Kapitel 16

29 5 8
                                    


Heute war der mir langersehnte Samstag endlich da. Ein Tag, an dem ich niemanden sehen musste, den ich nicht sehen wollte. Und auf dieser Liste stand John ganz oben. Es war absolut kein leichtes gewesen, ständig seine eigenen Gefühle leugnen zu müssen und so zu tun, als wäre alles in bester Ordnung. Das machte mich noch krank, ehrlich. Wie hielt John das nur aus, ständig diese ernste Maske zu wahren? Das schien mir unerklärlich. Wie auch immer, das hat dich nicht zu interessieren, rief ich mir ins Gedächtnis. Heute würde ich nur das machen, worauf ich Lust hatte. Und ich hatte Lust mich mal ordentlich gehen zu lassen. Den halben Tag gammelte ich nur in meinem Pyjama rum, aß mein heißgeliebtes Schokoeis mit Streußeln (ja, das half mir tatsächlich mein Befinden zu bessern) und checkte so ziemlich jede fünf Minuten die sogenannten Dark Sites. Das waren Internetseiten, auf denen zahlreiche News und Berichte von uns Eagles kursierten. Wahrheiten über die Regierung, alle bisher ausgestrahlten Promo Spots und und und. Inzwischen waren es schon über eine Millionen Klicks auf der bekanntesten Seite. Das gute an diesen Black Sites war, dass die Regierungsfuzzis nur mit einiger Zeit und Aufwand unsere Codes knacken und die Seiten Sperren konnten, was sehr zu unser aller Freude war. Bei den Eagles hatten wir schon einige Statistiken aufgestellt, die zeigten, dass die meisten Besucher auf unseren Seiten junge Leute waren. Was wiederum bedeutete, dass wir effektiveres unternehmen mussten, um auch die ältere Generation zum Zweifeln bewegen zu können. Etwas, dass handfeste Beweise gegen die Regierung lieferte. Und Melissa, Mason und der Rat waren schon dabei, eine Strategie hierfür zu entwickeln. Es juckte mich so in den Fingern, bei dieser Planentwicklung dabei zu sein. Aber das war natürlich ausgeschlossen, ich war wohl einfach zu unwichtig für Sie. Erst jetzt bemerkte ich, wie wichtig es für mich geworden war, die Wahrheit ans Licht zu bringen und diese jedem einzelnen ahnungslosen und unschuldigen Bürger auf die Nase zu binden. Das lag vor allem aber auch daran, dass ich vermutete selbst jetzt noch längst nicht alles über die Regierung und deren Methoden zu wissen. Ich war regelrecht verbissen darauf, immer mehr Antworten zu bekommen und dafür auch einzustehen. Vielleicht empfand ich auch nur so, weil The Eagles irgendwie eine Art Rettungsring für mich war. Das war ein Ort, an dem ich nicht wirklich etwas verheimlichen musste, abgesehen von der Sache mit John. Und dort hatte ich eine Aufgabe, beziehungsweise ein Ziel, etwas worauf ich mich konzentrieren konnte. Ganz im Gegensatz zu meiner Ausbildung, die mir von Tag zu Tag immer mehr zusetzte. Damit meine ich nicht das körperlich anstrengende Training, das mir immer noch schwer zu schaffen machte und auch nicht die Einsätze, die mich manchmal wirklich aufwühlten, sondern vor allem die Tatsache, dass ich dort scheinbar 24/7 von John umgeben zu sein schien. Einer Person, die ich zwar einerseits so nah und oft wie möglich bei mir haben wollte und andererseits ganz weit weg von mir haben wollte. Es ist einfach nicht einfach zu erklären, aber das liegt wohl daran, dass es auch nicht einfach war. Glücklicherweise war ich mir ziemlich sicher, dass John nichts von meinen Gefühlen für ihn mitbekommen hatte. Vielleicht bemerkte er, dass ich nicht gerade glücklich war, aber das musste ja nicht unbedingt mit ihm zu tun haben. Ein plötzliches vibrieren in meiner Hosentasche ließ mich erschrocken hoch fahren.

>Hale, sag mir bitte dass du heute Bock und Zeit hast, feiern zu gehen!<

Die Nachricht war von Cara, und nach kurzem Überlegen beschloss ich, ihr zuzusagen. Heute würde ich wie gesagt nur das tun, worauf ich Lust hatte. Und Feiern zu gehen schien mir eine willkommene Abwechslung zu sein, zu meinem sonst so chaotischen (Gefühls)leben.

>Wohin willst du gehen?<, tippte ich in mein Phone und wartete auf die Antwort, die innerhalb Sekunden kam.

>Ich hab da an den Undergroundclub von letztem Mal gedacht..?<

Oh nein, sicher würde ich da nicht hingehen. Doch bevor ich Cara Rede und Antwort stehen musste, suchte ich schnell nach anderen Underground Clubs, die nicht schwer aufzuspüren waren, wenn man einigermaßen gut mit dem Pc's umgehen konnte und wusste, wie man am besten nach Ihnen suchte. Und Tadaa, tatsächlich fand ich noch einen weiteren, der sich ziemlich gut anhörte und auch nicht weit weg von der Central Station war. Perfekt. Schnell schlug ich Cara meine Auswahl vor, die nicht weiter nachfragte, bejahte und eine Uhrzeit schrieb. Ich nahm mir vor, heute ordentlich rein zu hauen und einfach alles zu vergessen, was mir diesen Abend irgendwie vermiesen könnte. Ich zog mein bestes Kleid an, diesmal ein rotes, hautenges, welches an den richtigen Stellen meine Figur betonte. Ich bemalte mir die Lippen dunkelrot, glättete meine Haare und schminkte meine Augen dunkler. Das Endergebnis war ziemlich zufriedenstellend, auch wenn ich mich selbst fast nicht wiedererkannte. Vielleicht war das auch von Anfang an meine Intension gewesen.

Die EntscheidungWhere stories live. Discover now