mehr zur Geltung brachten – zog die gesamte Aufmerksamkeit auf sich und es war das erste Mal, dass sie so laut in der Öffentlichkeit ihre Heiterkeit zeigte. Viele kannten sie als lautstarke Person, die eher mürrisch und entnervt ihre Meinung preisgab. Ihre Belustigungen zeigte sie oft mit einem dreisten Lächeln. Aber diese Aktion ihrerseits, war offenherzig und Captain Hillsfield fragte sich, warum sie nicht öfters diese Seite zeigte. Ihr Lachen war unkontrolliert und sie schlug sich die Hände vor den Mund als sie merkte, dass sie anfing zu grunzen. Peinlich berührt, lief ihr Gesicht rot an während ihre Finger noch immer ihren Mund kaschierten.

„Was ist so lustig?" fragte Captain Hainsworth mit zusammen gezogenen Augenbrauen.

„Sie sind mir echt sympathisch", gab sie laut vor sich hin und Stellan verstand die Welt nicht mehr während Edwin seine rechte Hand gegen seine Stirn schlug.
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[A/N: So, beide Männer wissen nun voneinander >:D . Wollte mich nochmals für die Votes und Reads bedanken (über 2'000 reads und 222 votes O.O) und freue mich zu sehen, dass euch meine Geschichte gefällt :D]


Die Perle der SeeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt