Das dramatische Wiedersehen

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Chris war mit so vielen Schläuchen verbunden das man ihn kaum noch erkennen konnte. Ich machte zaghaft einige Schritte auf ihn zu. Vor dem Bett blieb ich stehen, schlug mir die Hände vors Gesicht und begann zu weinen. Sein ganzes Gesicht war mit blauen Flecken und Kratzern übersät. Meine Beine gaben nach und ich sank auf den Boden. Ich merkte wie mich jemand von hinten umarmte und hörte wie die Schwester nach dem Arzt rief. Ich hockte einfach nur da und weinte. Ich wollte das einfach nicht glauben. Warum?! Ich hörte wie jemand reingerannt kam, spürte einen kurzen Stich in meinem Arm und wieder einmal wurde alles um mich herum schwarz.

Ich wachte auf und schaute mich nach einem Glas Wasser um, da mein Hals ziemlich kratzig war. Wahrscheinlich von dem ganzen Weinen. Ich entdeckte eins auf dem kleinen Tisch neben meinem Bett und trank es gierig aus. Da sah ich im Augenwinkel eine Bewegung und schaute hin. Ein Mann stand mit dem Rücken zu mir am Fenster und schaute raus. Ich beobachtete ihn eine Weile bis ich mich schließlich räusperte. Er drehte sich um und ich konnte nicht glauben wer da stand. Warum sollte Andreas Ehrlich mich besuchen? "Hey", sagte er. "Hey", erwiederte ich. "Weist du wer ich bin?", fragte mich Andreas. Das war doch wohl ein Witz oder? Ich nickte. Er nickte auch und schaute auf den Boden. Ich wusste nicht was ich sagen sollte deshalb blieb ich einfach ruhig und starrte ihn weiter an. "Ich..", begann Chris' großer Bruder. "Ich hab gehört das du gestern bei ihm warst und was passiert ist. Wie geht's dir?" "Es geht so", antwortete ich. Wieder schwiegen wir für einige Minuten. "Wie geht es Chris eigentlich wirklich? Mir will keiner was verraten." "Ehrlich gesagt geht es ihm überhaupt nicht gut. Es sieht auch nicht so aus als würde er in nächster Zeit aufwachen", sagte er betrübt. Wieder stiegen mir die Tränen in die Augen und meine Sicht verschwamm. Schließlich konnte ich sie nicht mehr aufhalten und ich begann zu weinen. Es wunderte mich das überhaupt noch Tränen übrig waren. Ich merkte wie sich das Bett neben mir senkte und mich zwei starke Arme umschlossen. Ich kuschelte mich an Andreas und ließ meinen Tränen freien Lauf. Irgendwann beruhigte ich mich ein wenig. "Sry", sagte ich leise. "Wofür entschuldigst du dich?", fragte er mich verwirrt. Ich zuckte nur mit den Schultern. So genau wusste ich das selbst nicht. Andreas hielt mich noch eine Zeit lang fest während ich immer ruhiger wurde. Es war ein komisches Gefühl von einem Fremden im Arm gehalten zu werden aber es tat einfach zu gut.
"Hey. Ich wollte noch zu Chris. Willst du vielleicht mit?", fragte Andreas irgendwann. Ich überlegte. War ich wirklich bereit wieder zu Chris zu gehen? Ich entschied mich mitzugehen und nickte. Immerhin war ich ja nicht allein.
Vor Chris' Tür blieb ich stehen und atmete tief durch. Andreas sah mich an, ich nickte und er öffnete die Tür. Ganz langsam ging ich ans Bett und setze mich auf einen Stuhl der daneben stand. Andreas stellte sich auf die andere Seite. Ich nahm Chris' Hand und streichelte ihm mit der anderen sanft über seine blauen Flecken und Kratzer. Oh Chris. Ich beugte mich vor und gab ihm einen leichten Kuss auf die Wange, dann stand ich auf und rannte raus. Ich musste hier weg sonst würde ich wieder zusammenbrechen. Ohne Orientierung rannte ich durch die Gänge des Krankenhauses bis ich irgendwann die Tür nach draußen fand. Ich lief über den Rasen zum nächsten dickeren Baum und lehnte mich mit dem Rücken daran. Langsam ließ ich mich heruntergleiten. Das Gras war nass und es war richtig kalt. Es war ja auch schon Mitte November. Aber das war mir im Moment egal. Ich brauchte einfach mal die Ruhe.
Irgendwann wurde es dunkel und ich spürte meine Gliedmaßen schon lange nicht mehr als ich sah wie jemand auf mich zukam. Ich bekam eine Jacke umgelegt und wurde hochgehoben. Ich war zu schwach um mich zu wehren also ließ ich mich einfach wieder ins Gebäude tragen und kuschelte mich an die Person. In meinem Zimmer wurde ich ins Bett gelegt und zugedeckt. Die Person ging wieder, kam aber kurze Zeit später wieder und legte etwas Warmes an meine Füße. Ich streckte meine Hand aus und versuchte zu erkennen wer da stand. Es war Andreas. Er nahm sie und drückte sie leicht. "Danke", sagte ich mit schwacher Stimme. "Kein Problem", sagte er mit einem leichten Lächeln auf dem Gesicht. "Du kannst übrigens jederzeit zu Chris. Ich habe den Ärzten gesagt das sie dir alles sagen dürfen was du wissen möchtest. Ich lass dich jetzt allein. Ich muss zu meiner Familie." Ich lächelte ihn an. "Warum bist du eigentlich zu mir gekommen? Und warum kümmerst du dich um mich?" "Chris hat mir vor dem Unfall einiges über dich erzählt und ich wollte dich einfach mal sehen. Geh morgen zu ihm. Es heißt es hilft Leuten im Koma geliebte Menschen um sich zu haben. Und er liebt dich wirklich." Er drückte noch einmal meine Hand und ging dann aus dem Zimmer. Ich dachte über seine Worte nach. Er sagte das Chris mich liebt. Ein Grinsen trat auf mein Gesicht. Ich würde morgen auf jeden Fall wieder zu Chris gehen. Und dieses Mal würde ich nicht zusammenbrechen schwor ich mir selbst. Doch schon war meine Freude wieder weg. Ich konnte nur hoffen das alles gut werden würde.

Traum Oder Wirklichkeit? -Ehrlich Brothers FFWhere stories live. Discover now