Doppelter Sieg

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Oben auf dem Hügel stellte der Zauberer nüchtern fest: „Theoden steht allein." „Nicht ganz", meinte eine Stimme hinter ihm. „Éomer!" Der König war mehr als nur begeistert davon, seinen Neffen wiederzusehen. Der rief laut und deutlich nach seinen Kriegern, den Rohirrim. Hinter Gandalf erschien eine ganze Horde bewaffneter Reiter, alle bereit, für den König zu kämpfen. Mit dem Zauberer an der Spitze zogen sie in die Schlacht. Gandalfs weißes Leuchten blendete die Orks in den ersten Reihen und setzte sie somit außer Gefecht. Schon nach fünf Minuten war der Rest der Uruk-Hais in die Flucht geschlagen. Rohan hatte gesiegt. Das Unfassbare war geschehen. Dank des Zauberers.

Die fünf Gefährten waren nun wieder vereint. Zusammen ritten sie in Richtung Fangorn-Wald, in welchen die Uruks verschwunden waren und beobachteten voller Schadenfreude, wie sich die Bäume des magischen Waldes auf die Eindringlinge stürzten und sie fertigmachten. Gandalf schaute, als das Spiel zu Ende war, zu seiner Rechten, wo eine sehr zufrieden wirkende Jane auf ihrem Pferd saß, daneben ein ebenso zufriedener Aragorn, der die Hand des Mädchens in seine genommen hatte und dann zu seiner Linken, auf der Legolas und Gimli sich, wie schon so oft, zankten. Er legte der Elbin einen Arm um die Schulter. „Ihr habt euch tapfer geschlagen. Ohne euch vieren hätte Theoden niemals bis zu meinem Kommen durchgehalten. Ich bin sehr stolz auf euch." Anschließend wandte er sich noch an den Waldläufer: „Und danke, dass du so gut auf unsere Teufelin aufgepasst hast." „Nein, Gandalf, aller Dank gebührt dir. Du hast Rohan gerettet. Ganz nebenbei hat eher Jane auf mich aufgepasst als umgekehrt." „In dem Punkt musst du Legolas danken. Er hat mich vor dem Tod bewahrt." „Jane, bitte, du hättest dasselbe für mich getan." „Jetzt reicht's aber. Jeder hat hier seinen Teil beigesteuert. Genug gedankt." Nach Gimlis Nervenzusammenbruch fingen alle fünf an zu lachen und ritten darauf gen Osten, nach Isengard. Zwei junge Hobbits erwarteten sie dort.

Merry und Pippin saßen auf der abgebröckelten Festungsmauer, tranken Bier und rauchten Pfeife. Mit Hilfe von Baumbart und den anderen Ents war es ihnen gelungen, Sarumans Burg vollkommen zu zerstören. Nun war der einstige Freund Gandalfs, jetzt aber Feind, in seinen Turm gesperrt.

