Kapitel 19

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Evelyn

Langsam gewöhne ich mich an das Licht und werde langsam wach. Das Erste, das ich wahrnehme, sind Erics Augen, die mich besorgt ansehen.

,, Hi," flüstere ich müde mit einem kleinen Lächeln.

Eric atmet erleichtert aus und der Glanz in seinen Augen kehrt zurück.
,, Hi, Prinzessin. "

Ich höre Schritte und erkennen schließlich meinen Dad, der sich neben Eric stellt. Er sieht fertig und niedergeschlagen aus, doch er lächelt, als er mich ansieht und nimmt meine Hand in seine.

,, Ich hab mir solche Sorgen gemacht, Evelyn."

Tränen treten in den Augen meines Vaters und ich umschließe seine Hand mit meiner.

,, Tut mir leid, Dad," versuche ich mich zu entschuldigen und fahre sanft über seine Hand, um ihn zu beruhigen. Langsam schaue ich mich in dem neuen Zimmer um und stelle fest, dass ich wieder einmal in der Intensivstation bin.

Ich schlucke schwer, denn das kann nur eins bedeuten.

,, Heißt das, dass ich jetzt noch länger hier bleiben muss ?," frage ich meinen Dad nervös und warte auf eine Antwort.

Alles bloß das nicht. Ich will endlich hier raus...

Ich muss schließlich auch mal wieder zur Schule.

Mein Vater sieht mich entschuldigend an, weshalb ich mich enttäuscht tiefer in mein Kissen sinken lasse. Der Blick meines Vaters war meine Antwort gewesen. 

,, Es tut mir leid, Evelyn, aber die Ärzte sagen, dass du zur Beobachtung noch eine Woche hier bleiben musst. Es kann immer wieder passieren, dass dein Herz.."

Doch ich lasse ihn nicht ausreden und richte mich im Bett auf.
,, Das versteh ich ja, aber was ist mit der Schule, Dad. Ich kann nicht nochmal eine Woche ausfallen. In zwei Monaten sind Abschlussprüfungen," falle ich ihm ins Wort.

Mein Dad wirkt nachdenklich, doch ehe er etwas antworten kann, kommt Eric ihm zuvor.

,, Das ist das geringste Problem, Evelyn. Ich komm einfach jeden Tag vorbei und wir lernen zusammen. Ich bring dir alles bei. Wegen der Schule brauchst du dir keine Sorgen zu machen. "

Er lächelt mich aufmunternd an und mein Vater klopft ihm dankbar auf die Schulter.

,, Danke, Eric," bedankt er sich bei ihm und ich schenke Eric ein kurzes dankbares Lächeln. Dennoch wünsche ich mir nichts sehnlicher, als wieder nach Hause gehen zu können.

Das Klingeln von Dads Handy lässt uns alle zusammenzucken, da kurz Schweigen im Zimmer geherrscht hatte.

Mein Dad schaut auf den Display und sofort erscheint ein Lächeln auf seinem Gesicht, denn ist Monika. Dads Verlobte, die für ein paar Monate beruflich in Kanada gewesen war. In einer Woche kommt sie wieder zurück.

Die Augen meines Vaters leuchten, während er mit ihr telefoniert.

Ich weiß,  wie sehr er sie vermisst und wie sehr er sie in den letzten paar Tagen gebraucht hätte. Als er auflegt strahlte er übers ganze Gesicht und ich mag es, meinen Vater so glücklich zu sehen. Er lächelt mich wieder an und sieht schon wieder viel entspannter aus, als noch vor wenigen Minuten.

,, Das war Monika. Sie hat sich nach dir erkundigt und gefragt, ob es dir besser geht. Sie hat extra einen Flug für heute gebucht und wird in drei Stunden hier sein. "

Ich lächle, denn ich freue mich wirklich, dass Monika wieder nach Hause kommt, denn sie ist mir in den letzten eineinhalb Jahren sehr ans Herz gewachsen.

Sie wird zwar nie meine Mutter ersetzen können, aber dennoch bin ich froh darüber, dass sie in drei Monaten ein Teil meiner Familie werden wird.

,, Das freut mich, Dad. "

,, Mich auch. " Mein Dad atmet erleichtert aus und holt seine Jacke, die auf einem Stuhl gelegen hatte. ,, Aber ich muss dann langsam zum Flughafen. Ich will nicht, dass sie den weiten Weg vom Flughafen bis hierher, ein Taxi nehmen muss. "

Mein Dad steckt sein Handy in die Hosentasche, gibt mir einen Kuss auf die Stirn und verabschiedet sich von uns beiden, mit dem Versprechen, heute Abend wieder hier zu sein.

Eric bleibt noch eine Weile bei mir und setzt sich auf einem Stuhl neben meinem Bett und sieht mich lange nachdenklich an.

,, Was ist los, Eric ?," frage ich ihn nervös und richte mich in meinem Bett auf, um ihn besser ansehen zu können.

,, Nichts," lügt er und lächelt mich aufmunternd an, doch ich erkenne den Schmerz in seinem Blick.
,, Kannst du dich an gestern Mittag erinnern ? "

Ich denke kurz darüber nach, doch ich kann mich wieder nur an Bruchstücke erinnern.

,, Ich..ich kann mich nur noch daran erinnern, wie ich in den Garten gegangen bin, um nach Aiden zu suchen. Ich wollte ihn dazu bringen mit dir zu reden. Dann hab ich kurz mit ihm geredet und dann wurde alles schwarz."

Eric nickt traurig.
,, Du bist draußen im Garten zusammengebrochen. Aiden hat dich zur Notaufnahme gebracht und... er hat gewartet bis dein Vater kam und mir gesagt hat, dass es dir besser geht. Er war die ganze Zeit da gewesen. "

Ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll und sehe Eric deshalb einfach nur verwirrt an. Die Frage, warum ausgerechnet Aiden wegen mir gewartet hatte, schießt mir ständig durch den Kopf.

Er hasst mich, also warum sollte er warten ? Hat er es vielleicht Eric zu liebe getan ? Damit er nicht alleine warten musste.

Das klingt für mich weitaus plausibler, als die Tatsache, dass er wegen mir gewartet hatte.

,, Hat er mit dir geredet ?," frage ich neugierig, doch Eric schüttelte den Kopf.

,, Nicht wirklich. Er hat mich nur am Anfang gefragt, was du hast, aber ich konnte und wollte ihm das auch nicht sagen. Ich wusste nicht, ob du das willst. "

Er mustert mich besorgt und ich sehe auf meine Decke und beginne, sie zu umklammern.

,, Es war gut, dass du es ihm nicht gesagt hast. Ich will einfach nicht, dass es noch jemand erfährt," antworte ich niedergeschlagen.

Ich will einfach kein Mitleid von anderen Menschen, doch das gestehe ich Eric nicht. Die Anderen sollen mich normal behandeln und sich nicht ständig um mich Sorgen machen müssen oder mich fürsorglicher behandeln. Es ist schon schwer genug für mich, dass Eric und mein Dad das tun. Andere in den Glauben zu lassen, ich sei gesund, lässt mich oft meine Krankheit vergessen und das ist das, was ich brauche.

Eric legt seine Hand auf meine und sieht mich eindringlich an.

,, Ich werde es keinem sagen," verspricht er mir und lächelt mich an,wodurch ich es schaffe, ebenfalls ein kleines Lächeln zustande zu bringen.

Ich weiß, mir zu liebe wird er es wirklich niemanden verraten.

                              ***

Eric bleibt noch eine Weile bei mir. Dann geht er nach unten in die Cafetaria, um sich etwas zu essen zu holen und lässt mich kurz allein.

Ich darf leider in den nächsten paar Tagen das Bett nicht verlassen, weshalb ich nun in diesem Bett feststecke.  Niedergeschlagen fange ich an, ein neues Buch zu lesen, das mir Eric geschenkt hat. Das Buch heitert mich wieder ein bisschen auf.

In das Buch vertieft merke ich zunächst nicht, dass jemand mein Zimmer betritt.

Mit jedem HerzschlagWhere stories live. Discover now