Wer seid Ihr?

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Die verhüllte Gestalt ließ die verblüfften Männer einfach stehen und wollte sich schon zu Frodo hinunter beugen, da fasste sich Streicher wieder und packte sie an der Hand. Es war keine breite Männerpranke, sondern eine kleine, zierliche Hand, in der allerdings ziemlich viel Kraft lag. Der Unbekannte war also tatsächlich eine Frau. „Woher soll ich wissen, dass wir Euch trauen können?" „Das könnt Ihr nicht wissen, aber ich habe euch schon zur Seite gestanden und euer Freund wird sterben, wenn ihm nicht sofort geholfen wird." Die Antwort kam fast schon schnippisch. Streicher ließ die Hand los, bloß um die seine im nächsten Moment nach oben schnellen zu lassen und ihre Kapuze wegschieben zu können. Eine kastanienbraune Haarpracht fiel in weichen Wellen über ihre Schultern. Waldseegrüne Augen sahen ihn giftig an. „Was fällt Euch ein?" Sie wollte noch etwas sagen, da entfuhr dem tödlich verletzten Hobbit ein schmerzerfülltes Stöhnen und sie richtete ihre Aufmerksamkeit nun an die wichtigeren Dinge.

„Ich habe zwar keine ausreichend starke Arznei bei mir, die ihn vollständig heilen könnte, doch ich kann ihn, auf Eure Erlaubnis hin, in eine Art Tiefschlaf versetzen, der ihn fürs Erste vor dem sicheren Tod bewahren würde. Dann müssten wir ihn zur Heilung nach Bruchtal bringen. Ihr wolltet doch sowieso dort hin, oder?" Fragend sah sie Streicher in die Augen. Alle Wut von vorhin war aus ihrem Gesicht verschwunden, was sie noch schöner als ohnehin schon machte. Ihre weichen Lippen, die kleine Stupsnase und diese glänzenden Augen, in denen man sooo schön versinken konnte...

„Oder?", riss sie ihn aus seinen Träumen. „Ja, wollten wir. Macht bitte das mit dem Schlaf, bevor es zu spät ist." Was war eben bloß mit ihm los? Wie konnte er sich von einer einfachen Elbin nur so verzaubern lassen? Na gut, sie konnte kämpfen, wie der Teufel und sah dabei auch noch verdammt gut aus, aber er hatte doch Arwen, die er liebte. Plötzlich war Streicher sich da gar nicht mehr so sicher. Diese Elbin hatte irgendetwas in ihm in Gange gebracht.

Nachdem sie Frodo in einen magischen Tiefschlaf versetzt hatte, erhob sich die junge Frau wieder und ging auf Streicher zu. „Ihr solltet euch nun auf den Weg machen. Ich weiß nicht, wie lang der Zauber anhalten wird und wenn er erst einmal erwacht ist, wird der Hobbit es vermutlich nicht mehr lange machen." „Was wird aus Euch?", erkundigte sich der Waldläufer neugierig. „Ich muss selbst nach Bruchtal und würde euch gerne begleiten, vorausgesetzt natürlich, ich störe nicht." „Nein, es wäre mir sogar eine Ehre, von unsrer treuen Retterin begleitet zu werden." Die Elbin grinste und schwang sich auf ihr Pferd, das soeben aus den Büschen galoppiert kam. Es handelte sich hierbei um einen rabenschwarzen Hengst, der ziemlich wild zu sein schien. Streicher half den Hobbits, Frodo auf sein eigenes Pferd zu hieven und führte dieses nun an den Zügeln neben ihr her. „Wärt Ihr so gütig, mir Euren Namen zu nennen?" „Wozu? Was bringt es Euch, ihn zu kennen? Ihr könnt mich genauso gut nennen, wie es Euch beliebt." „Scheut Ihr davor, mir Euren Namen zu verraten?" „Nein, eigentlich nicht, es ist nur so, dass mein Ruf nicht gerade der beste ist." „Keine Angst, ich beurteile Menschen nicht nach dem, was andere über sie erzählen." „Na gut. Ich bin Jane. Jane Black." „Die Elbenprinzessin von Düsterwald", murmelte Streicher und wollte sich schon vor ihr verbeugen, da hielt sie ihn zurück. „Ihr verbeugt Euch vor niemandem, Aragorn, Sohn Arathorns, rechtmäßiger König Gondors." „Ihr wisst, wer ich bin?" Aragorn war verblüfft. „Natürlich weiß ich, wer Ihr seid. Jeder weiß das, nur geben es die wenigsten zu, weil sie Euch fürchten." „Sie fürchten mich?" „Ihr seid ein Waldläufer. Ein Dúnedain. Ein Mensch aus dem Norden. Kaltherzig und gefährlich. Das sagen sie jedenfalls über Euch." „Und Ihr seid eine Teufelsbrut. Wild, unzähmbar und unbesiegbar. Der Hölle selbst entsprungen und schon einige Male den dunklen Mächten verfallen. Das ist, was über Euch gemunkelt wird.", konterte er. „Tja, dann sind wir mal froh, dass wir offensichtlich beide nicht besonders viel von Gerüchten halten." 

Herr der Ringe - Die Tochter des SchattensWhere stories live. Discover now