19 - Unerwartete Begegnungen

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„Hey Toni!" Natürlich befanden wir uns nicht alleine in der Pizzeria, sondern liefen direkt in Mara und ihre Ökotussen, die auch ein paar männliche Begleitungen vorzuweisen hatten.  War der Campus nicht groß genug? Mussten wir uns nun auch tatsächlich außerhalb der Uni über den Weg laufen? Kaum hatte ich meinen Blick von Mara abgewendet fiel er auf Mason und Harry, die neugierig in unsere Richtung schauten.

Meine Freundin winkte ihnen schüchtern zu, wendete sich jedoch zu meiner Überraschung wieder dem Tresen zu, an dem wir gerade unsere Pizzen bestellt hatten. „Willst du nicht zu ihnen gehen?", fragte ich leise, nachdem auch mein Körper ihnen den Rücken zugewandt hatte. Ich wollte zwar nichts lieber, als den Abend einfach nur mit Toni verbringen, doch ich wusste genau, wie gerne sie ihre neuen Freunde hatte.

„Ich bin mit dir da – außerdem habe ich schon gestern was mit ihnen gemacht." Sie lächelte mir freundlich zu und ich konnte mich ein weiteres Mal an diesem Abend davon überzeugen, was für eine großartige Freundin sie für mich war.

So sehr sich auch alles in mir dagegen sträubte, aber nun war ich an der Reihe ihr ebenfalls einen Freundschaftsdienst zu beweisen. Ich brauchte nur einen kurzen Blick über meine Schulter werfen und sehen, wie Mara uns kritisch beäugte, um meinen Entschluss zu fassen. „Du solltest zu ihnen gehen.", meinte ich daher.

„Aber ich will dich nicht alleine lassen – würdest du mitkommen?" Genau in diesem Augenblick stellte der Mann hinter dem Tresen unsere großen Pizzastücken auf die Ablage und ich griff demonstrativ danach.

„Klar! Das wird bestimmt lustig.", meinte ich, doch war mir ziemlich sicher, dass das Essen eine Katastrophe werden würde. Jedoch musste ich anfangen Toni eine Freundin zu sein, oder sie würde irgendwann nicht mehr so einfach über meine Macken hinweg sehen und sich von mir abwenden.

„Das glaube ich auch." Sie klang wirklich begeistert – offenbar freute sie sich tatsächlich, dass ich mich auf ihre anderen Freunde einlassen würde. Vielleicht sollte ich mich öfter zu einer solchen Aktivität bereit erklären.

„Hallo.", meinte Toni und setzte sich direkt neben Mara auf die Bank, sodass mir nichts anderes übrig blieb, als ihr gegenüber neben einem Mädchen das ich nicht kannte Platz zu nehmen. Da Mason in meiner Reihe sah, konnte ich sein Gesicht nicht erkennen, ohne mich auffällig zu ihm umdrehen zu müssen, doch Harry, der neben Mara saß, konnte ich problemlos erkennen. Unsere Blicke trafen sich, doch keiner gab klein bei. Er machte keinen Hehl aus seinem Blick und ich machte keinen aus meinem.

„Bist du sicher, dass du dich hier her setzen willst?", fragte Mara mich offen, doch ich konnte den abfälligen Ton in ihren Worten nicht überhören. Mal wieder wurde mir bewusst, warum meine anfängliche Abneigung ihr Gegenüber vollkommen gerechtfertigt war.

„Ja, ziemlich. Ich habe nämlich echt Hunger.", meinte ich gespielt naiv und biss demonstrativ in meine fettige Salami-Pizza. Das Mädchen mit den kurzen schwarzen Haaren schaute mich kurz angewidert an, ehe sie sich zu Toni abwandte. Wie konnte meine Mitbewohnerin, das liebste Mädchen der Welt, nur mit so einer oberflächlichen Ökotusse abhängen?

Mein Blick  fiel wieder einmal auf Harry, der mich nur belustigt musterte, offensichtlich hatte ihm meine kleine Showeinlage gefallen. „Gibt's da was zu lachen?", fragte ich trotzdem und biss ein weiteres Mal in die Pizza, die mir Toni spendiert hatte. Ich hatte all meine Vorsätze nett zu ihm zu sein und nicht immer gegen ihn zu hetzen über Bord geworfen und ausgeblendet, wie viele Geschichten er über mich kannte.

„Ich weiß nicht wovon du sprichst, Lia." Schon wieder betonte er meinen Namen so unnatürlich stark, als würde er einem völlig fremden Wesen angehören. Er sollte sich nicht so anstellen, der Name passte besser zu meinem neuen Leben.

„Was gegen meinen Namen, Harold?" Dieses Spiel konnte ich auch spielen. Offensichtlich war den anderen sein richtiger Name nicht so geläufig, wie mir, denn ein leises kichern ging durch unsere Gruppe. Ich grinste stolz in seine Richtung und genoss meinen kleinen Sieg in vollen Zügen.

„Kennt ihr euch?", fragte Mara verwirrt und schaute kampfbereit in meine Richtung. Ihr Blick lenkte mich genug ab, um mich endlich von Harry zu lösen und somit die unübersehbare Spannung zwischen uns im Dunst enden zu lassen.

„Flüchtig.", meinte Harry und fiel mir damit so plötzlich und bestimmend ins Wort, das ich erst einmal einen weiteren Biss von meiner Pizza nehmen musste, um keinen blöden Spruch zu bringen. Was dachte er denn? Dass ich scharf darauf war, jedem seiner Freunde von unserem Königreich zu erzählen? Dann konnte ich ja gleich noch meinen Vater erwähnen, der nur wegen mir die Uni schließen wollte.

Es fiel mir wirklich schwer, nichts Provozierendes auf seine Worte zu erwidern. „Schaut mich nicht an.", sagte Mason lachend und hob entschuldigend die Hände. Die anderen Anwesenden des Tisches hatten ihre Blicke offenbar auf ihn gerichtet, da er als Harrys bester Freund vermutlich mehr Informationen haben müsste. „Die beiden hatten zwar sicherlich mal was miteinander, doch Harry wird ziemlich schweigsam, wenn es um Lia geht." 

Ich verschluckte mich beinahe an meinem Essen bei der Vermutung, eine Beziehung zu dem Jungen mit den braunen Locken geführt zu haben. „Habt ihr keine spannenderen Themen?", fragte ich in die Runde, doch die anderen reagierten gar nicht auf mich.

„Vielleicht sind sie sich schon vor der Uni begegnet.", schlussfolgerte das Mädchen neben mir und sah fragend zu Mara, die in einem Comic vermutlich schon längst Tomatenrot angelaufen wäre. Man konnte ihr ihre Wut ganz genau ansehen – sicherlich war sie normalerweise das Haupttema der Gruppe oder konnte es zumindest selbst bestimmen.

„Bist du heute bereit meine Petition zu unterschreiben oder bist du immer noch der Meinung, dass Nichtstun eine bessere Lösung ist?", fragte sie und hielt mir ihren Wisch unter die Nase, den sie offenbar pausenlos in ihrer Handtasche mit sich trug.

Was sollte ich denn machen? Beim letzten Mal konnte ich fliehen, doch heute war ich Toni einiges schuldig und wollte sie nicht schon wieder alleine lassen. Also tat ich das einzige, was mir in den Sinn kam. „Weißt du, ehrlich gesagt ist mein Vater ein leidenschaftlicher Anwalt und hat mir beigebracht, dass ich nichts unterschreiben darf, was nicht rechtlich geprüft ist – es tut mir wirklich leid, aber ich kann deinen Wisch leider nicht einfach so unterzeichnen." Die Ernsthaftigkeit in meiner Stimme und Harrys lautes Lachen, das er nach meinen Worten einfach nicht mehr zurück halten konnte, ließen die anderen in dem glauben ich hätte bloß sarkastisch geantwortet, eine Ausrede gesucht, um meinen Namen nicht auf das Papier zu setzen, doch die Wahrheit ahnte keiner.

Ich musste nun auch ein wenig schmunzeln, schließlich lief das besser als ich geahnt hatte. Dank Harry hatte Mara ihre Petition schneller weggesteckt, als sie sie heraus geholt hatte und die anderen am Tisch waren in sein Lachen eingestiegen.

„Man Lia, du bist echt der Hammer. Sicher das du immer noch kein Date willst?", fragte mich Mason lachend über den Tisch und ich zuckte als Antwort entschuldigend mit den Schultern. Er verstand, dass ich nicht mit ihm ausgehen würde und schien das glücklicherweise nicht persönlich zu nehmen. Vermutlich fragte er sowieso jedes Mädchen, das ihm annähernd sympathisch erschien.

„Vermutlich würde sie Harry nicht so abservieren. Die beiden scheinen sich nahe zu stehen.", meinte Mara giftig und zerstörte damit die ausgelassene Stimmung die bis eben, trotz meiner Abfuhr, am Tisch geherrscht hatte.

Fading Princess || H.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt