Aus der Freiheit entrissen

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Ich glaube, ich sehe nicht richtig. Das hier sind Nazis. Waschechte Nazis. Zumindest wüsste ich keinen Grund warum ein normaler Mensch so herumlaufen würde. Meine Blicke schweifen zu dem Mann vor mir, der uns abschätzig betrachtet ohne die Waffe sinken zu lassen.
„Sie tragen keine Davidsterne, Herr Obersturmbannführer", meldet einer seiner sogenannten „Kameraden", der also augenscheinlich einen niedrigeren Rang innehat.
„Wie? Was? Stern? Wasn' für Stern?" Irenka sieht den eben genannten Obersturmbannführer mit völlig verdatterten Blick an. „Wer soll det sein, dieser David?"
„Nein, ich sagte doch schon, wir sind gewiss keine Juden", versuche ich die Situation vergeblich zu retten. Irenka ist mir da keine große Hilfe. Vielmehr verschlimmert sie unsere Lage noch um einiges.
„Was treibt ihr dann hier?" Die Stimme des Obersturmbannführers ist schneidend kalt. Mit diesem Mann ist nicht gut zu verhandeln, das merke ich sofort. Wie also komme ich aus dieser unangenehmen Situation wieder heil heraus?
Im nächsten Moment komme ich mir bereits dumm vor. Das kann doch alles gar nicht wahr sein. Nazis! Hier im Jahr 2016! Oder...sind wir vielleicht gar nicht? Sind wir möglicherweise wirklich...
Nein! Das kann einfach nicht wahr sein!
„Zeigt mir mal eure Ausweise", sagt der Anführer der Gruppe.
„Welche Ausweise? Isch hab nur Gutschein von die Dönerbude", Irenka sieht verzweifelt aus und weiß nicht was sie sagen soll, aber sie sollte wirklich besser ihren Mund halten.
„Döner...Bude? Was?" fragt einer der Soldaten verdutzt. „Herr Obersturmbannführer, ich glaube ich verstehe den Dialekt dieser Mädchen nicht. Vielleicht sind es ja Ausländer?"
„Wir sind weder Ausländer, noch Juden, noch Verbrecher! Als würden Sie so freundlich sein und uns verdammt noch mal endlich gehen lassen?!" Ja, langsam riss mein letzter Geduldsfaden. Was sollte dieser ganze Zirkus eigentlich?
„Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte...?", setzt einer der Männer, der sich bis jetzt im Hintergrund gehalten hat, an.
„Nein, Sie dürfen jetzt die Klappe halten", herrsche ich ihn an, woraufhin er überraschenderweise sogar verstummt und sich langsam zurückzieht. „Ich möchte jetzt sofort, auf der Stelle wissen, was hier vor sich geht!" Ja, mir reicht dieses Theater mittlerweile gehörig. Zugebenermaßen übertreibe ich vielleicht ein kleines Bisschen, aber da ich von meiner Zeitreise-Theorie nichts halte, ist es wohl besser, wenn ich so schnell wie möglich herausfinde, was hier los ist. Und das tue ich auf meine altbewährte Methode: Mit Berliner Direktheit.
Die Augenbrauen des blonden Mannes heben sich etwas, ehe er den Kopf schüttelt. Er scheint wohl nicht zu wissen, wie man in so einer Situation am besten reagiert. „Am einfachsten wird es wohl sein, euch zwei einfach mitzunehmen. In meinem Büro können wir uns weiter...unterhalten."
In seinen Worten schwingt eine unterschwellige Drohung mit, die ich lieber einfach überhöre. Stattdessen versuche ich mir darüber ins Klare zu kommen, was das nun eigentlich bedeutet. In sein Büro? War das ein Scherz?
Aber wir müssen bald feststellen, dass es kein Scherz ist. Ganz im Gegenteil. Denn angeführt von dem blonden Mann bringen uns seine „Kammeraden" hinaus aus dem Bunker. Draußen wartet die nächste Überraschung. Das erste was auffällt, sind die Flaggen. Ja ihr habt verstanden. Flaggen. In Rot mit 'nem weißen Kreis und in der Mitte ein schwarzes Hakenkreuz. Ich traue meinen Augen nicht! Wie ist das nur möglich? Die Umgebung habe ich aber ein bisschen anders in Erinnerung!
„Ey, Ell...Wasn das für Flaggn? Kenn ick ja garnet. Sin aber hübsche Farben...Würd isch auch in mein Zimmer hängen, so voll geil an Wand ey", dabei deutet sie mit wild in der Gegend herum und grinst bescheuert. So langsam beginne ich daran zu zweifeln, dass wir noch immer im Jahr 2016 sind. Und Irenka....Ja sie geht mir mittlerweile extrem auf die Nerven. Von der Obersturmbannpfeife werden wir zu einem Auto gebracht. Ein VW, wie ich merke.
„Isch schwör, ick kenn mich ja ned aus mit Autos, aber dis isch goil", sie deutet dramatisch auf den altmodischen VW. Leider habe ich genau so wenig Ahnung von Autos wie sie. Wir werden mehr oder weniger gezwungen in den Wagen einzusteigen, wobei ich mir elegant, wie eh und je den Kopf stoße.
Während der Gott sei Dank, nur sehr kurzen Fahrt, betrachte ich durch das Fenster mein neues Umfeld. So habe ich Berlin aber nicht in Erinnerung. Vor einem stattlichen Gebäude, das von einigen Hakenkreuzfahnen geschmückt wird, hält der Wagen. Wir werden schwungvoll aus dem Wagen gezerrt. „Obersturmbannführer Blitz, zu wem bringen wir die zwei reizenden...Damen eigentlich?" spricht einer der SS-Männer, dem zuvor von mir der Mund verboten worden ist. Der Obersturmbannführer blickt in die Leere. „In mein Büro", schlagartig dreht er sich zu dem Soldaten und schreit ihn an „Aber schnell, wenn ich bitten darf." Alter...der hat ärgere Stimmungsschwankungen wie Irenka...Und das soll was heißen! Somit werden wir die Treppe zu dem imposanten Gebäude hinaufgeführt, wobei ich befürchte hinzufallen.

***

Wir schreiten einen langen Gang entlang, bis wir zu einer dunklen Holztür kommen. „Adolf....Heil? Wer isn das?" Irenka sieht verwundert auf das eiserne Schild, das neben der Tür hängt.
„Das meine Liebe ist der Standartenführer der SS" sagt der Blonde mit genervtem Ton.
„Was....Wasn des Standard Führer?" Irenka ist sichtlich...überfordert? Nein Verwirrt.
„ALSO...Ein Standartenführer ist der zweithöchste Offiziersrang der Schutzstaffel und steht somit über dem Obersturmbannführer. Außerdem ist er für die kommandierenden Offiziere der SS-Standarten vorgesehen. Und er befehligt 1000 bis 3000 Mann" ich muss mein Wissen natürlich teilen, immerhin, wenn ich schon einmal etwas weiß... Irenka, der Obersturmbannführer und seine Gehilfen sehen mich erstaunt an, das haben sie jetzt nicht erwartet. Ja auch aus meinem Mund kann einmal etwas intelligentes kommen.
„Sie wissen also nicht, wer wir sind, aber Sie wissen was ein Standartenführer ist? Ich denke, dass wir uns gründlich drüber unterhalten werden" ein Lächeln legt sich auf seine Lippen, er wirkt beunruhigend.
„Mich würde außerdem interessieren, warum zwei Mädchen so seltsam, jungenhaft gekleidet sind"
Er klopft an die Tür. Ein strenges „Herein" ertönt. Er deutet den beiden Soldaten, dass sie uns erneut festhalten sollen.
Der Obersturmbannführer, der wie ich gemerkt habe, Blitz heißt, öffnet langsam die Tür. Ich werfe einen Blick in den Raum. Leicht abgedunkelt, weiße Wände, einige Hakenkreuze hier und da, und Möbel aus dunklem Holz.
Hinter dem Schreibtisch sitzt ein Mann, welchen ich nicht älter als 30 schätzen würde, die hellbraunen, beinahe blonden Haare streng zurückgekämmt und Augen wie Eis, blau, kalt und gefühlslos.

Die Männer sehen sich mit strengem Blick an, bis sie alle ihren rechten Arm heben und „Heil Hitler" rufen.... WAS?!

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Ich freue mich immer wieder über Kommentare oder sonstiges
Ihr könnt auch gerne mal einige Ideen einbringen
Falls es mit der erzähl Zeit einige Fehler gibt...In der Gegenwart zu schreiben ist nicht so toll :D

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