Die Freude des Wiedersehens war groß. Zwar regte sich der Zwerg darüber auf, dass sie halb Mittelerde nach ihnen absuchten und die Hobbits hier saßen und schmausten, doch war dies keineswegs böse gemeint. Lachend fielen die kleinen Halblinge den anderen fünf Gefährten in die Arme und führten die dann zu Baumbart, dem Anführer der Ents. Jener überließ die Sache mit Saruman lieber einem Zauberer und machte den Freunden Platz. „Zeig dich gefälligst!", murmelte Aragorn in Richtung Turm. Noch war der Feind nirgends zu sehen. „Sei vorsichtig", warnte ihn Gandalf. „Sogar in der Niederlage ist Saruman gefährlich." „Holen wir uns seinen Kopf, dann ist endlich Ruhe.", meinte Gimli auf dem Pferd hinter Legolas unbeeindruckt. „Nein! Wir brauchen ihn lebendig. Wir müssen ihn zum Reden bringen." „Hallo, meine lieben Freunde!" Saruman erschien oben an der Spitze des Turms. „Oh, wie ich sehe, habt ihr mir etwas mitgebracht. Jane, meine liebe Jane, wie lange ist es her? Es mag erstaunlich klingen, aber du bist schon wieder hübscher geworden." „Halt die Klappe, Saruman." Sie konnte ihn noch nie besonders leiden. „Und schnippischer auch, wie ich höre. Selten traf ich ein so stures Weib wie dich. Ich mag Frauen mit Durchsetzungsvermögen, weißt du?" „Lass sie in Frieden!" Schützend stellte sich der Waldläufer vor die Elbin. „Ach wie süß, was haben wir denn da? Wolltest du mir etwa deinen Liebhaber vorstellen, damit ich ihn gleich vernichten kann, Kind? Ich hatte dich gar nicht so zuvorkommend in Erinnerung, Liebes." „Halt deine verdammte Klappe, du alter..." „Na na, wer wird denn da gleich schimpfen. Geh jetzt bitte zur Seite, ich möchte dich nur ungern verletzen, wenn ich das Stück Dreck neben dir dem Erdboden gleich mache." „Krümm Aragorn auch nur ein Haar und ich werde dich eigenhändig ins Jenseits befördern, du Schlange." „Schhh, Jane, ist schon gut. Provozier ihn jetzt bloß nicht zusätzlich." Haldir erschien neben dem Mädchen. Mit Theoden und Éomer zusammen war er den Fünf gefolgt. „Bei Meiner selbst, du hast ja sogar zwei Beschützer. Ein eingebildetes Spitzohr und einen Waldläufer. Wie erbärmlich. Meine Liebe, diese beiden Trottel sind deiner doch nicht würdig. Ich biete dir einen Deal an: Du kommst an meine Seite, wirst meine dunkle Königin über Isengard und darfst diese beiden dreckfressenden Mücken und ihre Freunde dafür eigenhändig umlegen. Na, meine Süße, wie wäre das?" Der spottende Unterton in Sarumans Stimme war kaum zu überhören. „Vergiss es, lieber sterbe ich." Die Miene des Zauberers verfinsterte sich, sein falsches Lächeln verschwand. „Nun gut, wie du wünschst. Aber bevor ich euch alle vernichte, habe ich noch eine Frage an dich, Gandalf Graurock." „Und die wäre?" Jane zuckte zusammen. Nie zuvor hatte sie den Alten auf eine so verachtende Weise sprechen hören. „Glaubst du wirklich, dass dieser Waldläufer jemals auf dem Throne Gondors sitzen wird? Dieser heimatlose, aus dem Schatten gekrochene wird niemals zum König gekrönt." „Jetzt reicht's mir aber!" Wie eine Furie sprang die Elbenprinzessin von Tornados Rücken und stürmte zum Eingang des Turms. „Jane, nein!" Aragorn rannte ihr hinterher und packte sie am Arm. Anfangs wehrte sie sich mit Händen und Füßen gegen seinen festen Griff, sah dann aber ein, dass Widerstand zwecklos war und ließ sich von ihm zurück zu den anderen ziehen. Saruman ignorierte dies und redete weiter auf Gandalf ein: „Nebenbei willst du ihn doch eh nur opfern, wie du es mit dem Halbling gemacht hast. Du scheust nicht davor, deine angeblichen Freunde in den Tod zu schicken, damit du am Ende als Held dastehst, nicht wahr?" „Und du? Du könntest ganz Mittelerde retten und tust es nicht!", donnerte der Alte. „Du warst im innersten Rat des Feindes, Saruman! Du besitzt Informationen, die uns weiterhelfen könnten und verheimlichst uns sie!" Er legte eine kurze Pause ein, bevor er ihm einen Vorschlag machte: „Komm herunter, Saruman, und dein Leben wird verschont." „Spar dir deine Gnade und dein Mitleid! Ich habe keine Verwendung dafür!" Saruman oben auf dem Turm hob seinen Stab und schickte einen Feuerwall direkt auf Gandalf zu, jedoch ohne Erfolg. Das Feuer wurde vom weißen Zauberer abgeblockt. Jetzt war Gandalf aber wirklich sauer. „Saruman! Dein Stab ist zerbrochen!" sofort geschah, was er orderte. Fassungslos schaute der Feind auf ihn herab. Da tauchte eine Gestalt hinter ihm auf. Es war Grima Schlangenzunge. König Theoden reagierte als erster auf ihn: „Grima! Du musst ihm nicht gehorchen! Du warst nicht immer so wie jetzt. Einst warst du ein Manne Rohans. Komm herunter." Saruman hob eine Augenbraue und fragte spöttisch: „Ein Manne Rohans? Was ist Rohans Haus, wo sich die Ratten tummeln und die Kinder der Straßenräuber aus den Pfützen vom Fußboden trinken? Der Sieg in Helms Klamm gebührt nicht Euch, Theoden Pferdemensch! Ihr seid der minderwertige Sohn größerer Herren." Ein hämisches Lachen schüttelte den Zauberer oben auf der Spitze. „Grima, komm herunter.", versuchte es Theoden trotzdem noch einmal. „Befreie dich von ihm." „Befreien? Er wird niemals frei sein!" Saruman schrie aus voller Kehle. „Nein." Das verzweifelte Flüstern Grimas hörte unten am Fuße des Turms niemand, auch die Elben nicht. Saruman schlug ihm ins Gesicht und drehte sich dann wieder zu Gandalf um, der erneut herauf brüllte: „ Saruman! Du warst im innersten Rat des Feindes! Ich brauche Informationen!" „Nun gut", stimmte jener endlich zu, „Schicke deine Freunde fort und ich komme hinunter und rede mit dir." Doch dazu sollte es nicht mehr kommen. Grima hatte sich inzwischen wieder vom Boden erhoben und rammte dem Zauberer jetzt gleich öfters hintereinander die Klinge eines Dolchs in den Rücken. Blitzschnell, jedoch zu , reagierte Legolas und tötete Schlangenzunge durch einen sauberen Schuss ins Herz. Sarumans lebloser Körper fiel von der Kante des Turms und landete mit einem hässlichen Knirschen auf einem Mühlrad unten am Boden, wobei er von einer Speiche aufgespießt wurde. Kein schöner Anblick. Etwas rollte aus seiner Tasche und platschte ins Wasser.

„Schickt Kunde an unsere Verbündeten und an allen Winkel Mittelerdes, die noch in Freiheit stehn. Der Feind rückt gegen uns vor, wir müssen wissen, wo er zuschlagen wird!", befahl Gandalf dem König. Das Mühlrad drehte sich. Auch Sarumans Leiche platschte ins Wasser und verschwand. An der Stelle schimmerte nun etwas. Pippin kletterte von Brego und watete durch das kniehohe Nass, welches zur Zerstörung Isengards beigetragen hatte, zu dem Ding hin. „Pippin!", warnte Aragorn, doch der Hobbit wollte nicht hören. Er hob das Teil auf und betrachtete es genauer. Eine Kristallkugel, in der sich etwas zu bewegen schien... „Perigrin Tuk!", ermahnte Gandalf ihn und holte ihn somit zurück in die Gegenwart. „Das nehme ich."

Zurück in Edoras wurden die Freunde schon sehnsüchtig erwartet, von den Überlebenden, die von Helms Klamm wieder hierher gezogen waren, aber vor allem von Eowyn. Ihren Bruder Éomer und Aragorn begrüßte sie als erstes, wobei dem Waldläufer durch den Kopf schoss, dass er der jungen Frau noch etwas klarmachen musste. „Eowyn, ich..." wollte er anfangen, doch sie ließ ihn nicht weiter zu Wort kommen. „Schhh, sag jetzt einfach nichts." Glücklich umarmte sie Aragorn, welcher nur tatenlos zusehen konnte und die Prozedur wohl oder übel über sich ergehen lassen musste.

Noch jemand wurde an jenem Nachmittag freudiger begrüßt als erwartet. Irina war in Edoras zu Besuch, vermutlich nach Haldirs Wunsch, da er so besser auf sie aufpassen konnte, als wenn sie in Lorien wäre. Die Elbin schritt auf Legolas zu und lächelte ihn schüchtern an, bevor sie ihm überschwänglich um den Hals fiel. „Was bin ich dankbar, dass Euch nichts passiert ist. Ihr wisst gar nicht, was ich mir für Sorgen um Euch machte." Düsterwalds Elbenprinz war sprachlos. Die Frau seiner Träume war ihm eben einfach so in die Arme gelaufen. Irina für sich zu gewinnen hatte sich Legolas irgendwie schwieriger vorgestellt. „Ich bin auch froh, dass Euch nichts zugestoßen ist." Er sah ihr in die Augen. „Lasst uns etwas spazieren gehen und ich werde Euch von der derzeitigen Lage erzählen." Höflich bot er ihr seinen Arm an und führte sie nach draußen in Theodens Rosengarten. Jane und Gimli starrten den beiden mit offenen Mündern hinterher, bevor sie zu prusten anfingen. „Und da soll mir das Spitzohr noch einmal erklären, er wäre nicht in das Mädchen verknallt." „Oh Mann, ich hab Legolas noch nie so gesehen." Einzig Haldir wurde bei dem Anblick etwas mulmig zu Mute. Schien sie auch sonst so schüchtern und hilflos, in Sachen Männer war seine Schwester ganz anders...

Den Rest des Tages wich Irina Legolas nicht mehr von der Seite. Nur am Abend war der Elb kurz für sich allein, da Haldir seine Schwester zu sprechen gewünscht hatte, und traf in der Zeit seine beste Freundin auf dem Flur. Die Wangen des Elbenprinzen waren gerötet und Legolas Gesicht schien zu leuchten wie schon lange nicht mehr. „Oh, Legolas, du hast dich ja bis über beide Ohren in Irina verliebt." Er grinste beschämt. Sie lachte. „Ich freue mich für dich, großer Bruder." „Danke, kleine Schwester. Weißt du, ich glaube, ich kann nun erst wirklich verstehen, was du für Aragorn empfindest." Prüfend schaute er sie an. Das mit Haldir hatte er noch nicht vergessen. Aber Jane ließ sich, falls sie tatsächlich etwas zu verbergen hatte, nichts anmerken. „Hm, ja, da hast du wohl Recht. Aber Legolas? Tu mir einen Gefallen und geh das mit Irina nicht zu schnell an. Ich will nicht, dass sie dir am Ende -naja- das Herz bricht." Er versprach ihr das zwar, verschwand aber fünf Minuten darauf mit seiner Angebeteten in einem Zimmer und verbrachte dort mit Irina zwischen tausend Liebesschwüren die Nacht.

Herr der Ringe - Die Tochter des SchattensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt