•Zehn•

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...von langweiligen Reden und Herzchen Kritzeleien.

Der nächste Morgen begann, wie jeder erster Schultag nach sechs Wochen Ferien beginnt. Der Wecker klingelte viel zu früh, das Frühstück bestand fast nur aus Kaffee, damit man nicht sofort wieder einschlief, und die Stunden vergingen so quälend langsam, dass man das Gefühl hatte, man hätte zwölf Stunden und nicht bloß vier gehabt.

Zudem hatten die Lehrer nichts anderes zu tun, als ihren Unterricht für eine Ansprache über die Wichtigkeit unseres Abschluss zu nutzen und ihnen dann den Stoff, den sie in genau diesen Stunden hätten machen sollen, aufzugeben.

Ich seufzte. Ich musste jetzt schon drei lange Aufsätze schreiben und der Tag war noch nicht vorbei. Samstag war demnach schon mal belegt, zu mal ich Marls versprochen hatte, bei den Auswahlspielen der Gryffindor Quidditchmannschaft zuzusehen.

Es war typisch James, dass er den Quidditchtermin so früh wie nur irgendwie möglich gesetzt hatte. Er war wie letztes Jahr Kapitän, nur dass er dieses Jahr als Sucher und nicht als Jäger spielen würde.

Ich wusste das nur, weil Marls es irgendwann mal beiläufig erwähnt hatte und ich wusste selber nicht, warum ich mir das gemerkt hatte.

Apropos James, er war gestern noch bei mir im Zimmer gewesen. Ich wusste nicht, ob er wusste, dass ich es wusste, aber das war auch nicht die Tatsache, die mich so verwirrte. Die Sache war die: Ich wusste nicht, ob ich ihm das wirklich übel nahm.

Inzwischen war ich so tief in meine Gedanken über das Verhalten dreier schwarzhaariger Jungen versunken, dass ich kein Wort mehr von Slughorns 'toller' Rede mitbekam, als die Tür aufging und eben zwei dieser schwarzhaarigen Probleme hereinkamen. Merlin, warum konnte nicht wenigstens einer von ihnen braune oder gar blonde Haare haben?, trug mein ach so witziges Gehirn dazu nur sehr klug bei.

Obwohl ich selbst gerade nicht aufgepasst hatte, warf ich beiden einen bösen Blick zu. Sirius grinste mich nur an und ließ sich dann schwungvoll neben einer blonden Rawenclaw nieder, die ihn aber geflissentlich ignorierte und die dämliche Rede mitschrieb.

Das würde ja nicht mal ich machen und ich wurde schon echt häufig, meistens natürlich aus Spaß, als Streberin betitelt.

Ich realisierte erst, dass der Platz neben mir der letzte Freie war, als sich James mit ebenso viel Schwung und einem Grinsen auf den Lippen neben mich fallen ließ. Verdammt! Jetzt musste ich mich wohl oder übel mit ihm unterhalten.

Wo waren Mary und Marls, wenn man sie mal brauchte? Mary war wahrscheinlich irgendwo weiter hinten in den Reihen, um ihr neues Opfer, ich glaube Fabian Prewett, klarzumachen und Marls saß irgendwo bei Remus.

Die beiden hatten in der letzten Stunde eine Diskussion über die Verwendung von Nutella auf Käse begonnen, keine Ahnung, wie sie auf das Thema kamen, und wollten diese jetzt beenden. Ich fand Nutella allgemein schon nicht so furchtbar lecker, also hielt ich mich lieber raus, denn wenn man irgendetwas gegen irgendwas Schokoladiges in Remus Nähe sagt, dann sollte man lieber schnell laufen können.

Abermals wurde ich von James aus den Gedanken gerissen. Diesmal allerdings von seiner Hand, die vor meinen Augen herum wedelte und mir dabei fast in die grünen Augen stach.

"Was soll das? Willst du, dass ich deine Fingerabdrücke auf meinen Augen hab?", zischte ich ihn an. Sofort zog er seine Hand zurück und erwiderte dann mit einem mir nicht gerade positiv in Erinnerung gebliebenem Grinsen:

"Eigentlich wollte ich nur schauen, ob du noch hier bist oder ob du schon in der Zukunft auf unserer Hochzeit bist, aber wenn ich dadurch allen beweisen kann, dass du mir gehörst, dann gerne. Apropos, gehst du mit mir aus?"

Hatte ich noch vor zehn Minuten in Erwägung gezogen, ihm das mit dem Zimmer nicht übel zu nehmen? Wenn ja, dann hatte ich echt einen an der Klatsche.

Ich versuchte so ruhig wie nur möglich zu bleiben und reckte meinen Arm in die Luft, denn ich hatte keine Lust auf Ärger nur wegen dem ach so tollen Mr. Potter am ersten Schultag als Schulsprecherin.

"Miss Evans?" Slughorn blickte mich verwirrt an. Ich hatte ihn wohl gerade mitten in seinem Monolog unterbrochen.

"Entschuldigen sie die Unterbrechung, aber wäre es möglich, dass ich woanders sitzen könnte? Es ist nicht so, dass es mir in der ersten Reihe nicht gefällt, aber gewisse Leute", dabei blickte ich den Jungen zu meiner linken böse an, "haben es anscheinend darauf angelegt, mich zum explodieren zu bringen."

"Es tut mir wirklich Leid Miss Evans, aber die Sitzordnung muss jetzt erstmal so bleiben, da ich, wie ich eben bereits sagte, jetzt kein großes Chaos veranstalten will. Sie könnten sich dennoch auf den leeren Platz neben Mister Snape setzten, wenn ihnen das lieber ist."

Ich stöhnte laut auf und dachte kurz darüber nach, welches wohl das kleinere Übel wäre.

"Du überlegst doch nicht ernsthaft, ob du dich zu dieser Schlange, die dich Schlammblut genannt hast setzten willst?", wisperte mir eine Stimme ins Ohr und die Haselnussbraunen Augen dazu blickten mich kurz verletzt an, so als würde ich lieber den Teufel wählen statt ihm.

Ich hielt kurz inne. Eigentlich hatte er Recht. Datefragen waren vielleicht nervig, aber die dunkle Magie, Lord Voldemort und der Muggelhass waren da weitaus schlimmer. Ich wusste nicht genau warum, aber dieser eine, nicht mal wirklich relevante, Moment schien mir die Augen zu öffnen.

Es war, als hätte jemand einen Schalter in meinem Kopf umgelegt. Wie hatte ich all die Jahre ignorieren können, dass Snape mit Leuten befreundet war, die ohne zu zögern mich und meine Familie töten würden? Wie hatte ich ihn immer in Schutz nehmen und Verteidigen können?

Das alles kam auf mich zu wie eine riesige Welle. Es war, als hätte sich das alles schon lange hinter einer Mauer versteckt gehabt und diese Mauer war jetzt durch diese eine einzige banale Situation zerbrochen.

Ich murmelte nur ein kurzes 'Na schön, aber ich kann für nichts garantieren', denn zu mehr war ich gerade nicht fähig. Ich weinte nicht, aber ich wusste, dass ich nachher vor dem Einschlafen nicht Drumherum kommen würde.

Ich sammelte mich kurz und warf James dann einen zwar nur halbherzigen, aber dennoch bösen Blick zu. Trotzdem schien allein die Tatsache, dass ich ihn anstelle von Snape gewählt hatte, ihn unfassbar glücklich zu machen. Ich verdrehte nur die Augen, als ich sein breites und diesmal sogar ehrliches Grinsen sah, doch auch auf meine Lippen stahl sich ein leichtes Lächeln.

Ich packte meine Sachen langsam zusammen, da der Unterricht, den ich fast nur noch in Gedanken versunken erlebt hatte, zum Glück in drei Minuten vorbei war und mein Blick fiel auf das Blatt Pergament, auf dem ich mir eigentlich Notizen machen wollte.

Ich wurde rot.

Es war zwar schon oft vorgekommen, dass ich während meinen wirren Gedankenströmen etwas auf mein Blatt kritzelte, aber ich hatte doch nicht ernsthaft ganz viele Herzen in unterschiedlichen Größen darauf gekritzelt?! Ich verzweifelte bald an mir selber.

Auf dem Weg zum Schulsprecherraum holte mich jemand ein. Ich erwartete Mary oder Marls, aber blickte in das Gesicht von Sirius, als ich mich umwand.

"Danke Lily", war alles, was er sagte, bevor er weitergehen wollte, doch ich hielt ihn zurück.

"Wofür?", fragte ich. "Dafür, dass du Krone glücklich gemacht hast" und mit einem Grinsen fügte er noch hinzu: "Und für Schni- sorry, Snapes Gesichtsausdruck, als du sitzen geblieben bist."

J.I.L.Y.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt