,, Wie geht es ihm?," frage ich den Arzt nervös und merke, dass meine Stimme noch immer zittert.

Der Arzt sieht mich mitfühlend an, was mich die Luft anhalten lässt. Schon jetzt weiß ich, dass ich die Wahrheit vermutlich nicht aushalten werde.

Mit jedem Satz des Arztes fällt mir das Atmen schwerer und lässt mich beinahe die Kontrolle verlieren.

Der Schuss hat zwar keine Organe verletzt und doch große Schäden hinterlassen.

Eric hat zu viel Blut verloren und leidet noch immer unter starken inneren Blutungen, die ihm wahrscheinlich das Leben kosten werden.

Der Arzt weiß nicht, ob er die Nacht überleben wird.

Ich habe das Gefühl, als würde man mir den Boden unter den Füßen wegreißen.

Ich kann nichts darauf antworten, denn alles in mir fühlt sich plötzlich so leer an.

,, Können wir zu ihm?," fragt Evelyn den Arzt mit brüchiger Stimme und dieser nickt.

,, Es tut mir so leid," ist das Letzte, das er sagt, bevor er wieder in die Notaufnahme zurückkehrt.

Ich kann mich immer noch nicht bewegen und starre einfach nur ins Leere.

Evelyn lässt meine Hand los und nimmt mich wieder in den Arm, während ich das Gefühl habe, zusammenzubrechen.

,, Wir gehen jetzt zu ihm ok?," ist das Einzige, das Evelyn herausbringt.

Ich nicke nur, denn ich habe das Gefühl, keine Stimme mehr zu haben.

Evelyn nimmt wieder meine Hand in ihre und gemeinsam laufen wir in Erics Zimmer.

Bei seinem Anblick würde ich am liebsten die Augen schließen und das Zimmer verlassen, denn so kann ich meinen Bruder nicht sehen.

Eric liegt schlaff in einem Bett und atmet kaum mehr. Sein Gesicht hat jegliche Farbe verloren und er schläft, während sein Körper mit Sauerstoff versorgt wird. Eine Maschine zeigt seinen Herzschlag an, der kaum noch vorhanden ist. Nur alle paar Sekunden taucht eine kurze Frequenz auf.

Evelyn hält sich ihre Hand vor dem Mund und fängt zu schluchzten an.

Sie geht langsam zu Erics ans Bett, setzt sich zu ihm und sieht ihn an, während sie seine schlaffe Hand in ihre nimmt. Nicht mal durch Evelyns Berührung wacht Eric auf.

Ich stehe immer noch an der Tür, den Blick auf meinen Bruder gerichtet und kurz davor zusammenzubrechen.

Eric so zu sehen ist ein Albtraum, aus dem ich nicht erwachen kann.

Meine Gedanken kreisen um einen Satz, den ich vor wenigen Wochen Eric an den Kopf geworfen hatte und der mein Gewissen jetzt wie ein Messer durchschneidet. 

Immer wieder hallt er in meinen Kopf wieder...

,, Aiden. Wie oft muss ich dir noch sagen, dass es mir leid tut?"

Enttäuscht sieht Eric mich an und ich werfe ihm einen wütenden Blick zu.

,, Bis zu dem Tag an dem du tot umfällst!"

Ich spüre wieder diesen Kloß in meinem Hals und mein Herz, das unregelmäßig gegen meine Brust schlägt.

Wie konnte ich das nur sagen?!
Was hatte ich mir nur dabei gedacht!

Die Schuldgefühle ertrügen mich und ich entferne mich einige Schritte von Erics Bett.

Eric hatte immer um Vergebung gebeten und ich hatte das immer verweigert. Und wieso?

Weil ich Idiot meinen Stolz bewahren wollte.

Jetzt würde er sterben ohne zu wissen, dass ich ihm längst vergeben habe.

Und das alles ist meine Schuld. Alles!

Ich müsste jetzt hier liegen. Nicht Eric.

Die Kugel war für mich bestimmt gewesen.

Mein Bruder muss sterben, weil er mich gerettet hat und ich habe das in keinster Weise verdient gerettet zu werden. Das alles ist meine Schuld...

Ich schließe die Augen und spüre plötzlichen diesen Schmerz, den ich noch nie gespürt habe. Verzweiflung, Schuldgefühle und Angst in einem.

Mein Bruder darf einfach nicht sterben. Nicht hier, nicht jetzt, nicht so.

Ihn so zu sehen kann ich einfach nicht mehr. Nicht jetzt.

Niedergeschlagen verlasse ich das Zimmer und Evelyn folgt mir. Sie erwischt mein Handgelenk und bringt mich dazu, stehen zu bleiben.

,, Aiden. Wo willst du hin?"

Ihre Augen ruhen auf meinen und ich atme gequält aus.

,, Ich muss erstmal alleine sein," bringe ich gerade so hervor.

Evelyn sieht mich mitfühlend an und nimmt meine Hand.

,, Okay," antwortet sie sanft und lässt  langsam meine Hand los, woraufhin ich den Flur und schließlich das Krankenhaus verlasse.

Schnell steige ich in meinen Wagen und fahre einfach los.

Es gibt nur einen Ort, an dem ich jetzt sein will.

Mit jedem HerzschlagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt