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„Eigentlich kann ich mich an gar nicht mehr viel erinnern. Ich war mit meiner Mom und meinem Dad im Wald, weil sie mir irgendetwas zeigen wollten. Kurz vor unserem Ziel wurden meine Eltern unruhig und meine Mutter guckte sich die ganze Zeit nervös um und dann wurde ich von irgendwas im Rücken getroffen. Ich hörte meine Mutter schreien und wie das etwas von mir runter gerissen wurde. Sie sagte mir die ganze Zeit ich solle wegrennen, doch ich wollte nicht ohne sie gehen, also blieb ich dort, versteckte mich aber unter einem Busch in der Nähe. Ich konnte nichts tun. Es war so groß." Nervös zuckten seine Hände und Panik zeichnete sich in den Hellgrünen Augen ab. Mitleidig betrachtete Josh den kleineren, blieb jedoch still, da er nicht wusste, was er tun konnte. „Mama war tot, Papa auch, aber das Ding auch. Dann bin ich gerannt und an das nächste an was ich mich erinnern kann bist du." Er zitterte und Josh konnte sich nicht mehr beherrschen und zog den schmalen Jungen in eine Umarmung. Dieser versteifte sich erst, entspannte sich dann aber langsam und kuschelte sich zaghaft an den dunkelhaarigen, während es in Joshs Kopf ratterte. Kilian kam aus dem Wald, doch der nächste Wald war fast 20 Kilometer entfernt. Seine Eltern wurden ermordet und er musste alles mit ansehen. Er war alleine.

Nein, jetzt nicht mehr. Jetzt hatte er Josh, der sich in diesem Moment schwor für immer auf den kleinen Drachen aufzupassen und dafür zu sorgen, dass ihm nie wieder so etwas schreckliches widerfahren würde.

Wieder begann Josh leise zu summen und tatsächlich beruhigte diese Geste den zierlichen Jungen in seinen Armen, bis es diesem sogar ein zärtliches schnurren entlockte. Für einen Moment stoppte Josh, zu überrascht von der Geste, doch als Kilians Schnurren verstummte, setzte Josh sofort wieder ein und begann dem Jungen in seinen Armen gedankenverloren durch die Haare zu streichen.

„War.. war es deshalb? Also, weil du, naja dich, ähm du.." Kilian wusste erst nicht, was er meinte, verwandelte jedoch dann ein Ohr und sah ihn fragend an. Josh nickte und Kilian bejahte, woraufhin Josh den Jungen noch fester hielt. Es war merkwürdig zu sehen, wie nahe sich die beiden jetzt schon standen, nach nur den wenigen Stunden in denen sie einander kannten und wie offen sie bereits über persönliches sprachen. Sie schienen einander jetzt schon vollkommen zu vertrauen. Auch Kilian beschäftigte dieser Gedanke und immer wieder drifteten seine Gedanken unabsichtlich zu dem Gespräch mit seiner Mutter, vor ca. 2 Jahren, an dem Jahrestag seiner Eltern.

*Flashback*

„Mama, wie hast du gemerkt, dass Papa der richtige für dich ist?" Neugierig sitzt Kilian auf seinem Hocker in der spärlich eingerichteten Küche der Höhle, in der sie wohnten. Theresia, Kilians Mutter lächelt bei der Frage und schneidet weiter das Fleisch, während sie ihrem Sohn antwortet. „Weißt du, bei unserer Art ist die Liebe etwas ganz besonderes. Wenn du die Liebe deines Lebens gefunden hast, dann steht für einen Moment die Welt um euch still. Du vertraust der Person ohne sie zu kennen und die Berührungen die ihr teilt, strahlen eine ganz besondere Wärme aus. Du wirst es merken, wenn jemand deine Welt zum strahlen bringt, in Momenten in denen du es nie erwartet hättest, oder wenn sie dir Geborgenheit spendet in Zeiten größter Angst, nur alleine schon dadurch das sie bei dir ist. Dieser Mensch oder Drache, ist dein Schicksal und du bist seins." Verträumt sah Theresia auf das Messer in ihren Händen. „Und was ist wenn ich die Person gar nicht leiden kann?", rümpfte der Teenager die Nase und brachte so seine Mutter zum kichern. „Oh glaub mir, egal was du versuchst, du wirst sie Lieben lernen."

*Flashback ende*

Er hatte nie genau verstanden, was sie damit meinte. Liebe war für ihn nichts weiter als ein Wort ohne Bedeutung. Generell konnte er mit den meisten Sachen nichts anfangen. Er war in vollständiger Isolation aufgewachsen, kannte nur seine Eltern und die paar Tiere des Waldes, die nicht schon bei seinem Geruch abhauten. Also Würmer oder Schnecken um genau zu sein. Menschen würden nicht mit ihnen klar kommen, hatte man ihm erklärt. Das sie gefährlich waren und seine Vorfahren, die echten Drachen beinahe ausgerottet hatten. Warum die Menschen gefährlich sein sollten wusste er nicht, immerhin war er selbst zumindest zur Hälfte Mensch. Und Josh war ja offensichtlich auch ein Mensch und er schien jetzt nicht besonders angsteinflößend. Oder war das, weil er genau das für ihn fühlte, wie das was seine Mutter beschrieben hatte? Bestimmt nicht, er roch einfach nur gut. Ja, das wars, beschloss Kilian zufrieden und lauschte weiter der leisen Stimme Joshs, bis ihn ein lautes Klappern und Stimmen aufschreckte, die sich offenbar dem Zimmer näherten.

Sofort panisch, fing Kilian an sich aus der Umarmung zu zappeln und sich nervös nach einem Fluchtweg umzusehen. Auch wenn er Josh vertraute, hieß das nicht, dass er nicht immer noch Angst vor allen anderen hatte. Josh, der wusste, dass seine Eltern nach Hause gekommen waren und wohl nach den beiden sehen wollten, bemerkte die Panik des kleineren sofort und sprang auf und lief zu Tür. Hektisch streckte er den Kopf hinaus um direkt in die leicht erschrockenen Gesichter seiner Eltern zu sehen und schüttelte schnell den Kopf und gab seiner Mutter mit den Augen zu verstehen, dass es grade nicht vorteilhaft sein würde, wenn sie hinein kämen. Sie schien zu verstehen, was er meinte und hielt ihrem Mann schnell den Mund zu, als dieser fragen wollte, was los sei und zog ihn weg, nachdem sie Josh noch einen besorgten Blick zugeworfen hatte. Doch darum konnte sich dieser grade nicht kümmern, denn er war nur froh die kleine Katastrophe fürs erste abgewendet zu haben.

Als jedoch die Tür wieder geschlossen hatte und sich mit mehr oder weniger zufriedenem Gesichtsausdruck umgedreht hatte, war von dem kleinen Drachen keine Spur mehr zu sehen und eine leichte Panik stieg in Josh auf. Grade als er nach den jüngeren rufen wollte, sah er eine grüne Schwanzspitze hinter dem Nachtschrank hervorgucken und näherte sich diesem vorsichtig.

Als er nah genug war um hinter den Schrank zu sehen, konnte er sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Kilian saß mit den Händen vor den Augen und einem nervös schwingendem Drachenschweif in der kleinen Lücke zwischen Schrank und Wand und wenn Josh es nicht besser gewusst hätte, hätte er angenommen der kleine würde verstecken spielen. Ein Wunder, dass er bei seinem Talent überhaupt bis jetzt überlebt hatte. „Kleiner?" Zaghaft hockte sich der dunkelhaarige neben den blonden und beobachtete fasziniert wie dieser ein Ohr verwandelte und dieses in seine Richtung ausrichtete. „Möchtest du nicht rauskommen? Meine Eltern würden dich gerne kennen lernen." Schnell schüttelte Kilian den Kopf, die Augen immer noch hinter den Händen verborgen und die Knie an die Brust gezogen. „Du brauchst wirklich keine Angst zu haben, mein Vater hat dich ja auch gerettet und beide wissen mehr oder weniger was du bist. Sie würden dir nie was tun. Außerdem möchtest du doch bestimmt etwas essen oder?" Bei dem letzten Satz zuckte sein Schwanz aufgeregt und vorsichtig lugten die hellen Augen zwischen den schmalen Fingern hindurch. „Kekse?" Josh musste lachen und Kilian beobachtete ihn mit großen Augen dabei. Wie Josh lachte war schön, dachte er. „Natürlich bekommst du Kekse, wenn du welche möchtest. Aber erst musst du was richtiges essen, du bist viel zu dünn. Okay?" Auch wenn Kilian immer noch Angst vor den zwei Fremden hatte, überzeugte ihn das Argument mit den Keksen und die Tatsache das der brünette an seiner Seite war. Mit Josh fühlte er sich sicher. „Okay.", gab er also nach und kroch hinter dem Schrank hervor. Dabei wirbelte er eine kleine Staubwolke auf und musste wieder niesen.

Josh lächelte den anbetungswürdigen Jungen warm an, als er sich ebenfalls erhob und nahm seine Hand in die eigene. Kilian sah ihn verwundert an, drückte Joshs Finger aber nur fest, als der größere ihn sanft zur Tür zog. Seine Ohren, sowie sein Schwanz waren wieder verschwunden, stattdessen wurden seine Augen vor Aufregung sogar noch einen Tick heller und mit einem aufmunterndem Blick von dem älteren, folgte er Josh in den Raum, der offenbar die Küche war. „Mom, Dad, darf ich vorstellen? Das ist Kilian."

With Dragon eyes (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt