Kapitel 8 - Sein Mitbewohner

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„Ich liebe dich", fügt Jason zärtlich an und fährt mit seinen Fingern zwischen meine. Sanft verschränkt er unsere Hände. Jetzt ist es um mein Herz endgültig geschehen. Es rast förmlich in meiner Brust, hüpft herum wie ein irrer Gummiball.

Nur diese eine Sache bedrückt mich. „Aber ich sterbe, Jace", flüstere ich traurig. Er drückt sich hoch und sieht mir in die Augen. „Ich weiss nicht, was das an meinen Worten ändern sollte." Er lächelt. „Liebe ist keine mathematische Formel, Jeli, sie ist nicht logisch. Sie ist irrational und eigentlich ziemlich behämmert, aber sie ist trotzdem das schönste Gefühl dieser Erde."

„Aber ich habe Lungenkrebs", entgegne ich schwach. Jason verdreht die Augen. „Hörst du mir überhaupt zu? Ich habe dir gerade erklärt, dass ich dich trotz all dieser Dinge mag. Ich habe mich in dich verliebt. Am ersten Tag als ich dich gesehen habe. Und du kannst wirklich nichts mehr dagegen tun. Es ist längst zu spät."

Ich sehe ihm in seine bernsteinfarbenen Augen. Er lächelt mich an. „Okay", flüstere ich leise und schliesse die Augen. Er legt sich wieder neben mich und fährt mit seinen Lippen über meinen Nacken.

Wieso habe ich ihn bloss erst jetzt gefunden? Wieso gönnt uns das Schicksal nicht mehr Zeit miteinander?

Zwei Monate. Zwei Monate, das ist alles, was wir bekommen. Aber zwei Monate sind besser als gar nichts. Und zwei Monate mit ihm sind alles, was ich mir für den Rest meines kurzen Lebens noch wünsche.

Mit diesem Gedanken schlafe ich irgendwann wieder ein. In seinen Armen.

***

„Jace, bin wieder da!", ruft jemand durch die Wohnung. Ich spüre, wie Jason neben mir missmutig brummt. „Jace, Alter, wo bist du?", fragt der Neuankömmling laut. Er will uns wohl einfach nicht schlafen lassen. Irgendwann gibt Jason auf und schwingt seine Beine aus dem Bett. Er tappt durch das abgedunkelte Zimmer und tritt zu seinem WG Kumpel. Die Tür des Schlafzimmers zieht er leise hinter sich zu, so dass ich noch ein wenig meine Ruhe habe.

„Du hast gepennt? Mitten am Nachmittag?", höre ich seinen Kumpel ungläubig fragen. Irgendwie kommt mir diese Stimme vage bekannt vor, aber ich kann sie nicht einordnen.

„Ja, und?", entgegnet mein Arztsohn herausfordernd. Der andere lacht. „Das passt so nicht zu dir. Jason Carter schläft nie am Nachmittag, nicht einmal, wenn er bis morgens um sechs Uhr im Ausgang war. Jason Carter hasst es, am Nachmittag zu schlafen. Also, was ist passiert?"

„Nichts. Ich war einfach müde", gibt Jason zurück. Ja, er ist genauso schlecht im Lügen wie ich. Dass ihm sein Kumpel diese Worte nicht glaubt, ist relativ verständlich. Dass er dann aber gleich ins Schlafzimmer reinplatzen muss, eher weniger.

Das grelle Licht, das vom Flur nun ins Zimmer scheint, blendet mich, so dass ich mich mit zusammengekniffenen Augen auf die andere Seite drehe und mir die Decke über die Ohren ziehe.

„Du hast ein Mädel flachgelegt?!", entfährt es ihm verblüfft.

„Nein, wir sind nur zusammen eingepennt", korrigiert Jace die Aussage. Sein Gegenüber lacht laut auf. „Genau, und ich stehe neuerdings auf Männer. Echt, Alter, denkst du, ich glaube dir das?"

Jason zieht seinen Kumpel aus dem Schlafzimmer raus und schliesst die Tür wieder, wofür ich ihm sehr dankbar bin.

„Du brauchst es mir nicht zu glauben, aber es ist die Wahrheit. Ihr war es nicht gut und da haben wir uns ein wenig hingelegt. Das ist alles."

„Und wie heisst die Glückliche?"

„Jeli", antwortet Jason lächelnd.

„Wie süss, sie hat schon einen Spitznamen", entgegnet der andere leicht spöttisch. Dann stutz er plötzlich. „Warte. Ist Jeli die Abkürzung für Jelena?"

„Ja. Wieso?"

„Jelena Boradi?"

Woher zum Teufel kennt Jasons Mitbewohner meinen Namen?!

„Äh, keine Ahnung, wie sie zum Nachnamen heisst", gibt Jace zu.

„Kurze dunkelbraune Haare, grünbraune Augen?", fragt sein Kumpel weiter. So langsam kommt mir das Ganze spanisch vor. Woher kennt mich der Kerl?

„Jaa. Woher weisst du das?"

„Gott, das ist die Kleine, die mich abserviert hat!", ruft der andere aus. Hä? Ich habe einen Typen abserviert? Ich überlege kurz. Na klar habe ich einen Typen abserviert! Zac! Stöhnend schliesse ich die Augen. Das ist jetzt bitte nicht wahr!

„Na ja, auch egal, du kannst sie ruhig haben. Die bringt sowieso nur Probleme und im Bett ist sie wahrscheinlich auch scheisse."

Ich schrecke zusammen, als ich höre, wie Jason Zac hart ins Gesicht schlägt. Sein Kopf knallt gegen die Zimmertür. Jace schreit seinen Kumpel zornig an. Ich setze mich auf. Ich zerstöre hier gerade ihre Freundschaft! Scheisse!

Ich befreie mich aus Jasons Decke und stehe auf. Als ich die Tür öffne, blicke ich geradewegs in Jasons blitzende Augen. Als er mich sieht, wird sein Ausdruck sofort sanfter. Er will etwas sagen, aber ich komme ihm zuvor. „Ich gehe", erkläre ich entschlossen. Mein Blick zuckt kurz zu Zac, dessen Nase blutet. Er sieht mich emotionslos an.

„Du musst nicht gehen, wir...", beginnt Jason. Ich sehe wieder ihn an.

„Doch. Ich tauche doch nicht einfach auf und zerstöre eure langjährige Freundschaft. So bin ich nicht", unterbreche ich ihn. „Ich gehe."

Jasons Blick brennt in meinem Nacken, als ich zur Wohnungstür marschiere und mir meine Sachen anziehe. Ich schaue noch einmal zu ihm zurück, bevor ich seine Wohnung verlasse. Ich werde nicht wieder hierherkommen. 

„Liebe ist, das Ganze eines Menschen zu bejahen!", ruft mir Jace mit bebender Stimme nach, bevor die Tür hinter mir ins Schloss fällt. Seine Worte haben mir den Hals zugeschnürt. Mit Tränen in den Augen stütze ich mich an der Wand ab. Alles um mich herum dreht sich. Als Schritte ertönen, reisse ich mich zusammen und torkle weiter, bis zum Lift. Es dauert zu lange, bis er kommt, so dass ich die Treppe nehmen muss, wenn ich mich nicht Jace gegenüber finden will. Ich weiss, dass ich meinen Entschluss nicht durchziehen könnte, wenn ich ihm noch einmal in die Augen sehen würde. Also darf es nicht dazu kommen. Mit zitternden Händen suche ich das Treppengeländer. Als ich es zu fassen bekomme, beginne ich vorsichtig den Abstieg. Durch den Tränenschleier kann ich kaum etwas erkennen und da ich absolut nichts mehr im Magen habe, bin ich auch total entkräftet. Hinter mir geht die Tür auf und ich bin einen kleinen Moment lang nicht achtsam. Mein Fuss verfehlt den nächsten Tritt und ich stürze. Ich falle und dann spüre ich, wie ich hart auf die Treppe knalle, bevor alles um mich herum schwarz wird. Das letzte, was ich mitbekomme ist, wie jemand panisch meinen Namen schreit. Jason. In seiner Stimme höre ich pure Angst, abgrundtiefes Entsetzen. Die Welt, wie ich sie kenne, wird ausgeblendet und eine riesige Welle überrollt mich, drückt mich zu Boden und raubt mir den Atem.


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Danke allen meinen treuen Lesern! Ihr seid einfach toll!

Nun wünsche ich euch einen schönen Valentinstag. Und zwar allen, nicht nur den In-einer-Beziehung-Menschen.

Und ja, schon die Tatsache, dass ich heute update, zeigt, dass ich keinen Jason in meinem Leben habe ;) Aber so kann ich den ganzen Tag schreibend/lesend in meinem Bett verbringen. Ist doch auch was!

NordlichtWhere stories live. Discover now