Wo ist er?

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Sicht Karin
Andreas kam 5 Minuten nachdem er gegangen war wie ein Bekloppter auf uns zu gerannt. "Was ist denn los?", fragte Aylin ihren Mann. Andreas stoppte und hielt uns wortlos einen Zettel hin. Heike nahm ihn, schlug sich die Hände vor den Mund und schluchzte. Ich nahm den Zettel und las ihn ebenfalls. Was da stand konnte ich nicht begreifen. Wer? Wann? Warum? Wo ist er jetzt? Auf dem Zettel stand:
Euer geliebter Chris ist bei mir. Wenn ihr ihn lebend wiedersehen wollt, besorgt zwei Millionen Euro bis morgen Nacht. Ich weiß das ihr so viel habt. Ich melde mich wieder.
Ungläubig starrte ich auf die Worte, dann gaben meine Beine nach und ich sank weinend auf den Boden. Ich merkte wie mich jemand umarmte und sanft hin und her wiegte. "Schhh. Ganz ruhig. Alles wird gut." Ich konnte in diesem Moment die Stimme nicht zuordnen und noch nicht einmal sagen ob sie zu einem Mann oder einer Frau gehörte. Jemand hob mich hoch, trug mich in den Bus und legte mich auf Chris' Bett. Ich weinte und weinte. Irgendwann machte es Klick in meinem Gehirn und ich hörte schlagartig auf. Ich setzte mich auf und ging mit entschlossenen Schritten nach draußen wo ich die anderen reden hörte. "Wir müssen zur Polizei", sagte ich mit fester Stimme. Andreas nickte und wir gingen mit Aylin zu ihrem Auto.
Bei der Polizei mussten wir fast eine Stunde warten bis wir aufgerufen wurden. In dieser Zeit saß ich nicht einmal still da, sondern lief die ganze Zeit den Flur hoch und runter. Andreas versuchte mich zu beruhigen, gab es aber irgendwann auf als er merkte das es nichts brachte.
Zuerst wollte uns der Beamte gar nicht helfen weil sie erst etwas tun könnten wenn Chris 48 Stunden verschwunden war. Doch der Brief und unsere Bemühungen zu erklären das er nie einfach so abhauen würde, ließ den Beamten seine Meinung ändern. Er nahm den Brief an sich, versicherte nach Fingerabdrücken zu suchen und uns zu benachrichtigen wenn es etwas Neues gab.
Ein anderer Polizist begleitete Andreas und mich zu ihm nach Hause um den Anruf zurückverfolgen zu können wenn sich der Entführer meldete. Aylin holte inzwischen Heike und die Kinder ab.
Stunden später saßen wir angespannt auf der Couch im Wohnzimmer. Die Kinder übernachteten heute bei ihrer Oma um dem ganzen Stress nicht ausgesetzt zu sein und auch der Polizist war inzwischen gegangen und würde erst morgen wieder kommen. Irgendwann gingen Andreas und Aylin in ihr Schlafzimmer und ich ins Gästezimmer. An Schlaf war jedoch nicht zu denken. Hellwach lag ich da. Meine Gedanken kreisten immer um die gleichen Fragen: Warum? Wer? Würde ich ihn je wiedersehen? Ich würde es wahrscheinlich nicht überleben wenn Chris etwas zustoßen würde. Nicht jetzt da wir so glücklich waren. Irgendwann klingelte das Telefon. Ich brauchte eine Sekunde um das zu realisieren und rannte in den Flur wo ich mit Andreas zusammenstieß, der auch gerade aus der Tür gerannt kam. Er griff nach dem Hörer und nahm ab. Schweigend standen wir da. Es dauerte nicht lang und er legte wieder auf. Nervös schaute ich ihn an. Er drehte sich zu mir und ich sah die Tränen in seinen Augen. "Wir sollen das Geld morgen Nacht im Park in einen Mülleimer stecken. Und keine Polizei sonst... Und... Und dann..." Hier brach er ab. "Was?" "Chris.. Er...Er hat geschrien." Mir blieb das Herz stehen und ich fing wieder an zu weinen. Ein Wunder das überhaupt noch Tränen übrig waren. Andreas nahm mich in den Arm und strich mir über den Rücken. "Ganz ruhig. Wir sehen ihn wieder... Wir sehen ihn wieder." Ich hatte das Gefühl mit diesen Worten wollte er auch sich selbst beruhigen. Da kam Aylin aus der Tür gesprungen. "Was ist los?", fragte sie mit Panik in der Stimme. Andreas erzählte ihr von dem Anruf. "Was sollen wir jetzt machen?" "Ich würde sagen wir gehen morgen früh direkt zur Polizei. Egal was dieser Mistkerl gesagt hat", sagte Andreas und wurde immer lauter. Ich sagte nichts dazu. Vorsichtig führten mich die beiden zurück in "mein" Zimmer und legten mich ins Bett. Aber natürlich schlief ich nicht ein.
Früh morgens fuhren wir dann wieder zur Polizei und berichteten von dem Anruf.

Nachts im Park...
Zu dritt liefen wir mit der Tasche mit dem Geld durch den Park. Ich blickte mich um, aber wegen des Neumonds war es zu dunkel um etwas zu sehen. Ich hatte richtig Angst. Um uns, aber vor allem um Chris. Ich hoffte es ging ihm gut. Ich wusste das hier überall Polizei war auch wenn ich keine sah aber trotzdem fühlte ich mich dadurch kein Stück besser. Aylin und ich blieben einige Meter vor dem Mülleimer stehen und Andreas ging das letzte Stück allein. Er legte die Tasche rein und kam schnell zu uns zurück. In einiger Entfernung wurden wir von einer Polizistin in Empfang genommen und versteckten uns. Eigentlich sollten wir drei weg von hier aber das wollten wir alle nicht. Stundenlang kauerten wir hinter einem großen Baum und ich schlief ein paar Mal sogar kurz ein. Doch als das Funkgerät der Beamtin knackte war ich schlagartig hellwach. Es wurde irgendetwas unverständlich gesagt, dann sagte sie zu uns: "Es geht los." Ich versuchte vergeblich durch die Dunkelheit etwas zu sehen. Da hörte sich wie sich ein Auto näherte und bei der Mülltonne anhielt. Es war ein Van von dem jetzt die hinteren Türen geöffnet wurden und eine Person heraustrat. Ich hörte deutlich wie jemand schmerzerfüllt stöhnte, dann schrie eine weitere Person: "Schnauze verdammt!" Jemand wurde nach draußen geschubst und fiel ungebremst auf den Boden, da die Hände auf dem Rücken gefesselt waren. Unsanft wurde er hochgezogen und ich erkannte wer das war. Chris. Oh mein Gott. Beinahe hätte ich laut seinem Namen gerufen und wäre zu ihm gerannt, doch Andreas ahnte was ich vor hatte und legte mir eine Hand auf die Schulter. Bittend und mit Tränen in den Augen sah ich ihn an und er schüttelte den Kopf. Er hatte ja Recht. Wir sollten die Polizei ihre Arbeit machen lassen. Einer der vermummten Person packte Chris nun unsanft im Nacken und drückte ihn auf die Knie. Dieses verf***** Ars******. Wenn ich diesen H******** in die Finger bekam dann... Andreas' Hand packte etwas fester zu. Auch er musste sich beherrschen nicht einfach los zu rennen. Wenn sich nicht bald etwas tat konnte ich für nichts mehr garantieren. Und Andreas auch nicht so wie er aussah. Einer dieser beiden be********** A********** hielt Chris fest und der andere ging zum Eimer um die Tasche zu holen. Da rief jemand einen Befehl und plötzlich ging alles ganz schnell. Die Polizisten rannten auf die Personen zu und umzingelten sie. Befehle wurden gerufen und die beiden Entführer festgenommen. Jetzt konnte mich keiner mehr halten und ich rannte auf Chris zu. Ich kniete mich vor ihn und hob sanft seinen Kopf ein wenig an. Erschrocken schnappte ich nach Luft als ich sein Gesicht sah. Es war komplett überfüllt mit leicht blutenden Wunden und sein eines Auge war zugeschwollen. In mir kamen die Erinnerungen an den Tag hoch als ich in das erste Mal nach dem Unfall im Krankenhaus gesehen hatte. "Oh Chris", flüsterte ich. Unsicher sah er mich an. "Karin? Bist du es wirklich?" "Aber natürlich bin ich es." Er begann zu weinen und ich nahm ihn in den Arm. "Sch sch. Ganz ruhig. Du bist in Sicherheit. Du bist wieder bei uns." Da kamen auch Andreas und Aylin angerannt. "Chris! O Gott geht's dir gut?!" Bevor dieser jedoch was sagen konnte kamen Sanitäter zu uns gerannt und schoben uns von ihm weg. Er wurde auf eine Trage gelegt und zum Krankenwagen gefahren. Ein Sanitäter kam zu uns. "Sind Sie die Angehörigen?" Wir nickten. "Wir bringen in ins XY-Krankenhaus. Einer von ihnen kann vorne bei uns mitfahren." "Karin fahr du mit. Ich weiß das du es nicht länger ohne ihn aushälst", sagte Andreas. "Danke", antwortete ich ihm und lief dem Sanitäter hinterher zum Wagen. Drinnen wurde Chris gerade an viele Schläuche angeschlossen. Ich setzte mich auf den Beifahrersitz und schaute während der Fahrt die ganze Zeit zu Chris durch ein kleines Fenster. Im Krankenhaus wurde Chris direkt in ein Behandlungszimmer und ich musste draußen warten. Eine halbe Stunde später tauchten auch Andreas und Aylin auf. Fragend sahen sie mich an, ich schüttelte den Kopf und sie setzten sich zu mir auf die Stühle im Warteraum. Nach einer weiteren Stunde kam dann endlich ein Arzt zu uns.

Traum Oder Wirklichkeit? -Ehrlich Brothers FFWhere stories live. Discover now