Seine eiskalte Hand legte sich um ihren Hals. Der Hexenkönig von Angmar hob Eowyn vom Boden auf. „Du Narr. Kein Mann vermag mich zu töten." Sie zitterte am ganzen Körper. Sollte das ihr Ende sein? Nein. Sie war noch zu jung zum sterben. Er würde sterben. Eine wilde Entschlossenheit packte sie und gab ihr neue Kraft. Ohne zu zögern nutzte sie die Gelegenheit, als Merry dem Ringgeist aus dem Hinterhalt ins Bein stach und riss sich los. Stolz nahm Eowyn den Helm ab. „Ich bin kein Mann." Mit einem lauten Schrei stieß sie dem Feind ihre Klinge mitten in sein leeres Gesicht. Der kreischende Nazgul löste sich in Luft auf. Eowyn und Merry krümmten sich unter den Schmerzen des Morgulfluchs und blieben im Dreck liegen. Der Anführer der Orks kam bald darauf mit erhobenem Schwert in ihre Richtung und wollte die blonde Frau erschlagen. Jemand hatte ihm einen Arm abgehackt, deshalb war er etwas langsam, was seinem Opfer zu Gute kam, da einer der Krieger die Bestie erlegte, bevor sie Eowyn erreichen konnte. Diese merkte auch gleich, wer ihr mutiger Lebensretter war: Die einzige andere Frau auf diesem Schlachtfeld. Jane. Mit all dem Blut und dem Staub im Gesicht und an den Kleidern sah sie längst nicht mehr so bezaubernd aus, wie neulich auf dem Fest, doch immer noch ziemlich attraktiv. Und sie schien keine Furcht zu kennen. Im Gegenteil, das Mädchen machte fast den Eindruck, als hätte sie Spaß am Kämpfen. Und das hatte sie auch. Mit einem fiesen Grinsen auf den Lippen tötete die Elbin, was das Zeug hielt und entfernte sich dabei, ohne es mitzukriegen, immer weiter von ihren Freunden.

„Legolas!" Der Waldläufer zeigte auf einen herannahenden Olifanten. „Der ist für dich!" Der Elb nickte. Dann legte er wieder einmal einer seiner spektakulären Shows hin. Mit Anlauf sprang er auf einen der Stoßzähne, hangelte sich am Seil des Sitzes hoch, erschoss die beiden Reiter mit nur einem Pfeil, kletterte vor auf den Kopf des Tieres, jagte ihm einen Dolch durch die Schädeldecke ins Gehirn und rutschte zu guter letzt über den Rüssel wieder runter auf den Boden, wo er ohne auch nur ein kleines bisschen zu schwanken stehen blieb. Gimli war baff. „Der zählt trotzdem nur als einer!" Ihr berühmtes Spiel ging weiter.

Aragorn erschlug noch einen, zwei, drei Orks, dann schaute er sich um. Das Schlachtfeld war leergeräumt. Die paar Feinde, die noch am Leben waren, knöpften sich die Toten vor. Und seine Freunde? Da waren Legolas, Gimli und... das durfte doch nicht wahr sein! Wo war die Elbin schon wieder? „Aragorn!" Da war sie. So schnell sie konnte, bahnte sich Jane durch tausende von Leichen einen Weg zu ihm. „Dairen!" Die wenigen Umstehenden starrten alle erstaunt auf die Elbenprinzessin. „Musste das jetzt sein?" „'Tschuldige. Oh Gott, ich bin so froh dich zu sehn!" Er nahm sie in die Arme und drückte sie fest an sich. „Was dachtest du ich erst? Wenn unter den vielen Toten du irgendwo gelegen hättest..." Ihre Stimme brach ab. „Alles gut mein Schatz. Meine Liebste, mein Ein und Alles. Ich liebe dich." „Ich dich auch."

Ehrfürchtig schritten Gandalf und Pippin durch den Nebel, der inzwischen aufgezogen war. Vor ihnen standen die beiden Elben, Gimli und der Waldläufer, welcher gerade mit dem König der Toten sprach. „Lasst uns frei.", bat der Geist. „Lieber nicht", riet der Zwerg, „Wenns drauf ankommt, sind sie gar nicht übel, die Kerle, auch wenn sie eigentlich tot sind." „Ihr habt uns Euer Wort gegeben." Aragorn nickte. „Ich sehe euren Eid als erfüllt an. Geht. Findet Ruhe." Mit einem erleichterten Seufzen lehnte sich der König des nun vom Fluch befreiten Volkes zurück und löste sich allmählich auf, die grüne Substanz wurde vom Winde verweht. Seine Männer folgten ihm. Der Waldläufer wandte sich zum Zauberer um, der sich vor dem König von Gondor verneigte.

„Neeeiiin!" Éomer hatte soeben seine Schwester entdeckt, die reglos am Boden lag. Er stürzte zu ihr hin und hob sie auf. Tränen strömten ihm in Bächen die Wangen hinunter. Daneben lag Theoden, tot. Jane und Aragorn, die die Szene beobachtet hatten, begruben zuerst den toten König und folgten Éomer dann in die Heilenden Häuser. Sie knieten sich vor dem Bett der jungen Frau nieder. „Soll ich..? Oder willst du..?" Fragend sah das Mädchen ihren Geliebten an. „Mach du, deine Heilkräfte sind um einiges mächtiger als meine." Die Elbenprinzessin legte ihre Hände über Eowyn, solange, bis diese wieder ihre Augen aufschlug und krächzte: „Nun habt Ihr mir heute schon zum zweiten Mal das Leben gerettet. Wie kann ich Euch nur danken?" „Danken? Ihr habt den Hexenkönig von Angmar getötet, Eowyn, Heldin, Ihr müsst niemandem danken."

Jane verbrachte den Rest des Tages damit, in den Heilenden Häusern von Bett zu Bett zu huschen und Verwundete zu heilen. Kein anderer hier hatte so mächtige Kräfte wie sie. Auch an Faramirs Lager kam sie vorbei und freundete sich mit dem jungen Mann an, während sie sich um seine Verletzungen kümmerte. Wie sich herausstellte, war der Sohn des Denethors an Eowyn interessiert und auch sie schaute einige Male heimlich zu ihm herüber. „Vielleicht findet die Arme endlich jemanden, der ihr hilft, Aragorn zu vergessen.", überlegte die Elbin.

Die Dunkelheit war bereits über das Land hereingebrochen, als Jane von hinten an der Schulter gefasst wurde. „Du hast genug getan für heute. Lass mich hier weitermachen. Du musst dich ausruhen." Aragorn sah sie flehend an, in der einen Hand eine Tasse Tee, in der anderen eine Decke. „Aber es gibt noch so viel zu tun, so viele Leben, die ich vor dem Tod bewahren könnte." „Du kannst viel mehr Leben vor dem Tod bewahren, wenn du ausgeruht bist und Sauron besiegst, dann rettest du nämlich gleich ganz Mittelerde." „Warum seid ihr euch eigentlich alle so sicher, dass ich es schaffen werde, Sauron zu töten?" Das klang verzweifelter, als sie beabsichtigt hatte. Er stieß die Luft aus und stellte die Tasse ab, legte ihr die Decke um die Schultern, nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und flüsterte: „Weil wir an dich glauben. Weil wir wissen, dass du es schaffen kannst. Du bist stark, Dairen, stärker als du denkst." „Dann sollst du dich aber auch schlafen legen. Nicht nur ich muss kämpfen." Er gab nach. „Also gut." Sie gingen die Treppen hoch und landeten im Palast. Müde zog Aragorn die Elbin in ein Gästezimmer und legte sich neben sie ins Bett. „Ich liebe dich", murmelte er, bevor er ganz einnickte.

Wie der Waldläufer am nächsten Morgen mit den ersten Sonnenstrahlen erwachte, lag da, wo gestern noch das Mädchen geschlafen hatte, nur ein sauber zusammengefalteter Brief. Er ahnte nichts Gutes, als er den Umschlag öffnete und das Schriftstück herausnahm.

Mein geliebter König (hoffentlich darf ich dich jetzt endlich so nennen),

Gandalf hat mir verraten, dass die finale Schlacht vermutlich am Fuße des Schicksalsberges stattfinden wird, genau so, wie damals. Ich bin losgeritten, um Verstärkung zu holen. Meine Eltern haben im Laufe der Jahre eine Armee aus Elbenkriegern aufgestellt, die Ursprünglich zur Verteidigung des Düsterwalds dienen sollte. Dieses Heer werde ich mir nun wohl ausleihen müssen. Ich werde so bald wie möglich wieder zu euch stoßen. Pass in der Zwischenzeit auf dich auf.

Ich liebe dich

Dairen

Fassungslos senkte er das Blatt Papier. Und stürmte im nächsten Moment aus dem Zimmer.


Herr der Ringe - Die Tochter des SchattensWhere stories live. Discover now