Nigal-die letzte ~ Johan

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Ich war immer noch verwirrt. Cady und ich? Was war das jetzt? Waren wir jetzt zusammen, oder was? Das änderte sich auch nicht, als ich wieder zu Hause war, zumal ich eh niemanden hatte mit dem ich darüber reden könnte oder wollte. Zum Glück lenkte mich meine Mutter von dieser Frage ab.

"Johan?" ich hörte ihre Schritte unten im Flur. "Ja" rief ich und hoffte inständig nicht nach unten kommen zu müssen. "Kommst du runter?" ein komisches Gefühl überkam mich und ich stand etwas wieder willig auf. Mit schnellen Schritten hastete ich die Treppe runter und versuchte gleichzeitig heraus zu finden in welchem der Räume sie sich befand. Ich war etwas irritiert, dass sie im Flur stand und weder Jacke noch Schuhe ausgezogen hatte. Das beunruhigende Gefühl in mir wurde immer stärker. "Nigal geht es nicht gut" kam sie direkt auf den Punkt und ich verstand sofort. Der Wallach war inzwischen fast 28 Jahre alt und war eine lange Zeit im Leistungssport unterwegs. Auch ich bin mehrer Jahre mit dem Erfolgspferd meines Vaters im Parcours unterwegs gewesen, bis der Schimmel in seine wohlverdiente Rente ging. Ich schnappte mir meine Jacke und schlüpfte in meine schon etwas ausgetretenen Vans.

Mama und ich kamen auf den Hof auf dem Nigal seit nun fast vier Jahren steht. Die Bäuerin kam uns schon entgegen "Nigal steht schon im Stall. Ole ist auch schon bei ihm" meinte sie im vorbeigehen und ihr Stimme klang irgendwie etwas bedrückt. Meine Mutter nickte nur kurz und ging, dann in den Stall, der eigentlich nur aus drei Boxen und einem großen Heulager bestand, da die Pferde, sofern sie nicht krank waren 24/7 im Offenstall, standen.

Noch stand der Schimmel Wallach und mein Vater stand noch vor der Box. Es war still im Stall und irgendwie auch bedrückend. Man hörte nur Nigal's müdes Schnauben und unsere Schritte über den matt grauen Betonboden. Er war wohl auch noch nicht lang da, denn als wir rein kamen begrüßte er den Wallach gerade "Hej min vän" der Wallach spitzte sofort die Ohren, als er den vertrauten Klang seiner Stimme hörte und brummelte leicht zur Begrüßung. Mama und ich sagten erst kein Wort, aber dann fing ich an für Mama zu übersetzten "Ich habe gehört du frisst nicht mehr. Du siehst auch gar nicht gut aus." übersetzte ich für meine Mutter, das was mein Vater sagte, als er zu dem Wallach in die Box ging. Nigal war wirklich dünn geworden und sah inzwischen ziemlich alt aus. Die Sattellage war etwas eingefallen und das gehen schien ihm schwer zu fallen. Es war traurig diesen einst so erhabenen und stolzen Wallach so zu sehen. Mein Vater fuhr ihm über den Nasenrücken "Kommer du ihåg på vår första internationella turnering?Utan dig hade jag gjort inte" ein Lächeln flog über seine Lippen. "Weißt du noch auf unserem ersten internationalen Turnier? Ohne dich hätte ich das nicht geschafft" übersetzte ich wieder und Mama musste schlucken. Sie presste ihr Lippen fest aufeinander. Ich habe schon viele alte Pferde gesehen, jedoch schien Nigal nun wirklich am Ende seines Lebens zu stehen.

Besonders schlimm wurde es eine halbe Stunde später, der Schimmel legte sich hin. Er stöhnte, als er in die Knie ging. Man spürte wie die Stimmung im Stall immer schlechter wurde. Mama hatte mich inzwischen in den Arm genommen. Nigal hatte uns alle eine mega lange Zeit begleitet und war mit allen von uns durch die verschiedensten höhen und tiefen gegangen. Papa war neben ihm in die Knie gegangen und redete leise auf ihn ein. Man hörte immer wieder das rascheln des Strohs unter den Atemstößen des Wallachs. Es erzeugte keine wirklich angenehme Atmosphäre. Es war beklemmend und einfach nur traurig. Irgendwann legte sich der Wallach komplett hin, wobei er den Kopf in die Arme meines Vaters legte, der inzwischen bei dem Hannoveraner im Stroh saß. Das Atmen schien ihm langsam schwerer zu fallen und er atmete immer flacher, bis sich seine Augen schlossen und die Glieder immer schlaffer wurden. Ich konnte es in dem Moment noch nicht wirklich fassen. Ein Familienmitglied, langjähriger Wegbegleiter und Wegbereiter war von uns gegangen. Papa atmete tief durch "Farväl min käre ". Ich musste schlucken bevor ich es Mama übersetzten konnte "Leb wohl mein Lieber" flüsterte ich und der Kloß im meinem Hals wurde immer größer. Mama flossen, inzwischen Tränen die Wangen runter. Wir standen immer noch Arm in Arm vor dieser Box und auch mir war zum heulen zumute.



Ein paar Tage später war sowas wie ein Nachruf in der Fachpresse zu lesen:

"Farväl Nigal

Oder so ähnlich musste sich am Freitag der Schwedische Nationalreiter Ole N. Sjögren von seinem Hannoveraner Wallach Nigal verabschieden. Der Wallach hat den Schweden über 10 Jahre in seiner Entwicklung vom Nachwuchsspringreiter in den internationalen Spitzensport begleitet. Sjögren hat mit den Wallach seine ersten großen internationalen Erfolge zu verbuchen gehabt und ist mit ihm das erste mal unter schwedischer Flagge geritten. Auch sein Sohn Johan J. Sjögren (17) hat auf Nigal über drei Jahre Erfahrungen sammeln dürfen. Auf Nachfrage sagte Ole Sjögren, dass Nigal mehr als ein Pferd gewesen ist und er sich keinen besseren Sportpartner und Freund hätte wünschen können. Der Schimmel hat immer alles gegeben bis zum Zieleinlauf egal ob im Grand Prix Springen oder im L Springen unter Johan Sjögren. Nigal hat immer auf seine Reiter acht gegeben und für jede Platzierung gekämpft. Nach eigene Angaben ist der Wallach im Alter von 28 in Beisein seiner Besitzer an Altersschwäche verstorben, laut einem Social Media post von Johan wird Nigal von allen sehr vermisst werden. Wir wünschen ihnen alles Gute und Nigal, dass er im Himmel seinen Platz gefunden hat"

Jag älskar dig~ Zurück zu dirWhere stories live. Discover now