Kapitel 11

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Der Himmel war betrübt und es schien als würde es jeden Moment anfangen zuregnen.
Seufzend senkte Casey den Blick und starrte den braunen Holzboden an.
Gedankenverloren fing er an an seiner Tasche rumzuspielen, die zwischen seinen Beinen lag. Er saß am Küchentisch und wartete darauf, dass er aus dem Haus konnte. Er war viel zu früh aufgestanden. Würde er jetzt losgehen, müsste er unnötigerweise vor der Schule warten, da sich dessen Tore erst um halb acht öffnen würden. Wann hatte er damit angefangen zwei Stunden früher aufzustehen für die Schule. Gewöhnlich schaffte er es nicht mal um viertel vor acht aus dem Bett zu kommen. Doch seit einiger Zeit konnte er einfach nicht mehr schlafen. Natürlich konnte er das nicht. Wie sollte er schlafen wenn er wusste, dass sein Vater vor knapp zwei Wochen gestorben war.
Er konnte nicht beschreiben wie er sich fühlte. Es war keine Traurigkeit. Er fühlte sich einfach leer. Emotionslos.
Frustriert schloss der schwarzhaarige Junge seine Augen und schlug mit der Faust auf den gläsernen Tisch.
Seine Mutter hatte es glücklicherweise Alejandra noch nicht erzählt. Er wüsste nicht wie er dann noch irgendwie Schlaf bekommen hätte.
Ein Vibrieren holte ihn aus seinen traurigen Gedanken. Murrend holte er sein Handy aus der Jackentasche. Er fragte sich warum er es überhaupt noch mit sich trug. Er hatte keine Lust mit anderen zuschreiben geschweige mit ihnen zutelefonieren.
Ich komme dich abholen.
Mehr hatte Cole nicht geschrieben. Ja, wegen ihm trug er es mit sich rum.
Er starrte den Satz eine Weile lang an.
Er antwortete nicht.
Wie schon die letzten Tage.
Ihr ganze Konversation bestand darin, dass Cole ihm schrieb, Casey es las und sein Handy dann wieder wegsteckte.
So auch heute.
Ein weiterer Blick aus dem Fenster zeigte ihm die verregnete Straße.
Er könnte auch einfach allein losgehen und würde somit Cole's nervigen Fragen nach seinem Wohlbefinden aus dem Weg gehen. Doch er wollte ihn nicht verletzten.
Trotz den Sachen die passiert waren wollte er Cole nicht verlieren. Auch wenn es ganz danach aus sah.
Und ihm war auch bewusst, dass er daran Schuld war.
Seufzend begab er sich zur Tür, nachdem sie schon mindestens drei mal geklingelt hatte. Er warf sich den schwarzen Rucksack um die Schulter und öffnete die Tür. Ein klitschnasser Cole stand vor ihm und fast, aber nur fast, hätte er gelacht.
Er sah ihm kurz in die Augen ehe er die Tür hinter sich schloss und zu ihm ins Nasse trat.
Zu seinem Glück regnete es nicht mehr so stark und er würde nicht so nass wie Cole an der Schule ankommen.
Er setzte sich in Gang.
Sie hatten kein Wort miteinander gewechselt.
Schon seit mindestens vier Tagen nicht mehr. Cole hatte schon mehrere Male versucht mit dem mürrischen Jungen zureden. Doch dieser hatte ihm nicht geantwortet.
Nur genickt oder ein Brummen von sich gegeben. Und Casey wusste natürlich wie idiotisch das von ihm war. Cole versuchte nur zu helfen.
Doch er war noch nie der Typ gewesen, der gerne über seine Probleme und Gefühle redete.
Nachdem die beiden Schüler schon eine Weile gelaufen waren, fühlte Casey wie ihm der Regen seine Schuhe durchnässte und seine Füße nun auch nass wurden. Murrend stampfte er weiter und man konnte schon hören wie viel Wasser sich angesammelt hatte.
Anscheinend hatte Cole es nun auch mitbekommen und fing im nächsten Moment an laut zu lachen.
"Halt die Fresse, Cole!"
Erstaunt hielt Cole inne und starrte seinen Kindheitsfreund an.
Casey war selbst überrascht, dass er was gesagt hatte.
Es waren die ersten Worte die er zu Cole gesagt hatte, nachdem Tod seines Vaters.
Vielleicht waren es nicht die schönsten Worte, die man hören wollte, nachdem man so lange ignoriert wurde. Doch als er zur Seite blickte, sah er das Cole vor sich hingrinste.
Und aus irgendeinem Grund fühlte sich Casey besser.
Und er wusste, dass es besser werden würde.

***

Cole hatte ihm geschrieben, dass er vorbeikommen würde. Anscheinend wollte der Jüngere den kleinen Erfolg über Casey standhalten.
Casey lag auf seinem Bett und starrte die Decke an. Er hatte keine Ahnung was er tun sollte, bis Cole kam. Die letzten Tage hatte er sich nur in seinem Zimmer eingesperrt und war allem aus dem Weg gegangen, dass versuchte mit ihm zureden.
Also, seine Mutter, seine Schwester und Cole.
Seine Schwester.
Alejandra.
Seine Mutter und er hatten ausgemacht, dass sie noch warten würden bis sie es ihr erzählen würden. Sie war einfach noch zu jung dafür.
Er erinnerte sich nur zu gut daran, wie Alejandra ihn gefragt hatte wann sie denn wieder Daddy besuchen gehen würden.
Er hatte nur geschluckt und ihr nicht geantwortet.
Als sie ihn dann ein weiteres Mal gefragt hatte, war er vor ihr geflüchtet. Hatte sich mit einer lahmen Ausrede in seinem Zimmer eingeschlossen.
Naja, nachdem Vorfall hatte sie ihn nicht mehr danach gefragt.
Vielleicht ahnte sie was.
Sie war nicht dumm und das wusste er auch.
Er seufzte.
Grade als er mit dem Gedanken spielte Cole abzusagen, klingelte die Tür.
Er atmete aus ehe er aus dem Bett stieg und die Treppe hinunter ging.
Cole lächelte ihn schief an ehe er hineinkam und sich die Schuhe abstreifte.
Er sah sich eine Weile um als ob er das erste mal bei ihm wäre.
Ehrlich gesagt war es auch schon eine Weile her, dass Cole bei ihm gewesen war.
Dennoch, viel hatte sich nicht geändert.
Dann drehte sich jener um und sah Casey wieder mit seinen grünen, durchdringenden Augen an und hob seine linke Augenbraue.
So wie er es immer tat.
Er starrte ihn einfach noch an bis Cole anfing zugrinsen.
"Wollen wir nicht hochgehen?"
Casey sah in erst irritiert an ehe er nickte. Sie stiegen die Treppen zu seinem Zimmer hoch und ließen sich letztendlich auf dem Bett nieder.

***

Nachdem sie nun drei Stunden lang Videospiele gespielt hatten, lehnte sich Casey mit dem Oberkörper an die Wand, wo auch das Bett stand auf dem sie saßen, und schloss müde die Augen.
"Ist da jemand müde?"
"Nein, geht schon.", murmelte Casey immer noch mit geschlossenen Augen.
Sie sprachen wieder normal miteinander.
Casey öffnete die Augen und sah Cole an, der neben ihm saß.
Eine Weile sah er ihn nur gedankenverloren an bis sein Blick  auf die Uhr fiel, die an der gegenüber liegenden Wand hang.

16:20

Erschrocken riss er die Augen auf und sprang wenig elegant vom Bett.
Mist! Wie konnte er das vergessen.
Leise vor sich hin fluchend sprintete er die Treppe hinunter.
"Was ist passiert?", fragte Cole ebenfalls erschrocken durch Casey.
"Ich muss noch Alejandra abholen! Ich hab's total vergessen."
Dass das alles Cole's Schuld war, weil er so abgelenkt gewesen war durch ihn, würde er ihm jetzt nicht sagen.
"War ja klar, dass du die Süße vergisst."
Casey funkelte ihn an, worauf Cole nur grinste und ebenfalls in seine Schuhe stieg.
Casey sagte nichts. Er würde Cole sowieso nicht davon abbringen können mitzukommen.
Casey schnappte sich den Schlüssel, der auf dem kleinen Tisch im hellen Wohnzimmer lag und beide sprintete nebeneinander her zum Kindergarten.

Sie betraten grad' den Kindergarten als seine kleine Schwester auch schon mit der Erzieherin an der Hand aus der Tür heraustrat.
Sie unterhielten sich bis Alejandra die zwei Jungs bemerkte und lautstark den Namen ihres großen Bruders rief.
Angesprochener grinste schief und ging mit Cole an seiner Seite zur Alejandra und der Erzieherin, deren Name er immer wieder vergaß.
"Tut mir wirklich sehr leid, dass ich zu spät bin.", gab er zerknirscht von sich.
Verdammt! Wie er es hasste sich zu entschuldigen.
Die Frau lächelte ihn an.
"Ach das ist doch nicht so schlimm."
Sie gab Alejandra's Hand frei, die sofort auf die beiden zugerannt kam.
"Bis morgen, Alejandra.", verabschiedete sie sich und schenkte den beiden Jungs noch ein Lächeln ehe sie zu ihrem Auto ging.
Dir Luft ausatmend drehte er sich um.
Sofort erschien ein Lächeln auf seinen sonst emotionslosem Gesicht.
Cole war auf die Knie gegangen und redete mit Alejandra, die ihn freudig angrinste.
Die beiden kannten sich schon seit Alejandra's Geburt und sie freute sich immer wieder wenn Cole nach Hause kam. Früher war er sehr oft gekommen, doch mittlerweile hatten die beiden jungen Männer nicht mehr all zu viel Zeit dafür.
Lächelnd sah er den beiden zu wie sie redeten und spielten.
"Casey?" Seine Schwester.
"Ja?"
"Kann Cole mit zu uns kommen?", fragte sie mit ihren großen Augen.
Er warf Cole einen kurzen Blick zu. Dieser nickte.
"Natürlich."

Can you love me? (boyxboy)Where stories live. Discover now